Die Prinzessin und der Heilige. Georg Engel

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Prinzessin und der Heilige - Georg Engel страница 9

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Prinzessin und der Heilige - Georg Engel

Скачать книгу

Zepter ihr Wesen treibt. Zu dieser allein kam ich, um ihr als erster eine frohe Nachricht zu bringen. Freue dich. Die Kapelle des heiligen Christophorus steht fertig. Mitten in der roten Heide, unweit des Netzebruchs ward sie von mir aus Holz und Lehm errichtet. Ein Kuppeldach wölbt sich über ihr, und ein Bildschnitzer aus Stettin fertigte auf mein Geheiss eine überlebensgrosse Statue für sie an.“ Hier liess Herzog Swantopolk seinen langen Bart durch seine Rechte rinnen, und sein Blick blieb abschätzend an der atmenden Brust des Weibes hängen. „Dafür hoffe ich aber auch,“ fuhr er mit einem heimlichen Grinsen fort, „dass durch meine Willfährigkeit gegen die Kirche dein Ehebett nicht mehr lange verwaist stehen wird, und du selbst Adelheid von Gabune sollst daher als die Würdigste noch in dieser Stunde die Gnadenstätte durch einen frommen Spruch weihen.“

      „Ich?“ schwankte die Blonde in äusserster Bestürzung empor.

      „Du,“ wiederholte der Fürst, der sich gleichfalls aufgerichtet hatte und nun die Stirn runzelte, als wenn er nicht begriffe, warum sich das Weib auch gegen diese offensichtliche Ehrung zu sträuben begann. Gedrungen, hartnäckig ragte der untersetzte Mann vor ihr und streckte nun seinen Finger gebieterisch gegen die Wiese aus: „Zögere nicht länger,“ befahl er. „Ich selbst will dich auf meinem Ross zu der Kapelle leiten, auf dass alle Welt erkenne, wie ich sogar auf dem Wege zum Himmel noch die unter uns wandelnde Heilige zu ehren weiss. — Mach dich fertig,“ forderte er abermals, „denn meine Zeit drängt.“

      Da stürzte die verwirrte Frau vor dem Peiniger nieder, presste verzweifelt ihr Blondhaupt gegen seine Hände, und vermeinte durch den Sturm ihrer gänzlichen Erschütterung das Mitleid des Bösen erflehen zu können.

      „Nicht ich, du Mächtiger,“ bettelte sie besinnungslos, und ihre fromme Angst verzerrte ihr Antlitz im Augenblick zu weissem Stein, „nicht ich. Dies ist das Werk des Bischofs und seiner Diener. Wer bin ich, dass ich solchen Frevel auf mich laden dürfte? O, erbarme dich meiner, Herr!“

      Noch hatte die Kniende nicht das letzte Wort hervorgestossen, als sie von einer knöchernen Faust emporgerissen wurde, gleich darauf fühlte sie, wie eine unbezähmbare Kraft sie vorwärts drängte. Taumelnd folgte sie, und in ihre Umnachtung schlug nur noch unverständlich der bittere Verweis hinein, durch den der beleidigte Fürst ihr seinen Unwillen zu erkennen gab.

      „Schweig,“ zischte es dicht neben ihr, „meinst du, ich liesse noch länger meiner Redlichkeit spotten? Ei, ei, gelte ich für einen Küchendieb, gegen den man Schlösser und Riegel braucht? Ich meine, dein Eheherr dürfte es dir keinen Dank wissen, weil du so offenherzig eure innerste Meinung über mich verrätst!“

      Indessen vor der Gebändigten verflatterten all diese Vorwürfe und Drohungen. Ihr kurzer Weg schien über dampfende Wolken zu führen, ein Schwindel umwirrte sie, da sie auf das herzogliche Ross gehoben wurde, und erst, als sie längst den harten Schlag des Tieres unter sich spürte, erwachte die Gräfin aus ihrer Betäubung, denn der frische herbstliche Wind, der um ihre Stirn strich, brachte ihr das Bewusstsein ihrer Lage zurück.

      Staunend vergrösserten sich die Augen des Weibes. Wie liess sich dieser seltsame Aufzug erklären?

      Ehrbar, dienstwillig schritt der Herzog neben seinem Rosse her, den Zügel um seine Faust geschlungen, ja, er schien stolz darauf, wie demütig Bauern und allerlei Volk auf beiden Seiten der Strasse vor der Reiterin und ihrem Führer in den Staub sanken. Gleichsam, als ob hier ein zartes Bild der Legende an ihnen vorüberglitte. Wahrlich, und die blonde Frau blickte getrösteter auf die weiten Steppen und Heiden, die neben ihr dahinschwanden, und unwillkürlich straffte sich ihre schlanke Gestalt, denn ihr böser Verdacht musste wohl doch unbegründet gewesen sein. Zu offen und vor aller Welt gönnte ihr der Tyrann jene fromme Bevorzugung, zu nachspürbar und begangen war der Weg, den er sie leitete, als dass sich irgend eine böse Absicht hinter diesem festlichen Zug hätte verstecken können. Vielleicht bildete die Gattin des Kastellans wirklich nur eins der Mittel, mit denen der Schlaue gar häufig sein Volk und die Kirche zu täuschen trachtete. Oder — o Hoffnung — sollte sich am Ende auch in dieses verhärtete Herz ein Strahl jenseitiger Zuversicht geschlichen haben? Zudem, es war die Zeit, wo man anfing, den Frauen göttliche Ehren zu erweisen. Zuversichtlicher richtete sich die Blonde auf, und jetzt begann sie sogar sehr zum Vergnügen des Landesherrn die Mähne der mächtigen Kastanienschecke zu streicheln.

