Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles
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Читать онлайн книгу Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles страница 22
Was einen Gebrauch zuläßt, kann man richtig und unrichtig gebrauchen, und zu dem was man gebrauchen kann, gehört auch der Reichtum. Am richtigsten gebraucht jedes Ding, wer die gerade für die Behandlung dieses Gebietes angemessene Eigenschaft besitzt; so wird denn auch den Reichtum am besten derjenige gebrauchen, der die für die Behandlung von Geldangelegenheiten angemessene Sinnesart besitzt, und dies ist eben der in Geldsachen vornehm Gesinnte. Als Verwendung des Geldes hat man anzusehen das Ausgeben und das Abgeben; das Einnehmen und Festhalten gehört mehr dem Erwerbe an. Vornehme Gesinnung zeigt sich also mehr darin, daß man vom Seinigen dem abgibt, dem man geben soll, als darin, daß man von dem nimmt, von dem man nehmen, und nicht nimmt, von dem man nicht nehmen soll. Denn der sittliche Charakter zeigt sich in höherem Grade darin, daß man sich im rechten Sinne tätig, als darin, daß man sich in rechter Weise passiv verhält, und mehr darin, daß man das sittlich Gebotene tut, als darin, daß man das sittlich Verwerfliche unterläßt. Es ist aber nicht schwer einzusehen, daß Geben richtig handeln und sittlich verfahren, Annehmen dagegen im rechten Sinne passiv sein oder sich des Unsittlichen enthalten bedeutet. Dank fällt denn auch dem zu der gibt, nicht dem der nicht nimmt, und die Hochachtung ebenso jenem in höherem Maße. Es ist auch leichter, nicht anzunehmen als zu geben. Es wird einem viel saurer, was ihm gehört hinzugeben, als nicht zu nehmen, was einem andern gehört. So nennt man denn freigebig den der gibt. Dagegen wer vom andern nicht annimmt, der gewinnt sich Hochachtung nicht im Sinne der Freigebigkeit, sondern mindestens ebensosehr im Sinne der Gerechtigkeit; wer aber vom andern nimmt, erwirbt sich damit kein besonderes Verdienst. Keine andere Art von sittlicher Haltung aber gewinnt sich so viele Sympathie, wie die vornehme Behandlung von Geldangelegenheiten. Denn solche Menschen sind anderen hilfreich, und zwar dadurch daß sie von dem ihrigen Opfer bringen.
Handlungen aus sittlicher Gesinnung entsprechen der sittlichen Anforderung und werden um dieser Anforderung willen vollbracht. Auch der Freigebige wird also aus sittlichem Motive und nach rechter Vernunft geben; er wird den rechten Leuten, soviel und zu der Zeit geben wie es recht ist, und alles übrige so, wie es zum vernünftigen Geben gehört; und das wird er mit Freuden tun und ohne Verdruß. Denn sittliches Handeln geschieht freudig und ohne Bedauern; am weitesten entfernt bleibt alle Verdrießlichkeit. Wer nun gibt, wo er nicht geben sollte, oder wer nicht um der sittlichen Anforderung willen, sondern aus irgendeinem anderen Motive gibt, den darf man nicht freigebig heißen, sondern den muß man anders benennen. Das gleiche gilt von einem verdrießlichen Geber. Denn ein solcher hat eigentlich das Geld lieber als die sittliche Handlung; so aber denkt kein vornehm gesinnter Mensch. Ein solcher wird auch nicht da etwas annehmen, wo es nicht recht ist zu nehmen. Denn wer das Geld nicht so hoch stellt, zu dem paßt ein solches Nehmen nicht. Auch sich an andere mit Bitten zu wenden ist er nicht besonders geneigt. Denn es liegt nicht in der Art dessen der gern Wohltaten erweist, gern Wohltaten entgegenzunehmen. Er wird nehmen von dort, wo es recht ist zu nehmen; so von seinem Privatvermögen, nicht als sei es eine edle, sondern eine notwendige Tat, um etwas zum Fortgeben zu haben. So wird er auch mit dem Seinigen nicht leichtsinnig umgehen, da er vermittels desselben manchem anderen hilfreich zu werden beabsichtigt. Er wird sich vorsehen und nicht jedem Beliebigen geben, damit er soviel behalte, um in seinem Geben die rechten Personen, und sie zu der Zeit und an dem Orte zu bedenken, wo es sittlich geboten ist. Vornehmer Gesinnung liegt es sehr nahe, im Geben überschwänglich zu sein und für sich selber weniger übrig zu behalten; denn nicht an sich selbst zu denken ist ein Zeichen vornehmer Gesinnung. Von Freigebigkeit spricht man ferner mit Rücksicht auf das Vermögen das einer hat. Freigebigkeit besteht nicht in der Menge dessen was man gibt, sondern in der Gesinnung des Gebers, und diese bemißt das Geben nach der Größe des Vermögens. Es hindert also nichts, daß der der Freigebigere sei, der weniger gibt, weil er von einem kleineren Vermögen gibt.
