Die Frau Pfarrerin und andere Heimatgeschichten. Jeremias Gotthelf

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Die Frau Pfarrerin und andere Heimatgeschichten - Jeremias  Gotthelf

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andern Leuten, so könnte man dsHalb besser für sich leben. Sie schimpften über ihren großen Hausverbrauch, über der Mutter Wohltätigkeit, über seine Freigebigkeit; wenn sie einmal das Heft in Händen hätten, so sollte das anders gehen. Den Diensten müßte alles knapper zugemessen sein, und mit den Bettlern, unter welche sie jeden Armen rechneten, wollten sie kurzen Prozeß machen ein- für allemal. Sie wollten wetten, sagten sie, wenn man rechne, was so verschleudert würde, so fände man, daß man dafür das ganze Jahr durch zwei Pferde würde halten können und allemal, wenn man ausfahre, flott leben. Das begriffen die Alten nicht, und der Alte laufe zu Fuß in der Welt herum, trinke ein schlechtes Kaffee, um einen Schoppen zu ersparen, und wenn es Wein sein müsse, so trinke er sechsbatzigen, wo die Fässer zerfresse, wenn man ihn mehr als ein Jahr darin hätte, und dann meine der alte Narr, wie er hause, und begreife nicht, daß er sein Geld nicht könne spielen lassen, daß er eigentlich ein Verschwender sei und dsHalb reicher sein könnte, wenn er es vorzunehmen wüßte. So etwas aber könnte er nicht begreifen, so ein alter Ratsherr sei zu dumm dazu; ihr Trost sei, daß er dem lieben Gott so gefalle, daß der nicht lange auf ihn werde warten mögen. Die Leute hätten soviel auf ihm; wenn sie aber einmal ans Brett kämen, so sollten sie es erfahren, wers besser verstehe, sie oder ihr Vater. So redeten die Söhne zum Zeitvertreib, bis die Suppe kam.

      Der Vater wußte manchmal nicht, sollte er dreinreden in seiner Sprache, oder sollte er weinen über seine Söhne. Aber Hans Berner war ein kräftiger Mann und verlor die Fassung nicht schnell; er sah wohl, daß mit einem Wirtshausspektakel nichts geholfen wäre, daß da etwas anderes nötig sei, und hauptsächlich, daß er ihnen es einmal so recht beweise, wer er sei, und wer sie seien, damit die Furcht und die Demut wieder kämen in ihre aufgeblasenen Herzen. Er hielt also an sich, hielt an sich, als sie die Stubenmagd plagten, daß sie nicht mehr auftragen wollte, als sie sogar die Wirtin vertrieben, so daß der Wirt ganz entrüstet zum Vater kam und ihm leise sagte, wenn es nicht seine Söhne wären, er jagte sie zum Loch aus, und es wäre ihm lieb, wenn er ein Wort dareinreden wollte. Aber Hans Berner schüttelte den Kopf und sagte leise dem Wirt: »Wenn sie das Weibervolk nicht in Ruhe lassen, so sendet ihnen mit dem ersten Gericht den Stallknecht!« So geschah es auch.

      Die Jungen fluchten anfangs, fanden es endlich einen guten Witz, schenkten dem Stallknecht Neuenburger ein, daß es dem Vater in alle Glieder kam und ihn, wahrscheinlich noch früher als er es sonst getan, bewog, leise Befehle zu geben, daß man so geräuschlos als möglich den Fuchs anspanne, aber ja seine Söhne nichts davon merken lasse. Als er den Fuchs eingespannt sah, nahm er leise Abschied und ließ dann plötzlich im Hausgang seiner mächtigen Stimme freien Lauf. Drinnen fuhren die Söhne trotz dem Neuenburger hoch von ihren Stühlen auf, alswie wenn der Blitz ins Zimmer geschlagen hätte. Sie wußten nicht, kam er, oder ging er, sollten sie warten oder fliehen. Sie horchten auf die Stimme, wie die Schildwache horcht, wenn ein Überfall sich naht. Die Stimme redete freundlich, entfernte sich; es wohlete ihnen, sie nahten sich wieder, kamen gegen ihr Fenster. Sämeli streckte vorsichtig den Hals aus, er wollte sehen, welchen Weg der Vater nehme; da stockte ihm ein Heer von Flüchen im Halse, denn was sah er? Er sah den Fuchs angespannt, sah den Vater ihm den Hals streicheln, Wirt und Wirtin die Hand geben, in ihr Chaischen steigen und davonfahren. Sie standen da wie angedonnert, wie zwei nagelneue Ölgötzen, und jedem ward, als ob man ihn vor den Kopf geschlagen hätte, der Hals ihm zugeschwollen wäre.

      Endlich konnten sie wieder fluchen und aufbegehren, und sie riefen nach dem Wirt und wollten wissen, was das für eine Manier sei, daß man ohne ihren Befehl ihr Roß an ihr Chaischen spanne und fortfahren lasse, sie machten dafür den Wirt verantwortlich, und vor allem aus könnte er sie auf seine Kosten heimführen lassen. Der Wirt aber lächelte auf den Stockzähnen und sagte: die Herren sollten ihm verzeihen, aber er habe geglaubt, wem eine Sache gehöre, der habe darüber zu befehlen, und das Roß habe er selbst ihrem Vater verkauft; das wäre nun kurios gewesen, wenn man ihm sein Roß, das er selbst bezahlt, nicht hätte anspannen wollen. Übrigens lasse der Herr Ratsherr ihnen guten Abend wünschen und ihnen sagen, er erwarte sie dann morgens um sechs auf seinem Zimmer ohne Fehle und beide.

