Florentiner Novellen. Isolde Kurz

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Florentiner Novellen - Isolde Kurz

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war der ungewohnte welsche Wein zu Kopf gestiegen, und die Ruhmredigkeit des Roten begann ihn zu verdrießen. Er schlug auf den Tisch und rief herausfordernd: »Und mein Herr ist doch noch ein viel größerer Herr, das sag ich. Der schlägt mit der gepanzerten Faust einen Ochsen nieder, und den stärksten Ritter hebt er aus dem Sattel, als ob es ein Strohmann wäre. Acht Wölfe hat er einmal an einem Tag erlegt, und die Dienste, die er dem Hause Württemberg bei der Mühlhäuser Fehde geleistet, wird ihm der Graf gewiß zeitlebens nicht vergessen. Und was den Reichtum betrifft, so brauche ich nur die Burg Stauffeneck zu nennen, mit Dörfern, Wäldern und Äckern, und die Herrschaften im Oberland, gar nicht zu reden von den kleineren Höfen und Weilern zwischen Staufen und Rechberg, die ihm zinspflichtig sind. Es lebt kein besserer Ritter im ganzen römischen Reich, und wer’s nicht glaubt, der hat mit mir zu tun.«

      Die anderen Kriegsknechte ließen ein beistimmendes Murmeln vernehmen.

      »Ich glaube es ja gern, ihr Herren«, begütigte Lucius. »Aber seht: Andere Völker, andere Sitten! wie der Lateiner sagt. Bei uns gilt der Mann mehr nach dem Kopf als nach der Faust, und eine schöne Bücherei hat größeren Wert als Schlösser und Burgen. Da ist zum Beispiel Herr Marcantonio, das alter ego meines Gebieters; nun, wer ihn sieht, der muß bekennen, daß die Göttin der Liebe nicht an seiner Wiege gestanden hat, und dennoch darf er um das schönste Mädchen von Florenz, um unsere Lucrezia, werben, und meine alten Augen werden es noch erleben, daß Hymens Fackel ihnen den Brautgesang tönt. Das kommt daher, daß er vor ein paar Jahren ein Buch geschrieben hat, ein lateinisches Buch« – Lucius dämpfte seine Stimme zum Flüstern, als ob er sich in der Nähe des Allerheiligsten befände – »seit den großen Alten sei nichts Schöneres geschrieben, sagt Seine Magnifizenz, der erlauchte Lorenzo, der nicht nur ein Kenner ist, sondern auch selber den Pelikan besteigt.«

      Er sah sich im Kreise nach Beifall um, fand aber nur gleichgültige Gesichter.

      »Bücher«, sagte Peter wegwerfend, »die wachsen bei uns wie Unkraut, aber wir fragen nichts danach, denn das ist für die Klerisei, nicht für Kriegsleute. Mein eigener Herr hat eine großmächtige Truhe voll von dem Zeug in seinem Keller stehen und hat sich in seinem Leben noch nicht nach ihr gebückt.«

      Der Rothaarige stieß einen Laut der Überraschung oder des Zweifels aus.

      »Ich weiß, was ich sage!« rief Peter, sich erhitzend, »ich habe sie selbst gesehen, denn ich bin einmal, es ist schon lange her, in unseren Burgkeller auf Schloß Stauffeneck heimlich eingestiegen. Ich hatte einen störrischen Hengst im Burghof getummelt, daß er und ich von Schweiß troffen, denn es war ein heißer Sommertag. Da bemerkte ich nicht weit von dem großen runden Turm ein Loch im Boden, durch das man in den Keller hinabsehen konnte, und der Quaderstein an dieser Stelle war losgebröckelt, denn es ist ein gar altes Gemäuer. Ich, nicht faul, hebe den Stein aus und drücke mich durch die Öffnung hinunter. Es war ein übler Weg, wie ihr euch denken könnt, und ich kam halb geschunden auf dem feuchten Boden an, aber ich hoffte einen tüchtigen Schluck zu tun, denn mir schien’s, als sei hier der Weg zum großen Faß. Aber ich befand mich in einem engen Bretterverschlag und konnte nur durch die Latten nach den schönen Wein- und Mostfässern hinüberschielen. Durch einen engen Gang aber kam ich in ein anderes ausgemauertes Gelaß und stieß dort auf eine große eiserne Truhe. Da fiel mir ein, was ich einmal gehört hatte, daß in diesem Gewölbe der Klosterschatz von Sankt Blasien vergraben sei, und ich sah mich um, ob nicht auch in einer Ecke der Hund mit den feurigen Augen sitze, der die Truhe hüten soll. Aber da war nichts Lebendiges außer mir. Also, ich gehe hin und hebe den Deckel auf, und was glaubt ihr, daß ich drinnen fand? Vergoldete Altarleuchter und silberne Becher? – Ja, wisch dir den Mund ab! Lauter verschimmeltes Schweinsleder mit Krackelfüßen darauf und mit farbigen Bildchen am Rand. Ich, wieder zugeklappt und nicht gemuckst von dem Fund, denn wer hätte auch etwas davon gehabt? Ja, wären es harte Taler gewesen! Dort muß die Bescherung noch liegen, und es hat kein Hahn danach gekräht bis auf den heutigen Tag. Was das Ungeziefer übrig läßt, das frißt der Schimmel. Unser Junker weiß gar nichts davon, der Unrat stammt noch aus des Herren selig Zeit, der hatte es mit den Mönchen.«