      Der Böse nickte ihr zu, verzog den Mund und schlug dem Tier kräftig gegen die Weiche. Wie hätte er ahnen können, dass seine Gefangene gerade in jenem Moment eine geistige Zuflucht gefunden hatte, dazu geschaffen, um sie über jede Anfechtung zu erheben. Es war die Mahnung des ihr geraubten Gatten, dass man zu dem sterblichen Leib, sobald er auf Schande gebettet werden sollte, sprechen könne: „Höre auf und zerfalle.“

      Und über das weisse Antlitz der Kastellanin verbreiteten sich Trost und Hoffnung.

      „Sieh hier,“ wies der Herzog, nachdem sie stundenlang durch die Einsamkeiten unwegsamer Heiden und schwarzer Moorgründe gezogen waren, „wir sind am Ziel.“

      Mitten aus einer Lichtung graustämmiger Buchen, umschlossen von einem Wall gespenstischen Schweigens, erhob sich ein unbedeutender kreisrunder Lehmhaufe. Ein Schindeldach kuppelte sich ihm tief über die Stirn, und über zwei niedrigen Stufen, die rings um das Gebäude liefen, wehrte eine ungefüge, eisenbeschlagene Bohlentür den Eintritt. Ätzend duftete sie nach dem frischen Teeranstrich, der bräunlich in der Sonne flimmerte, wodurch der Eindruck des Unfertigen, Nüchternen, Lieblosen noch vermehrt wurde.

      Der Landesherr dagegen deutete auf diese elende Hütte mit einem inneren Beifall, mit einem Schwung, als wenn er nicht wüsste, wie sehr das angebliche Heiligtum in Wahrheit einem Maulwurfshügel gliche.

      „Schau her, teure Frau,“ so triefte er vor gespielter Wichtigkeit, „welch ein friedlich, abgesondert Plätzchen sich die Andacht hier gesucht. Zierlich, ich möchte sagen, demütig fügen sich die Masse. Wahrlich, kein Mensch kann behaupten, ich sei ein reicher Mann, und dennoch habe ich den Werkleuten gegenüber nicht geknausert. Weiss Gott, eine übel angebrachte Sparsamkeit, sobald auch nur ein einzig Augenpaar gleich dem deinen in frommer Entzückung auf solchem einfältig-erhabenen Gebäu ruht. Steige herab, Gepriesene, damit nun auch du dem Heiligen deine Verehrung bezeugest.“

      Diensteifrig hielt der Herzog seiner Gefährtin den Steigbügel, und als sie sich, noch immer zögernd, herabgleiten liess, fing er sie in seinen kräftigen Armen auf und beeilte sich nicht, sie von seiner Brust zu lassen. Die Blonde aber riss sich los, und wie ein zusammenbrechend Wild, halb schutzsuchend, halb noch fluchtbereit warf sie sich auf den Stufen nieder, um tiefgesenkten Hauptes ihre verschlungenen Fäuste in den Schoss zu pressen. Wild murmelten dazu ihre Lippen ein eilig herbeigerafftes Gebet, so dringend, so inbrünstig, als stünde wirklich der Heilige hinter der Tür, nur zu dem Zwecke, um sie liebreich in seine Hut zu nehmen.

      Um die scharfen Lippen des Beobachters indessen glitt ein überhebliches Lächeln, er wusste ja, dass der heilige nur ein Klumpen Lindenholzes war, dem der Farbentopf dann die letzte Bedeutung verliehen. Ohne Hast, ja beinahe geräuschlos schleuderte er näher, schritt an der Knienden vorüber, fasste den gewaltigen eisernen Türring und drückte das Pförtlein mit gesparter Kraft auf. Ein Ächzen des Holzes wurde hörbar, aus den schlecht geölten Angeln kreischte es, und dann — ein beseeltes Dämmern höhlte sich ihnen zuerst entgegen, und wie aus einem erleuchteten Nebel erhob sich hinter einem schmucklosen Holzgitter die bunte Statue des Christophorus. In langen, starren, eckigen Kanten war die Gestalt eines Mönches in brauner Kutte von dem Künstler aus seinem Material herausgestochen, ein gelb gestrichener Teller klebte ihm als Gloriole über der Tonsur, und auf der Schulter trug er das nackte Christusknäblein, das ihn in einem sonderbar menschlichen Scherz am Ohr zupfte. Eine vorausgeeilte Regung künstlerischer Freiheit. Sonst war das Gebilde leblos, wächsern, und die alles erklärende Bewegung mangelte ihm.

      Unterdessen hatte Swantopolk seine Begleiterin unter

Скачать книгу