Die Prinzessin und der Heilige. Georg Engel

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Die Prinzessin und der Heilige - Georg Engel

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vor den zwinkernden Augen dieses arglistigen Menschenkenners.

      Allein noch verrieten seine hohlen, gelben Züge nichts weiter, als eine fast demütige Verehrung für das verlassene Weib, und da sie keine Miene machte, ihm ein Wort des Grusses zu bieten, so neigte sich die untersetzte Gestalt des Fürsten endlich selbst, und er legte seine Rechte nach slawischer Sitte anbetend vor seine Brust: „Alles heil dir, Gräfin Gabune,“ hauchte sein singender Tonfall, und spielende Blicke streichelten ehrerbietig und sammetweich über die reglosen Glieder der ihm Ausgelieferten. „Wir erwarteten nichts anderes, als dich bei der Sorge für dieses dir anvertraute Heimwesen zu finden. Gut. Aber wie früh und hingebend du dich bemühst, dies wollen wir deinem fernen Eheherrn liebreich mitteilen.“ hiermit ergriff er ihre Hand und liess seine Rechte gnädig und billigend über den starren Arm der noch immer Stummen hinaufgleiten: „Bei den Nöten unserer Lande,“ fuhr er eindringlich fort, denn der Kluge erriet, dass ihm nichts so sehr das Verständnis der Frommen sichern würde, als ein ernsthaftes Eingehen auf das Elend ihrer Umwelt, „bei der allgemeinen Not bedürfen wir solch emsiger Schaffnerinnen. Du aber gehst, wie ich sehe, deinen Schwestern weit voran. Dafür verspreche ich dir —“ und er umspannte wie zur Bekräftigung die volle Schulter des Weibes, „dass ich alles aufbieten werde, um dir deinen entrissenen Eheschatz so bald als möglich wieder an die Brust zu legen. Bist du’s zufrieden?“

      O, der schlaue Berechner hatte die verborgenste Begierde einer sich in Sehnsucht Verzehrenden getroffen. Eine Wandlung vollzog sich mit ihr. Noch eben ganz verhärtet gegen alles, was von dem Verderber herrühren könnte, sprühte plötzlich eine verräterische Glut über ihr Antlitz, ihre Hände streckten sich dem Mann entgegen, als ob sie ihm jetzt schon sein Geschenk entreissen möchte. Und doch — das eingesäte Misstrauen suchte sich auch jetzt noch gegen Täuschung und Fallstrick zu schützen. Dunkel und prüfend fahndeten ihre Blicke nach den unsicheren sich versteckenden Augensternen des Tyrannen, gleich zwei Schweisshunden, die den aufgejagten Eber stellen und nicht lassen wollen: „Herzog Swantopolk,“ forderte Adelheid fest und ohne zu ahnen, welche Beschämung sie dem Herrschgewohnten zufüge, „kannst du mir diese deine Absicht vor Gott und den Menschen beschwören?“

      Der Fürst neigte sich. Um seine bärtigen Lippen zuckte geringschätziger Spott, denn dieser Verächter allen Glaubens wunderte sich immer von neuem darüber, ein wie brauchbares Mittel jener wolkendurchbrechende Irrwahn der Betörten in den Händen eines Freien und Aufgeklärten abgebe. Auch hier bei dem von ihm geplanten Fang freute er sich, weil er die Besessenheit einer von der Majestät des Himmels Überzeugten so leicht für seine Zwecke nützen könnte. Deshalb neigte er sich tief, um der Beobachterin das Widerspiel solcher Gedanken zu entziehen, und während er sich die hohe Stirn bekreuzte, beruhigte er seine Zuhörerin mit täuschend nachgeahmter Demut.

      „Wie ich überzeugt bin, edle Frau, dass mich der Herr der Heerscharen in diesem Augenblick vernimmt, so redlich wünsche ich, meinen Dienstmann Gabune dir und mir zur Freude bald zurückleiten zu können. Möge es noch vor Einbruch des Winters geschehen.“ Und indem sich über seinem Munde die Furchen ein wenig vertieften, wodurch die Geiernase raublustiger hervorstach, setzte er bereits in gekränkter Herrscherhoheit hinzu: „Weshalb zweifelst du, Holde, da sich doch mein und dein Vorteil so innig verträgt?“

      Da war das überraschte Weib von seiner Furcht hinweggelockt. Beschämung und ein hohes Staunen befielen sie, warum man wohl diesem Vielgeplagten, der sich noch eben herabgelassen, ihr, einem törichten Weibe, seine Gutwilligkeit durch einen feierlichen Eid zu bekräftigen, warum man wohl solch einem von Sorge Umdrängten von der Wohltat menschlichen Zutrauens ausschloss? Und eine Art Mitleid beschlich die Reine für diesen Hochgebietenden in seiner kalten, dem Menschlichen so weit entrückten Abgeschlossenheit.

