Das Ketzerweib. Werner Ryser

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Das Ketzerweib - Werner Ryser

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      Werner Ryser

      Das Ketzerweib

      Roman

      Für Philipp und Anna

      Alle Rechte vorbehalten

      © 2016 by Cosmos Verlag AG, CH-3074 Muri bei Bern

      Lektorat: Regina Haener

      Umschlag: Stephan Bundi, Boll

      Satz und Druck: Merkur Druck AG, Langenthal

      Einband: Schumacher AG, Schmitten

      ISBN 978-3-305-00475-1

      eISBN 978-3-305-00495-9

       www.cosmosverlag.ch

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Nachwort

       Dominik Bernet: Das Gesicht

       Lea Gafner: Die Nonne tanzt

      1

      Am Abend des 28. April 1693, es war ein Dienstag, stieg die Täuferin Anna Jacob, die auf dem Auenhof am Rand der Schwemmebene westlich von Langnau lebte, hinauf auf die Dürsrüti. Ihr Weg führte sie an der Hüselmatte vorbei, wo Christine Bärtschi, die beim Chorrichter Bürki als Magd angestellt war, im Gemüsegarten mit einer Hacke die Erde lockerte. Bis vor sechs Jahren hatte sie auf dem Auenhof gedient und war dann im Unfrieden von Anna geschieden. Jetzt richtete sie sich auf und starrte der ehemaligen Meisterin nach.

      Anna war unterwegs zu den Baumgartners, die oben am Waldrand ihren Hof bewirtschafteten. Rund zwei Dutzend Leute, eine Brüdergemeinde aus Bauern und Handwerkern mit ihren Frauen, ihren Knechten, Gesellen und Mägden versammelten sich dort in der grossen Stube um den Täuferlehrer Caspar Lüthi aus Längenbach. Lüthi hatte 1688 die damals achtundzwanzigjährige Anna getauft. Inzwischen war er alt geworden. Sein Haar, das über Stirn und Ohren fiel, und sein Bart waren weiss. Das Leben hatte zahlreiche Falten in sein Gesicht gegraben. Jung geblieben waren nur seine strahlend blauen Augen. Er öffnete eine grosse Bibel, die vor fast zweihundert Jahren in der Offizin Froschauer in Zürich gedruckt worden war. «Denn wer sein Leben will behalten, der wird’s verlieren», las er daraus vor, «und wer sein Leben verliert um meinet- und des Evangeliums willen, der wird’s behalten.» Die kleine Gemeinde von Altevangelischen schwieg bedrückt. Obrigkeit und Kirche kannten ihnen gegenüber keine Gnade. Dass sie, unter Berufung auf die Schrift, die Erwachsenentaufe praktizierten und den Kriegsdienst ebenso verweigerten wie den Treueeid auf die Gnädigen Herren, machte sie zu Staatsfeinden. Fast jeder von ihnen hatte Angehörige oder Bekannte, die ins Gefängnis geworfen, gefoltert, verbannt oder zu einer Galeerenstrafe verurteilt worden waren.

      Schliesslich ergriff Lüthi erneut das Wort: «Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn das Himmelreich ist ihrer», zitierte er Matthäus, der im 5. Kapitel seines Evangeliums die Seligpreisungen des Herrn schildert. Es entstand eine Diskussion. Fast alle äusserten sich. Ruhig und bedächtig die einen, erregt andere. Sie erzählten von ihrer Angst vor Verfolgung durch die Täuferjäger und davor, dass sie unter der Folter nicht standhaft bleiben und damit ihr ewiges Leben verspielen würden. Lüthi sprach ihnen Mut zu. Er schob sein weisses Haar aus der Stirne und zeigte allen sein Mal, den Berner Bären, den ihm der Henker im vergangenen Jahr auf die Haut gebrannt hatte.

      «Ich bin verbannt worden», sagte er, «und wieder zurückgekommen. Als man mich fasste, wurde ich ausgepeitscht, gebrandmarkt und erneut aus dem Land gewiesen.» Er richtete sich auf und die Leute hatten das Gefühl, er wachse über sie hinaus. «Ich bin zum zweiten Mal zurückgekehrt. Wenn man mich verhaftet, werden sie mich wohl auf die Galeeren schicken. Aber der Herr spricht: Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein

      Mit leuchtenden Augen schaute Anna den alten Täufer an, der bereit war, das Martyrium auf sich zu nehmen. Auch die anderen schienen aus Lüthis Beispiel Mut zu schöpfen. Nach dem Wort des Evangelisten gab es nichts mehr zu sagen. Jemand stimmte ein Loblied an. Sie fassten sich an den Händen und sangen, so wie sie immer sangen, wenn sie sich gestärkt fühlten.

      Später schlug der Alte vor, dass man zum Zeichen der brüderlichen Liebe und des Friedens gemeinsam das Brot breche, jenes ganz gewöhnliche Brot, das die Hausfrau am Morgen gebacken hatte, und dazu einen Becher Wein trinke. Alle wussten, dass es für die Staatskirche ein Sakrileg war, wenn ein Bauer oder ein einfacher Handwerker, wie es alle Täuferlehrer waren, das Abendmahl austeilte. Nach einem schlichten Gebet, in dem sie Gott um Standhaftigkeit anflehten, machte sich jeder und jede von ihnen auf den Heimweg. Auch Anna Jacob.

      Es war schon spät. Anna zählte die Glockenschläge der Kirche von Langnau. Es waren sieben. Die Sonne versank am Horizont. Ihre letzten Strahlen vergoldeten die Kuppen der bewaldeten Hügel und tauchten die Felswände der Schrattenfluh in ein fahles Licht. Die Schwemmebene der Ilfis am Fuss der Dürsrüti lag im Schatten. In zahlreichen Nebenarmen und Bachläufen mäanderte der Fluss durch den Auenwald Richtung Nordwesten. Anna musste die Wildnis mit all ihren Wassern durchqueren, um zu ihrem Hof zu gelangen, der auf der anderen Seite der Ebene lag. Sie zog den Schal enger um ihre Schultern.

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