Die Frau Pfarrerin und andere Heimatgeschichten. Jeremias Gotthelf

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Die Frau Pfarrerin und andere Heimatgeschichten - Jeremias  Gotthelf

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zu, daß er es auch im Ausgeben nicht nach Batzen oder Kreuzern berechnete. Auch die Mutter hatte an dieser Gelehrsamkeit Freude; doch wenn eine Frau kam und ihr sagte: »Aber nein, Frau Ratsherrin, Ihr habt doch die schönsten Knaben von der Welt, man weiß gar nicht, welcher der schönere ist, man kann sie gar nicht genug luegen«, so war ihre Freude noch größer, und es mußte sicherlich der Schneider auf den Platz, und noch schöner wurden sie ausstaffiert.

      Die Buben waren guter Natur, von frischer, wilder Art, und Vater- und Mutterliebe schadeten ihnen lange nichts. Wie es in einem Handwerkshaus, wo man noch der Meinung ist, man hätte die Hände, um etwas damit anzurühren, und nicht, um sie in Handschuhe zu stoßen, Sitte ist, mußten sie bald der Mutter helfen Bohnen rüsten, Äpfel schnitzen, Därme putzen usw., bald auch dem Vater. Sie waren gerne bei ihm in der Metzg, halfen, was sie konnten, kannten das Inwendige einer Kuh lange, ehe sie wußten, was Anatomie war, und hätten nie Herz und Nieren verwechselt oder gar die Milchlig im Hinterteile eines Kalbes gesucht; viel posteten sie zwischen Vater und Mutter, mußten allerlei tragen hin und her, und sie taten es gerne, denn etwas tun war ihre Freude.

      Da begann die Mutter bei mancher Arbeit sich zu kümmern, die Kleider würden beschmutzt, die Hände wüst. »Laß du das sein, Sämeli!« sagte sie, »du machst deine Hosen wüst, und die Hände sind fast nicht zu erputzen, sMädi kann dann das machen.« Es ist unberechenbar die Zahl der Kinder, welche durch falsche Sorgfalt oder falsches Mitleiden der Mutter verhunzt, zu aller ernsten, anhaltenden Arbeit untauglich gemacht werden. Es geschah wohl auch, daß bei ihren Streitigkeiten mit andern Knaben diese ihnen das Handwerk vorwarfen, sie beschuldigten, sie röchen nach Kälbern oder Kühen, oder sie zu des Vaters Stieren gehen hießen, dorthin paßten sie besser. Es geschah wohl auch, daß Lehrer von der Art, welche alle Tage dreimal Schmiere mit der Rute nötig hätten, die Knaben, weil sie zu spät kamen, fragten, ob sie noch Därme hätten putzen oder auseinanderziehen müssen, oder daß sie einem, weil er seine Aufgabe nicht nach dem Sinne des Lehrers machte, sagten: »Aus dir gibt es dein Lebtag nichts als so ein dummer, grober Metzger, und es ist schade für jeden Kreuzer, den dein Vater für dich ausgibt!«

      Wie konnte es nun anders kommen, als daß dieses den Buben ins Haupt stieg? Sagte ihnen doch der Vater selbst bei jedem Anlasse, sie müßten andere Kerlisse werden, als er einer sei. Sie begannen aller Arbeit sich zu entziehen und hatten immer einen Vorwand dafür, bald eine Aufgabe, bald saubere Hosen. In der Metzg sah man sie nicht nur nicht mehr, sondern sie schämten sich derselben, ja, es kam ihnen manchmal vor, als müßten sie dem Vater ausweichen, wenn er ihnen entgegenkam, oder sich stellen, als kennten sie ihn nicht, auf eine andere Seite sehen oder am Boden etwas suchen; und des Vaters Schnauz, wenn er sie auf der Straße mit Wedeln und Schlecken freundlich grüßen wollte, jagten sie mit Schreien und Schlägen von sich. Auch ihr Haus, welches an einer hintern Gasse lag, gefiel ihnen nicht mehr: es war ihnen zu dunkel, und in demselben roch es, sah es aus wie in eines Metzgers Haus, und sie frugen die Mutter oft, warum der Vater doch da wohne, und warum er nicht ein schöner Haus an der vordern Straße kaufe, wo man dann auch alles schön hell haben könnte.

      Von diesem allem merkte der Vater wenig, sein Handwerk beschäftigte ihn zu sehr, und von den Richtungen, welche unwillkürlich ein jugendliches Gemüt nimmt, verstand er nichts. Es ärgerte ihn wohl zuweilen, wenn er seine Buben nichts mehr machen sah, keiner in die Metzg kam, keiner ihn zu begleiten begehrte, wenn er über Feld ging. Aber wann die Mutter sagte, sie hätten ob dem Lernen zu nichts anderm Zeit, schwieg auch der Vater, freute sich ihrer Gelehrsamkeit und tröstete sich damit, wenn er sie dann einmal beim Handwerk habe, so wolle er ihnen die Flausen schon austreiben. Der gute Hans Berner wußte nicht, daß, wenn einmal das Gift des Dünkels in der Kinder Herz geträufelt ist, daß sie der elterlichen Lebensweise sich schämen, ihnen auch der Sinn für ihren Beruf schwer beizubringen ist. So verrann rasch die Zeit, und, wie es Eltern oft geschieht, die Buben waren erwachsen, ehe die beiden, namentlich der Vater, daran dachten.