Man darf annehmen, daß diejenigen die ihr Vermögen nicht selbst erworben, sondern die es überkommen haben, die Freigebigeren sind. Sie haben erstens die Erfahrung der Dürftigkeit nicht gemacht, und zweitens hat jedermann mehr Freude an dem was er selbst erzeugt hat, so die Eltern und die Dichter. Nicht leicht ist es, daß ein freigebiger Mann reich werde, da er weder auf das Erraffen noch auf das Zusammenhalten erpicht ist, sondern gerne fortgibt, weil er das Geld nicht um seiner selbst willen sondern als Mittel zum Geben schätzt. Man schilt wohl das Glück, weil diejenigen am wenigsten reich sind, die es am meisten zu sein verdienten. Indessen ist das ganz verständlich. Man kann nicht ein Vermögen erwerben, wenn man sich nicht darum bemüht es zusammenzuhalten, geradeso wie es bei anderen Dingen auch der Fall ist.
Der Freigebige wird sich also hüten, an Leute, oder zu einer Zeit zu geben, wo es nicht recht ist, oder sonst eine der dahin gehörigen Bestimmungen zu verletzen. Denn so würde er nicht mehr der freigebigen Gesinnung entsprechend handeln, und wenn er seine Mittel so verwendet, so behält er zu richtiger Verwendung nichts mehr übrig. Denn wie gesagt, freigebig ist, wer nach Vermögen und zu den richtigen Zwecken ausgibt; wer darin das rechte Maß überschreitet, der ist ein Verschwender. Darum nennt man die Staatshäupter nicht verschwenderisch, denn bei ihnen scheint es nicht leicht, daß die Gaben die sie austeilen und der Aufwand den sie treiben für die Höhe ihrer Mittel zu groß werde.
Da eine vornehme Gesinnung in Geldsachen beim Fortgeben wie beim Annehmen von Geld die rechte Mitte innehält, so wird solch ein vornehm Gesinnter seine Gaben und seinen Aufwand für die rechten Gegenstände vorbehalten und die rechte Große dafür wahren, ganz gleich ob es sich um große oder um kleine Summen handelt, und er wird das mit Freudigkeit tun. Ebenso wird er annehmen, wo zu nehmen recht ist und soviel wie recht ist. Denn da sittliche Gesinnung die rechte Mitte in beiden Beziehungen bedeutet, so wird er sich in beiden pflichtmäßig verhalten. Zu einer verständig bemessenen Art zu geben gehört auch eine ebensolche Art zu nehmen, und eine andere wäre ihr zuwider. Diejenigen Eigenschaften, die zusammengehören, finden sich auch in derselben Person beisammen, die einander widersprechenden offenbar nicht. Begegnet es aber dem recht Gesinnten einmal, daß er sein Geld auf eine Weise verwendet, die dem Pflichtmäßigen und sittlich Gebotenen widerstreitet, so wird er es bedauern, doch auch das immer mit Maß und in den rechten Grenzen. Denn zu rechter sittlicher Gesinnung gehört auch das, daß man Freude und Betrübnis empfindet aus dem rechten Grunde und in dem rechten Maße.
Der vornehm Gesinnte ist auch der Mann, mit dem man in Geldangelegenheiten gern zu tun hat. Er ist imstande, eine Übervorteilung hinzunehmen, weil er sich aus Geld nicht zu viel macht und es ihn weit mehr betrübt, wenn er eine Ausgabe nicht gemacht hat, die er hätte machen sollen, als er es bedauert, wenn er Geld ausgegeben hat, wo er es nicht hätte ausgeben sollen. Eine Denkungsart wie die des Simonides flößt ihm