      „Jetzt zweifle ich nicht mehr,“ gestand sie dankbar. „Und ich wollte nur, ich könnte dir deine Barmherzigkeit in Demut vergelten.“

      Der Herzog schickte einen raschen Blick in den Korb, der dem Weibe am Arm schaukelte.

      „Leicht vermagst du’s,“ entgegnete er glatt, indem er sich nach Art der Darbenden die Lippen leckte, „der frühe Ritt hat mich hungrig gemacht. Reiche mir ein paar deiner Früchte.“

      Da erschrak Adelheid; die Vertraulichkeit störte sie.

      „Du scherzest, Herr,“ widerstrebte sie, ohne seinen Wunsch zu erfüllen, „gönne mir Zeit, damit ich dir einen Imbiss auftische.“

      Hastig wandte sie sich, um dem Herrenhaus entgegenzueilen, jedoch der Fürst griff nach dem Geflecht und hielt die Gräfin mit einem harten Ruck zurück.

      „Torheit,“ verwies er, und seine Stimme klang ungeduldiger als bisher. „Wir Fürsten vermögen nichts so schwer zu verschenken, als Zeit. Die mangelt uns. Sitze deshalb mit mir auf jener Moosbank unter dem Hasellaub nieder, Weib, und lass mich schmausen, wie ich es gewohnt bin.“

      Ohne die Überraschte zur Besinnung kommen zu lassen, drängte er die Schlossfrau zu der bezeichnten Stätte, liess sich nieder, und während Adelheid umdämmert und verdunkelt an seine Seite glitt, langte er sogleich mit seinen haarigen Händen in ihren Korb und begann die noch grünen Nüsse zwischen seinen Hauern zu zermalmen. Eine Weile hörte die Betroffene nichts als das weichliche Geräusch der zerbissenen Schalen, zugleich aber nahm sie voll verworrener Ahnungen wahr, wie fahl und leblos sich das Antlitz ihres Nachbarn unter dem grünen Schatten der Blätter überhaucht hatte. Nur die schiefen grünen Augen stachen unbarmherzig auf ihrer haut herum, wie Messer, die Eingang in das warme Fleisch suchten. Schmerzlich, gespannt drückte die Verlassene beide Hände auf ihr Herz. Allein den Herzog erfüllte gerade diese schützende Bewegung mit beissendem Wohlbehagen, weil ihm dadurch offenbart wurde, wie widerstandslos die Begehrte vor seiner Gegenwart zusammenbrach. Er wusste ja, so erging es mit allen Langzöpfen. Hieb und Furcht machten auch die Stolzesten willfährig. Doch nur sachte — das Belauern und Beschleichen brannten dem alten Jäger im Blut.

      „Genug,“ presste er endlich hervor und zwängte beide Fäuste zwischen seinen Gürtel. „Dies genügt mir. Eines Kriegsmanns Zehrung ist bescheiden.“ Spähend liess er seinen Blick durch die Haselstauden und weiter über die Wiese schweifen. Dann forschte er dringend: „Was treiben deine Sprösslinge? Die Gabunenbrut?“

      Die Edelfrau hielt den hauch an. „Sie schlummern, Herr,“ entgegnete sie kurzatmig. „Es ist noch früh.“

      „Wahr,“ nickte Swantopolk, „die Jugend braucht Traum. Wir Älteren hingegen sehnen uns nach Wirklichkeit. Denkst du nicht ebenso, du Schönste aus meinem Reich?“

      Vor der unverhohlenen Schmeichelei, die sich jetzt urplötzlich so besitztrunken und gebieterisch äusserte, da umnebelte sich der freie Wille der blonden Frau mit dunstigeren Schleiern. Gleich einer Gefangenen sass sie neben ihm, rot und blass, vergebens danach trachtend, die sie umschnürenden Blicke zu sprengen. Nein, noch schlimmer. Die Lähmung, die von dem buntgeschmückten Manne unheimlich in sie überfloss, sie schläferte ihr allmählich sogar den letzten Trieb ein, jenen schreckhaften Bann abzustreifen. Dumpf und drohend klopfte ihr Herz, und während ihre Einbildungskraft schon all das Entwürdigende durchfieberte, zu dem der Geieräugige sie sicherlich bereits verurteilt, da summte in ihrem Hirn immer greller und peinigender die greuliche Huldigung: „Du Schönste aus meinem Reich.“ Nein, das ertrug sie nicht.

      Tonlos murmelten ihre Lippen: „Herr, treibe keinen Scherz mit mir, sondern bedenke —“

      „Was?“ unterbrach Swantopolk barsch.

      Da schlug die Gräfin verschüchtert und unfähig, sich zu sammeln, die Augen nieder, und, da sie keine Antwort wusste, flog ein hilfloses Zittern um ihre Schultern.

      Der Herzog aber, der sich ärgerte, sein Wild durch eine Unvorsichtigkeit aufgestört zu haben, griff kurz nach ihrer Hand und lachte

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