Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes. Georges Simenon

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Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes - Georges  Simenon Georges Simenon

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war der Tag des Verbrechens in Saint-Cloud. Laut Pathologie war der Tod der beiden Frauen gegen zwei Uhr nachts eingetreten.

      Und sprachen nicht unwiderlegbare Beweise gegen Heurtin, die er, Maigret, größtenteils selbst zusammengetragen hatte?

      Die Villa stand an der Route de Saint-Germain, kaum einen Kilometer vom Pavillon Bleu entfernt. Dieses Lokal hatte Heurtin um Mitternacht betreten, allein, und hintereinander vier Gläser Grog getrunken. Beim Zahlen war ihm eine Karte für eine Fahrt dritter Klasse von Paris nach Saint-Cloud aus der Tasche gefallen.

      Mrs. Henderson, die Witwe eines amerikanischen Diplomaten mit guten Beziehungen zu einigen bedeutenden Familien des Geldadels, lebte allein in dem Haus, dessen Erdgeschoss seit dem Tod ihres Mannes leer stand.

      Ihre einzige Angestellte, Élise Chatrier, eine Französin, die ihre Kindheit in England verbracht und eine ausgezeichnete Erziehung genossen hatte, war mehr Gesellschaftsdame als Haushälterin.

      Zweimal die Woche kümmerte sich ein Gärtner aus Saint-Cloud um den Garten.

      Besuch gab es nur selten. Ab und zu kam William Crosby, der Neffe der alten Dame, mit seiner Frau.

      In jener Nacht – es war der 7. Juli – herrschte der übliche Verkehr auf der Landstraße nach Deauville.

      Um ein Uhr früh schlossen das Pavillon Bleu und alle anderen Restaurants und Tanzlokale.

      Ein Autofahrer gab später an, er habe gegen halb drei Licht im ersten Stock der Villa gesehen und Schatten, die sich merkwürdig bewegten.

      Um sechs Uhr kam der Gärtner, es war sein Tag. Normalerweise öffnete er geräuschlos das Gartentor und wurde dann um acht von Élise Chatrier zum Frühstück ins Haus gerufen.

      Diesmal hörte er keinen Ton. Um neun waren die Türen der Villa noch immer verschlossen. Er machte sich Sorgen und klopfte. Als er keine Antwort erhielt, lief er zur nächsten Kreuzung und sagte dem Polizisten, der dort Dienst tat, Bescheid.

      Kurz darauf wurde die Tragödie entdeckt. Auf dem Bettvorleger im Schlafzimmer lag Mrs. Hendersons Leiche, das Nachthemd blutgetränkt, die Brust von einem Dutzend Messerstichen durchbohrt.

      Élise Chatrier hatte dasselbe Schicksal ereilt, im Nebenzimmer, wo sie auf Wunsch ihrer Herrin schlief, weil diese Angst hatte, dass ihr nachts schlecht werden könnte.

      Ein barbarischer Doppelmord, vermutlich aus niedrigen Beweggründen, wie die Juristen sagen, und ziemlich scheußlich dazu.

      Überall Spuren: Tritte, blutige Fingerabdrücke auf den Vorhängen.

      Es folgten die üblichen Formalitäten: Lokaltermin, Ankunft der Experten vom Erkennungsdienst, Analysen und Autopsien.

      Maigret wurde mit der Leitung der polizeilichen Ermittlungen betraut, und er brauchte keine zwei Tage, um Heurtins Fährte aufzunehmen.

      Sie war unübersehbar! In den Fluren der Villa lag nirgends ein Teppich, und das Parkett war gebohnert.

      Ein paar Fotos genügten, um außerordentlich deutliche Trittspuren festzuhalten.

      Sie stammten von nagelneuen Schuhen mit Gummisohlen. Diese waren, um sie rutschfest zu machen, auffällig gerillt, und in der Mitte konnte man sogar noch den Namen des Herstellers und eine Seriennummer entziffern.

      In einem Schuhgeschäft am Boulevard Raspail erfuhr Maigret, dass in den letzten zwei Wochen nur ein einziges Paar in der gesuchten Größe – 44 – verkauft worden war.

      »Und zwar an einen Laufburschen mit einem Lieferdreirad. Den sehen wir oft hier im Viertel …«

      Ein paar Stunden später befragte der Kommissar Monsieur Gérardier, den Blumenhändler in der Rue de Sèvres, und entdeckte die fraglichen Schuhe an den Füßen des Laufburschen Joseph Heurtin.

      Blieb nur noch der Abgleich der Fingerabdrücke. Die Prozedur fand in den Räumlichkeiten des Erkennungsdienstes im Palais de Justice statt.

      Mit gezückten Instrumenten beugten sich die Experten darüber und kamen zu einem eindeutigen Ergebnis:

      »Er war es!«

      »Warum hast du es getan?«

      »Ich hab sie nicht umgebracht.«

      »Woher hast du die Adresse von Mrs. Henderson?«

      »Ich hab sie nicht umgebracht.«

      »Was wolltest du um zwei Uhr früh in der Villa?«

      »Weiß nicht!«

      »Wie bist du aus Saint-Cloud zurückgekommen?«

      »Bin ich nicht.«

      Er hatte ein großes, fahles, schrecklich zerbeultes Gesicht. Und rot geränderte Augen, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen.

      In seinem Zimmer in der Rue Monsieur-le-Prince wurde ein blutiges Taschentuch gefunden, und die Chemiker bestätigten, dass es menschliches Blut war, ja sie fanden sogar Bakterien, die sie im Blut von Mrs. Henderson festgestellt hatten.

      »Ich hab sie nicht umgebracht.«

      »Wen willst du als Anwalt?«

      »Gar keinen.«

      Ein Pflichtverteidiger wurde ihm beigeordnet, Maître Joly, der erst dreißig war und sehr bemüht.

      Sieben Tage lang stand Heurtin unter psychiatrischer Beobachtung. Im Gutachten war zu lesen:

      Keine geistige Beeinträchtigung. Trotz akuter Depression infolge des seelischen Schocks voll schuldfähig.

      Dann begannen die Gerichtsferien. Eine andere Untersuchung führte Maigret nach Deauville. Für Richter Coméliau lag der Fall ziemlich klar, und die Strafkammer bejahte die Schuldfrage.

      Trotzdem: Heurtin hatte weder etwas gestohlen noch ein erkennbares Interesse am Tod von Mrs. Henderson und ihrer Haushälterin gehabt.

      Maigret hatte das Leben des Beschuldigten so weit wie möglich zurückverfolgt. Er kannte ihn in jedem Alter, innerlich und äußerlich.

      Joseph Heurtin war in Melun zur Welt gekommen. Sein Vater arbeitete damals als Kaffeekellner im Hôtel de la Seine, seine Mutter als Wäscherin.

      Drei Jahre später übernahmen die Eltern ein Bistro in der Nähe der Strafanstalt, das aber schlecht lief, und so versuchten sie es dann mit einem Gasthof in Nandy im Département Seine-et-Marne.

      Seine Schwester Odette wurde geboren, als er sechs war.

      Aus der Zeit gab es ein Foto von ihm: Im Matrosenanzug hockte er vor einem Bärenfell, auf dem ein rundliches Baby strampelte.

      Mit dreizehn versorgte er die Pferde und half seinem Vater beim Bedienen der Gäste.

      Mit siebzehn wurde er Kaffeekellner in einem eleganten Restaurant in Fontainebleau.

      Nach dem Militärdienst kam er einundzwanzigjährig nach Paris, zog in die

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