      Die Söhne polterten erst recht, als sie diesen Befehl hörten, aber es war doch etwas in ihrer Stimme, welches nach einem erschrockenen Herzen roch, und als sie hörten, daß ihr Vater schon lange hier gewesen, da ging selbst die Stimme ihnen aus; sie wurden einsilbig und dachten dem nach, was sie alles geredet und getan, und ob wohl der Vater dieses alles gesehen und gehört. Sie mußten es vermuten, aber aus dem Wirte brachten sie es nicht heraus, und wie sie auch aufredeten, was das für eine Manier sei, sie hier sitzen zu lassen, so lag doch eben in dieser Manier etwas, das ihnen sagte, der Vater hätte, wenn er einmal wollte, noch die Hand am Arm, verstände keinen Spaß und verstände noch zu zeigen, wer Meister sei.

      So könnten sie aber nicht bleiben, sagten sie; der Wirt müsse sie heimführen lassen. »Es ist mir sehr leid, ihr Herren«, sagte er, »aber das Roß, welches im Wägelein geht, habe ich nicht daheim, und die andern sind junge Tiere, welche ungewohnt sind.« Es werde doch ein Fuhrwerk hier zu haben sein, frugen sie. Er zweifle daran, die Leute hätten ihre Rosse hart gebraucht, und überhaupt seien sie hier nicht im Roßland, aber wenn sie befehlen, so wolle er nachsehen lassen. Natürlich gaben sie den Befehl und brummten unterdessen über ihren Vater und redeten ab, wie sie ihm morgen den Marsch machen wollten und ihn fragen, was das für Manier sei. Der Neuenburger war sehr gut gewesen, und der war noch in ihnen. Bald darauf kam Bescheid, es wäre kein Fuhrwerk zu haben. Sie beschieden den Knecht herein, gaben ihm zu trinken, frugen ihn aus und vernahmen nichts; sie fluchten, es müsse doch ein wunderlich Ding sein, wenn in einem solchen Orte kein Fuhrwerk zu haben wäre, er hätte nur nicht recht nachsehen mögen usw. Ja, sagte der Knecht, Fuhrwerke wüßte er wohl, aber es seien vielleicht nicht die schönsten, und er dächte, solche Herren würden nicht darin fahren. Das sei ihnen gleich, sagten sie, wenn es nur gefahren sei, und sie wollten sich leiden, so schlecht werde es doch nicht sein. Der Knecht sagte, wenn man kein besseres hätte, so wäre es wohl gut genug, und erhielt den Auftrag, es zu bestellen und kommen zu lassen. Unterdessen nahmen sie noch einen, aber er mundete ihnen nicht mehr, und dunkel war es geworden, als man ihnen ansagte, daß das Fuhrwerk unten sei.

      Als sie hinauskamen, waren viele Leute draußen; die lachten und rissen Witze. Aber meine Herren achteten nicht darauf, drängten sich ans Fuhrwerk und standen vor einem zweirädrigen Karren, mit einer Blache bedeckt, und ein Esel war angespannt. Da standen sie, hatten das Maul offen, und ringsum erscholl ein wütendes Gelächter. Wer weiß, vielleicht wären sie eingesessen, wenn das Gelächter nicht gewesen wäre; jetzt aber begannen sie zu schimpfen, daß sie sich nicht zum Narren halten ließen, und, je mehr sie schimpften, desto herzlicher lachte es rings ums Haus.

      Nun aber wurden die Herren Brüder fuchswild, wünschten Wirt, Zuschauer und Fuhrwerk zum Gugger, hatten aber Zeit, zu gehen, wenn sie nicht Schläge riskieren wollten. Fritz, der Metzger, hätte ds Prügeln nicht geflohen, aber Sämeli frug ihm nichts nach, er setzte seine Toilette solchen handgreiflichen Proben nicht gerne aus. Die beiden Brüder, die so stolz mit einem Fuchs angefahren waren, mußten nun bei einbrechender Nacht, freilich fuchswild, aber ohne Fuchs, nach Hause stolpern. Hinter ihnen her tosete noch lange der Bauern Gelächter. Die erste halbe Stunde liefen sie ganz preußisch, und man hätte glauben sollen, sie hätten Mut, wenigstens eine halbe Stadt aufzuspeisen mit Haut und Haar. Aber als die erste halbe Stunde vorbei war, begann es dem Sämeli jämmerlich zu werden, seine Stiefelchen drückten ihn, seine Beinchen schwankten, die Straße ward ihm zu einem Dornenfeld, die Welt schien ihm ein Tintenfaß, und er schwamm mitten drin; aber näher und näher stieg die Tinte seinem Munde, näher und näher kam ihm das Ertrinken, er wimmerte, er weinte, das trunkene Elend kam vollständig über ihn. Fritz hatte seine große Not mit Sämeli, und deswegen fing auch ihm an das Leben zu verleiden, und als er dann um Mitternacht nach Hause kam, war ihm gar elend zumut. Der Wein war verraucht, Leib und Seele waren jetzt matt, und am Morgen um sechs sollte er zum Vater, und wo war jetzt die Courage, mit welcher er ihm gegenüberstehen wollte? Er hatte jetzt nichts mehr als das Bewußtsein dessen, was geschehen war, und die Angst, was der Vater daraus machen werde, und das Gefühl, daß im Vater eine Kraft wohne, die ihm noch ebenso übermächtig sei als wie vor zehn Jahren; der üppige Übermut hatte auf einmal der Furcht wieder Platz gemacht.

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