Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst. Aristoteles
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Читать онлайн книгу Aristoteles: Metaphysik, Nikomachische Ethik, Das Organon, Die Physik & Die Dichtkunst - Aristoteles страница 68
Wie kommt es nun, daß kein Mensch beständig im Zustande der Lust sich befindet? Etwa weil er ermüdet? Allerdings bleibt es allem was am Menschen ist versagt ununterbrochen tätig zu sein, und darum ist auch das Lustgefühl nicht ununterbrochen, weil es die Tätigkeit begleitet. Manches wieder bereitet Genuß nur solange es neu ist, und nachher nicht mehr in gleichem Grade, aus demselben Grunde. Denn im Anfang ist der Gedanke lebhaft angeregt und beschäftigt sich gespannt mit dem Gegenstande, wie man beim Sehen den Blick auf den Gegenstand richtet; auf die Dauer aber bleibt die Tätigkeit nicht eine ebenso gespannte, sondern sie läßt nach, und dadurch wird denn auch das Lustgefühl ein schwächeres.
Daß alle Menschen das Gefühl der Lustbegehren, wird man wohl darauf zurückführen dürfen, daß alle Menschen auch das Leben lieb haben. Das Leben aber ist eine Tätigkeitsform, und jedes Wesen ist tätig für das und mit den Mitteln, worin es zugleich die größte Befriedigung für sich findet. So erwärmt sich der Musiker mit dem Gehör für Tonfolgen, der Wißbegierige mit dem Verstande für wissenschaftliche Theorien, und ebenso jeder andere in seiner Weise. Das Lustgefühl aber ist eine Krönung der Tätigkeiten, und somit auch des Lebens, das alle lieb haben. So wird es verständlich, daß alle nach Lust streben; denn sie ist für jeden die Krönung seines Lebens, das selbst Gegenstand des Begehrens ist.
Die Frage, ob man das Leben liebt um der Lust willen oder die Lust um des Lebens willen, wollen wir für jetzt unerörtert lassen. Offenbar ist beides aufs engste mit einander verbunden und läßt eine Trennung nicht zu. Denn ohne Betätigung wird uns keine Lust, und jede Betätigung empfängt von der Lust die sie bereitet ihre Krönung. Daher denn die Ansicht, daß die Gefühle der Art nach verschieden sind. Wie nämlich die Tätigkeiten der Art nach verschieden sind, so, meinten wir, auch das was sie vollendet. Das tritt uns entgegen an den Gebilden der Natur und denen der Kunst, an Tieren und Pflanzen, an Gemälden und Statuen, an Haus und Hausgerät. Und so würden denn auch die verschiedenen Arten der Tätigkeit durch solches was der Art nach verschieden sei, zur Vollendung gebracht.
Die Tätigkeiten des Verstandes sind von denen des Wahrnehmungsvermögens und beide wieder in sich selbst der Art nach verschieden; ebenso ist dasjenige verschieden, was sie zur Vollendung bringt, die Lustgefühle. Man sieht das ganz deutlich auch daran, daß jedes unter den Lustgefühlen derjenigen Tätigkeitsform, die es zur Vollendung bringt, auch eigentümlich zugehört. Was die Tätigkeit stärker und frischer macht, das ist das sie eigentümlich begleitende Lustgefühl. Wer mit Lust und Liebe tätig ist, der hat Über jegliches Einzelne das richtigere Urteil und arbeitet sorgfältiger. So werden die besten Mathematiker die, die an der Mathematik ihre Freude haben, und ihr Gedankengang ist auch in allem einzelnen der strengere. So widmen sich die Freunde der Musik und der Architektur wie die jedes anderen Gebietes jeder seiner eigentümlichen Aufgabe mit Lust und Liebe. Die Lustgefühle erhöhen die Tätigkeit, und dasjenige was die Tätigkeit erhöht, ist das ihr eigentümlich Zugehörende. Wie aber das von Art verschieden ist, dem solches als eigentümlich zugehört, so ist auch dies selber wieder von Art verschieden.
Dies nun wird noch deutlicher dadurch, daß Lustgefühle, die aus fremdartiger Quelle stammen, der Tätigkeit vielmehr hinderlich sind. Wer das Flötenspiel liebt, ist nicht imstande einem Gespräche sein Ohr zu leihen, wenn er jemanden dies Instrument spielen hört, weil er an der Kunst des Spielers ein größeres Interesse nimmt als an dem gleichzeitigen Gespräch. Es ist also die Freude am Klange des Instrumentes, die die Beteiligung an dem Gespräche nicht aufkommen läßt. Das gleiche findet auch in anderen Fällen statt, wo zwei Tätigkeiten zugleich herausgefordert werden. Da wird durch diejenige, die mehr Lust bereitet, die andere zurückgedrängt, und das um so mehr, je größer der Unterschied in bezug auf das Lustgefühl ist, das beide bereiten; so kann es geschehen, daß die eine Tätigkeit auch wohl ganz ausgeschlossen wird. Daher kommt es, daß wenn uns irgend etwas besondere Lust bereitet, wir schlechterdings nichts anderes vornehmen, und daß wir, wenn uns etwas nur geringe Befriedigung verschafft, dafür anderes treiben. So sieht man die Zuschauer im Theater sich dann am meisten an Näschereien laben, wenn die Schauspieler nichts taugen.
