Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes. Georges Simenon

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Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes - Georges  Simenon Georges Simenon

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hinaufgegangen?«

      »Nein. Und wer raufwill, muss an mir vorbei, die Treppe beginnt direkt hinter der Theke.«

      »Gut. Du isst dort zu Mittag. Versuch, wie ein Schiffsagent auszusehen. Ich rufe später wieder an!«

      »Fertig?«, fragte die Telefonistin.

      »Ja! Und jetzt hätte ich gern ein Bier. Und Tabak!«

      »Tabak haben wir nicht.«

      »Dann lassen Sie eben welchen holen.«

      Maigret legte auf, schob einen Sessel ans offene Fenster, nahm fröstelnd seinen Mantel vom Haken und zog ihn an.

      Um drei Uhr nachmittags saß er immer noch am selben Platz, das Fernglas auf den Knien, ein leeres Bierglas in Reichweite. Trotz des offenen Fensters roch es stark nach Pfeifenrauch.

      Er hatte die Morgenzeitungen zu Boden fallen lassen. Auf der Titelseite die Polizeimeldung:

      Zum Tode Verurteilter aus der Santé entflohen

      Immer wieder zog der Kommissar die Schultern hoch, schlug die Beine übereinander, streckte sie wieder aus.

      Um halb vier wurde er aus dem Bistro gegenüber angerufen.

      »Was Neues?«, fragte er.

      »Nein, der Mann schläft immer noch.«

      »Und sonst?«

      »Ich habe einen Anruf vom Quai des Orfèvres erhalten, wo Sie denn bleiben. Der Untersuchungsrichter möchte Sie unbedingt sprechen …«

      Diesmal zog Maigret nicht die Schultern hoch, sondern murmelte etwas Unzweideutiges, legte auf und rief die Telefonistin an.

      »Die Staatsanwaltschaft, Mademoiselle – dringend!«

      Er wusste schon, was Coméliau sagen würde.

      »Hallo? Sind Sie das, Kommissar? … Endlich! Niemand konnte mir sagen, wo Sie sind! Aber vom Quai des Orfèvres habe ich erfahren, dass Sie zwei Beamte im Citanguette postiert haben. Dann habe ich dort anrufen lassen …«

      »Was gibt’s?«

      »Erstens, haben Sie neue Erkenntnisse?«

      »Nein, nichts! Der Mann schläft.«

      »Sind Sie sicher? Ist er Ihnen bestimmt nicht entwischt?«

      »Ohne zu übertreiben, könnte ich fast sagen, dass ich ihm beim Schlafen zuschaue.«

      »Wissen Sie, allmählich bereue ich …«

      »… dass Sie auf mich gehört haben? Aber der Justizminister war doch auch dafür!«

      »Warten Sie! Die Morgenzeitungen haben die Meldung verbreitet …«

      »Hab ich gesehen.«

      »Aber haben Sie auch die Mittagsblätter gelesen? … Nein? Dann versuchen Sie, den Sifflet zu bekommen … Ja, ich weiß, ein Revolverblatt, trotzdem! … Bleiben Sie noch einen Moment am Apparat … Hallo? … Sind sie noch dran? … Ich lese es Ihnen vor … Eine Kolumne, Überschrift: Staatsräson … Hören Sie mich, Maigret? … Also:

      Einer offiziösen Verlautbarung der Polizei zufolge, die heute von den Morgenzeitungen verbreitet wurde, ist Joseph Heurtin, der vom Schwurgericht des Département Seine zum Tode verurteilt wurde und seitdem unter strengster Bewachung stand, unter ungeklärten Umständen aus der Santé ausgebrochen.

      Allerdings sind die Umstände, wie wir hinzufügen können, nicht ganz unerklärlich.

      Joseph Heurtin ist nämlich gar nicht ausgebrochen, sondern wurde zur Flucht genötigt. Und das am Vorabend seiner Hinrichtung.

      Nähere Einzelheiten der abscheulichen Schmierenkomödie, die heute Nacht in der Santé zur Aufführung kam, konnten wir noch nicht in Erfahrung bringen, wir gehen aber davon aus, dass die Polizei in Absprache mit der Justizbehörde hinter dem fingierten Ausbruch steckt.

      Weiß Joseph Heurtin davon?

      Wie auch immer, uns fehlen die Worte für diesen in der Kriminalgeschichte einmaligen Vorgang.«

      Bis zum Schluss hatte Maigret schweigend zugehört.

      »Was sagen Sie dazu?«, kam es etwas unsicher vom Ende der Leitung.

      »Das zeigt, dass ich recht hatte. Die sind ja nicht von allein draufgekommen. Und von den sechs eingeweihten Beamten hat bestimmt keiner geplaudert. Es ist …«

      »Ja?«

      »Das erfahren Sie heute Abend. Alles in Ordnung, Monsieur Coméliau!«

      »Glauben Sie? Und wenn sich die gesamte Presse darauf stürzt?«

      »Dann gibt es einen Skandal.«

      »Sehen Sie …«

      »Ist der Kopf eines Mannes nicht einen Skandal wert?«

      Fünf Minuten später ließ Maigret sich mit dem Quai des Orfèvres verbinden.

      »Wachtmeister Lucas? … Hör mal, mein Guter! Du saust jetzt zum Sifflet in der Rue Montmartre und knöpfst dir den Chefredakteur vor! Mach ihm ruhig ein bisschen Druck! Wir müssen rauskriegen, woher er das mit Heurtins Flucht weiß! Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass er heute früh einen Brief oder eine Rohrpostsendung bekommen hat. Du findest das Dokument und bringst es her … Alles klar?«

      »Fertig?«, fragte die Telefonistin.

      »Nein, Mademoiselle! Geben Sie mir das Citanguette …«

      Wenig später war Inspektor Dufour am Telefon.

      »Er schläft!«, wiederholte er. »Vorhin habe ich eine Viertelstunde an seiner Tür gelauscht. Er hat in seinen Albträumen gestöhnt und nach seiner Mama gerufen.«

      Als der Kommissar sein Fernglas auf das geschlossene Fenster im ersten Stock richtete, hatte er den Schlafenden so klar und deutlich vor Augen, als säße er an dessen Bett.

      Dabei hatte er ihn erst im Juli kennengelernt, als er, kaum achtundvierzig Stunden nach der Tragödie von Saint-Cloud, Heurtin die Hand auf die Schulter gelegt und leise gesagt hatte:

      »Mach keinen Ärger und komm mit, Kleiner!«

      Das war in einer bescheidenen Pension in der Rue Monsieur-le-Prince, wo Joseph Heurtin ein Zimmer im sechsten Stock bewohnte.

      »Ein guter Junge, ruhig und fleißig«, sagte die Pensionswirtin. »Nur ab und zu ein bisschen komisch.«

      »Hatte er öfter Besuch?«

      »Nein, nie. Und er war immer vor Mitternacht zu Hause, außer in letzter Zeit.«

      »Was ist da passiert?«

      »Zwei, dreimal ist

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