      Sobald der Älteste unterwiesen sei, sollte er zum Vater in die Metzg, das war eine festgestellte Sache. Wer sie festgestellt, wann es geschehen, das wußte eigentlich niemand, es war angenommen seit Jahren, es hatte es niemand ersonnen, es war so gleichsam eine Familienoffenbarung.

      Mit dem Buben redete man weiter nicht darüber, es verstand sich von selbst, und er wußte es wohl, aber, je näher die Zeit kam, desto mehr ward es ihm zuwider. Schon der Gedanke, daß er im Metzgerschurz durch die Stadt müsse oder ein Kalb jagen, trieb ihm das Blut ins Gesicht, und es dünkte ihn, er wolle hundertmal lieber in fremde Dienste als das erleben. Als die Zeit heranrückte, steckte er sich hinter die Mutter und machte ihr weis, er sollte, ehe er ins Handwerk trete, erst noch ins Welschland. Nachher wäre keine Zeit mehr dafür, und Welsch sollte er doch können, wie oft wäre es dem Vater nicht kommod gewesen, wenn er mit Gerbern oder Stierenhändlern hätte Welsch reden können; er wäre gut noch einmal so reich. Das leuchtete der Mutter ein, sie sagte, sie hätte ihrem Bub nicht einmal soviel Verstand zugetraut, und recht wohlgemut brachte sie den Vorschlag dem Vater vor, und von Herzen wohl hatte sie schon an dem Gedanken gelebt, wie sie zweispännig mit ihren schönen Braunen das Söhnchen selbst ins Welsche führen wollte.

      Aber potz, da kam sie beim Vater schön an; das sei nur der Hochmutsteufel, »jawohl Welschland!« sagte Hans Berner. Es sei Zeit, daß er den Buben in seine Finger nehme, den wolle er bald anders zweghaben, es sei aber die höchste Zeit, wenn es etwas Besseres als ein Schlingel aus ihm geben sollte. Er sei auch ein Mann geworden und könnte nicht Welsch. Der Bub sollte es aber können, acht Jahre habe er schon daran gelernt und ein Sündengeld gekostet, und jetzt wolle er ins Welsche, »für Welsch z'lehre«. Jawohl, das Welsche, wo er mangle, wolle er ihn jetzt noch selber lernen. Er wisse nicht, was er anfangen solle von dem Lernen zu halten, wenn man, sobald man die Sache brauchen sollte, nichts davon wüßte. So eine Schule mahne ihn ganz an einen betrügerischen Bauer, der einem die prächtigsten, fettesten Kühe verkaufe, daß man meine, was man für einen Schick gemacht, und metzge man sie, so habe man Lumpenware und kein Fett; sie seien nur aufgetrieben gewesen, weil sie nur mit dem Lausölstaub gemästet worden. Oder stelle man sie in den Stall, so fielen sie von Tag zu Tag ab und würden wahre Elender, bis der Ölstaub aus dem Leibe sei, dann könne man wieder von vornen anfangen.

      Habe er ausgelernt, dann müsse er auf die Wanderschaft, da könne er seinethalben nach Deutschland oder Frankreich gehen, ja nach Paris, er habe nichts dagegen. Aber so einen Welschlandkürbs wolle er nicht, und mit dem solle man ihm ein- für allemal nicht kommen.

      Nun war es aus mit dem Welschland; denn wenn Hans Berner ein Wort im Ernst geredet hatte, so kam ihm niemand mit der Sache zum zweitenmal.

      Sämeli, so hieß der Älteste, mußte in den schwarzen Rock mit dem roten Kragen, mußte Därme putzen, Kälber führen, Fleisch vertragen, und alles war ihm gräßlich, und zu allem tat er dumm, und er und die Mutter weinten viel. Je dümmer er tat, und je mehr die Mutter mit ihm weinte, desto unzufriedener ward der Vater mit ihm und sagte oft, der erste beste Bettlerbube ab der Gasse täte witziger dazu als er, der doch so gschulet sei; aber alles Geld für ihn sei in den Bach geworfen, und wenn er nicht anders tun wolle, so müsse er zu einem Schneider in die Lehre. Das war wohl Hans Berner nicht ernst, er tat alles mögliche, um aus Sämeli einen Metzger zu machen, und da Zusprechen nichts half, so nahm er das Prügeln vor. Nun legte sich Sämeli ins Bett und sagte, er müsse sterben, er stehe es nicht aus. Die Mutter jammerte, der Arzt zuckte die Achsel und redete von schwächlicher Konstitution. Da sagte Hans Berner: »Ein Mörder will ich nicht werden, und wenn der Bub nicht einsehen will, was ihm gut ist, so werde er meinethalben, was er will; so einen Zuckerstengel begehre ich selbst zum Metzger nicht, es wäre schade ums Handwerk.«

      Und Sämeli stand froh wieder auf, legte andere Kleider an, wollte einen Herrn vorstellen, sah aber wie ein Bengel aus und wollte nun die Handlung lernen; dazu hätte er am meisten Gout, sagte er, wenn er mit seinen Fingern durch die Haare fuhr. Der Vater ließ ihn machen, es war fast, als ob er ihn verschätzt hätte. Die Mutter nahm ihn unter ihre Flügel und half ihm in die gewählte Bahn. Er lernte nun die Handlung und kam ins Welschland, kostete ein Sündengeld und war ein Schminggel von der Sorte, welche sich aufdonnert

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