Da jede Tätigkeit durch die ihr eigentümlich zugesellte Lustempfindung zu einer sorgfältiger, dauernder und erfolgreicher betriebenen wird, eine ihr fremdartige Lustempfindung dagegen sie beeinträchtigt, so hat man daran ein Kennzeichen, wie weit beide auseinander liegen. Solche fremdartige Lustempfindung hat annähernd dieselbe Wirkung wie die mit der Tätigkeit eigentümlich verbundene Unlust. Denn durch diese mit ihr eigentümlich verbundene Unlust wird die Tätigkeit aufgehoben, wie das Schreiben oder das Nachdenken einem dadurch zuwider und lästig wird. Der eine unterläßt das Schreiben und der andere das Nachdenken, weil die Anstrengung ihm Unlust bereitet. Es übt also auf die Tätigkeiten die ihnen eigentümlich beigesellte Lustempfindung die gerade entgegengesetzte Wirkung wie die Unlustempfindung. Eigentümlich aber sind jeder Tätigkeit diejenigen Empfindungen, die aus ihr als solcher entspringen. Von den Lustempfindungen aus fremder Quelle dagegen haben wir gesehen, daß ihre Wirkung ganz ähnlich ist derjenigen der Unlustempfindung; sie heben die Tätigkeit auf, wenn auch nicht ganz in der gleichen Weise.
Wie Tätigkeiten sich dadurch unterscheiden, daß die einen verdienstlich, die anderen verwerflich sind; daß also die einen zu betreiben, die anderen zu meiden Pflicht ist, während eine dritte Art indifferent ist: so gilt das gleiche auch von den Arten der Lust. Mit jeder Art von Tätigkeit ist auch ihre besondere Art von Lust verbunden. Die Lust, welche die edle Handlungsweise als die ihr eigentümliche begleitet, ist löblich, diejenige, die der verwerflichen als ihr eigentümlich zufällt, ist selber verwerflich. Denn auch das Begehren, das auf das Edle gerichtet ist, ist rühmlich, das auf das Verwerfliche gerichtete tadelnswert; noch enger aber mit den Tätigkeiten verbunden als das Streben das sie veranlaßt ist die Lust, die sie gewähren. Jenes ist nach Zeit und Situation von der Tätigkeit getrennt; diese liegt den Tätigkeiten ganz nahe und ist so wenig davon geschieden, daß man darüber streiten könnte, ob nicht die Tätigkeit mit der Lust eigentlich eines und dasselbe ist. Allerdings, die Lust sieht nicht aus, als ob sie Gedanke oder Wahrnehmung wäre; das wäre ungereimt. Aber weil sie davon nicht abzutrennen ist, gilt sie manchen als damit identisch. In derselben Weise also wie die Tätigkeiten verschieden sind, sind auch die Lustempfindungen verschieden. Das Sehen unterscheidet sich vom Tasten durch die Reinheit, und ebenso unterscheidet sich Gehör und Geruch vom Geschmack: in gleicher Weise sind auch die Lustempfindungen verschieden. Von diesen ist wieder die Lust verschieden, die ihre Quelle im Denken hat, und ebenso sind es in jeder der beiden Gattungen die Arten der Lustempfindung untereinander.
Jedem lebenden Wesen, darf man sagen, kommt seine ihm eigentümliche Art von Lustempfindung ebenso wie auch seine eigentümliche Bestimmung zu; denn die Lust richtet sich nach der Tätigkeit. Das tritt jedem Beobachter entgegen. Die Lustempfindung eines Pferdes ist eine andere als die eines Hundes oder eines Menschen. So sagt Heraklit, ein Esel würde Spreu höher schätzen als Gold; denn für den Esel hat das was seine Nahrung bildet höheren Wert als das Gold. Wie die Wesen der Art nach verschieden sind, so unterscheiden sich auch ihre Lustempfindungen der Art nach; dagegen ist es wohl verständlich, daß sie bei Wesen derselben Art nicht verschieden sind. Beim Menschen allerdings herrscht darin große Mannigfaltigkeit. Dasselbe was die einen erfreut, verdrießt die anderen, und was den einen widerwärtig und verhaßt ist, ist den anderen lieb und wert. Schon beim Süßen tritt das hervor. Dem Fiebernden scheint nicht dasselbe süß wie dem Gesunden, dem Schwachen nicht dasselbe heiß wie dem Kräftigen, und ebenso verhält es sich auch sonst. In allen derartigen Fällen nimmt man als richtig dasjenige an, was von dem in normaler Verfassung Befindlichen empfunden wird. Ist diese Annahme gültig, wie man zugestehen darf, so ist das Maß für jegliches die rechte Beschaffenheit und die durchgebildete Persönlichkeit als solche; Lustempfindung wäre was ein solcher empfindet, und erfreulich das, woran er sich freut. Empfindet dagegen einer als lustvoll was jenem widersteht, so ist es nicht zu verwundern. Denn bei den Menschen kommen viele Arten von Verderbnis und Verirrung vor; dann ist dergleichen nur diesen und den ihnen gleichgesinnten Menschen lustvoll.