      Hier aber ward Peter unterbrochen durch eine Stimme, scharf und schneidend wie ein Peitschenhieb, die seinen Namen rief. Er stolperte eilig die Treppe hinauf in das Zimmer seines jungen Herrn, der eben vom Gastmahl des Mediceers zurückkam, denn er wußte, daß es nicht rätlich war, den Gestrengen auch nur eine Minute warten zu lassen. Als er dessen Befehl entgegengenommen hatte und zu dem neuen Freund zurückkehren wollte, war dieser schon davongeeilt, um seinem Gebieter von dem merkwürdigen Bücherfund des neuen Gegenüber zu berichten.

      Der junge Ritter stand am Fenster und blickte unruhig nach der säulengetragenen, ganz von kleinen schwefelgelben Schlingröschen umrankten Halle hinüber, wo ihm beim Eintritt jene flüchtige reizende Erscheinung aufgetaucht war. Er gedachte eines Auftrags, den ihm seine jugendliche Landesmutter auf die Reise mitgegeben hatte. Wenn ihr Herr Veit eine rechte Freude machen wolle, hatte sie gesagt, so möge er von Italien, wo es der schönen Mädchen viele gebe, die schönste, die er finde, nach Hause bringen als seine eheliche Wirtin, damit Frau Barbara auch in ihrem Residenzschloß zu Stuttgart die Laute der geliebten Muttersprache vernehme.

      Veit, der in Gräfin Barbara das Muster der Frauen verehrte, hatte sei dem ersten Schritt auf italienischem Boden keinen anderen Gedanken mehr, als ein Weib zu finden, das der anmutigen Gebieterin gleiche. Aber je länger er suchte, desto schwieriger fand er die Wahl. Von einer stolzen Visconti, die ihm beim Einzug in Verona mit ihrem fürstlichen Brautgeleite wie die Königin von Saba begegnet war, bis herab zu der anmutigen Spinnerin in Holzschuhen, die es ihm auf den Apenninen angetan hatte, wollte sein Herz gar nicht mehr zur Ruhe kommen, und er bekannte seinen Reisegefährten, daß er Muselmann werden und einen ganzen Harem nach Hause bringen müßte, um den Auftrag seiner Herrin richtig zu vollziehen.

      Doch in Florenz ereilte ihn sein Geschick, denn seit ihm Bernardo Rucellais Tochter jenes Röslein zugeworfen hatte, war ihm alles weitere Schauen leid und widrig geworden, er hätte am liebsten die Augen schließen mögen, um dieses Bild durch keine anderen Bilder mehr verwischen zu lassen. Er fand, daß sie der Gräfin gleiche, nur war ihr Wuchs höher und schlanker, und ein Liebreiz ging von ihr aus, der in des Junkers Augen alles übertraf, was er bis jetzt gesehen hatte. Er brauchte sich nicht zu fragen, ob Lucrezia Rucellai auch wirklich die Schönste sei, denn sie war gleich bei dem ersten Blick für ihn die Einzige geworden. Ihren Namen hatte er durch einen der Florentiner Herren, die den Zug geleiteten, erfahren, aber mehr wußte er nicht von ihr, und jetzt fühlte er sich zum ersten Male etwas verzagt, wenn er bedachte, daß die Besitzer dieses Kleinods doch wohl schwerlich auf einen wildfremden Landfahrer gewartet hatten, um es loszuschlagen.

      Die kleine Entfernung von seinem Fenster zu ihrem Hause bedeutete also wohl eine unüberschreitbare Kluft, und dennoch lächelte der junge Mann leise vor sich hin, während seine Phantasie eine bunte Brücke in den Farben des Regenbogens hinüberbaute.

      Da ging drüben am Hause, das mit der Loggia verbunden war, die Türe auf, und heraus trat zu Veits froher Überraschung Johann Reuchlin, Graf Eberhards jugendlicher Geheimschreiber, geleitet von jenem schönen würdevollen Greis im Silberhaar, den Junker Veit neben dem Mädchen erblickt hatte, und er sah, daß die beiden sich auf der Schwelle herzlich wie alte Freunde verabschiedeten.

      Veit sprang mit klirrenden Sporen ungestüm die Treppe hinab, um den Geheimschreiber an der Straßenecke zu stellen und über die Bewohner jenes Hauses zu befragen. Da erfuhr er, daß der würdevolle alte Herr Bernardo Rucellai heiße, ein Stern des Humanismus sei, durch Familienbande dem Herrscherhaus verknüpft und zugleich naher Anverwandter jenes berühmten Marcantonio Rucellai, den die gelehrte Welt als den glänzendsten neulateinischen Autor verehre.

      »Leider mußte ich dem alten Herrn eine schmerzliche Enttäuschung bereiten«, fuhr der Geheimschreiber fort. »Er hatte gehofft, ich würde ihm ein einzig vorhandenes Manuskript zur Stelle schaffen, einen uralten Cicero, auf den die Rucellai seit dreißig Jahren fahnden. Doch meine Bemühungen waren vergeblich,

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