Essentielle Werke des Heiligen Ambrosius von Mailand, Band 1. Ambrosius von Mailand

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Essentielle Werke des Heiligen Ambrosius von Mailand, Band 1 - Ambrosius von Mailand Die Schriften der Kirchenväter

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denn auch du deine Seele in die Hände des Herrn; — nicht bloß in dem Augenblicke, wo sie aus dem Leibe scheidet, sondern auch, während sie noch im Leibe weilt, ruht sie in Gottes Hand: du freilich siehst nicht, woher sie kommt, wohin sie geht. In dir ist deine Seele, aber sie ist auch mit Gott vereinigt. Auch das Herz des Königs ist nach der Schrift in der Hand des Herrn und wird von ihm regiert und geleitet. Das Herz wird nun erfüllt vom Geiste, der ja die eigentliche Kraft der Seele ist; eine Kraft, die sich nicht in äusseren Proben bewährt, sondern in billigen, frommen, gerechten Entschlüssen kund gibt. Wenn man somit sagen darf, das Herz eines Menschen sei in Gottes Hand, so gilt Das noch viel mehr von der Seele. Ist aber die Seele in Gottes Hand, so kann sie auch niemals im Grabe mit dem Leibe eingeschlossen, niemals mit ihm verbrannt werden: sie erfreut sich vielmehr nach ihrem Hinscheiden seliger Ruhe. Darum bauen denn auch die Menschen eigentlich ohne Grund kostbare Grabmäler, als wären dieselben für die Seelen, nicht aber für den Leib bestimmt.

      45. Daß die Wohnungen für die Seelen im Jenseits liegen, wird durch das Zeugniß der heiligen Schrift vollauf bestätigt. Lesen wir ja auch in den Büchern Esdras: 47 „Wenn dereinst der Tag des Gerichts kommt, dann wird die Erde die Leiber der Gestorbenen zurückgeben; aus dem Staube des Grabes werden sich die Gebeine Derer erheben, die dort ihre Ruhe gefunden haben. Die himmlischen Wohnungen werden alsdann die Seelen, die dort weilen, zurückgeben, und der Allerhöchste wird sich offenbaren auf dem Throne des Gerichtes.“ Das sind die Wohnungen, von denen der Herr sagt, daß ihrer viele im Reiche seines Vaters seien, und daß er, zum Vater gehend, seinen Jüngern diese Wohnungen bereiten würde. Das Wort des Esdras führte ich an, um festzustellen, daß Das, was in den Büchern der Weltweisen bewundert wird, im Grunde aus unseren heiligen Büchern genommen ist: wenn jene Philosophen nur nicht in thörichter Weise allerlei überflüssige, unnütze Dinge eingemischt hätten. Sie behaupten, zwischen den Seelen der Menschen und Thiere bestehe kein Unterschied; darin aber liege ein erhabener Trost, daß die Seelen der Philosophen sich Bienen oder Nachtigallen zum Wohnsitze nähmen; vordem hätten sie durch ihre Reden die Menschen genährt und gefesselt, jetzt aber erquickten sie dieselben durch die Süßigkeit des Honigs oder durch die Lieblichkeit ihres Gesanges. Im Grunde war es schon ausreichend, daß sie gesagt hatten, die vom Leibe befreiten Seelen stiegen zum Hades hinab; damit bezeichneten sie den Ort, der in der lateinischen Sprache allgemein Unterwelt heißt; sie sagten „Hades“, weil er von Niemandem gesehen werden kann. 48

      46. So bezeichnet denn also auch die Schrift die Leibeshüllen als Wohnungen. Um der Klage entgegen zu treten, die früher hingeschiedenen Gerechten würden für die ganze Zeit, welche bis zum Tage des Gerichtes vergeht, ihres vollen Lohnes beraubt, sagt die Schrift, daß jener Gerichtstag einer Heereskrönung wunderbar ähnlich sehe: da sei von einer Zögerung der letzten ebenso wenig die Rede, wie von einer Beeilung derer, welche zuerst gekommen. Der Tag der Siegeskrönung wird von Allen in gleicher Weise erwartet: an diesem Tage sollen die Besiegten der Beschämung verfallen, während die Sieger die Siegeskrone erhalten. Die Schrift läßt aber auch jenen anderen, eben erwähnten Umstand nicht im Dunkel; sie nimmt das Gleichniß von der gewöhnlichen menschlichen Geburt. Wie Diejenigen, welche von jugendlichen Eltern geboren werden, stärker sind, während die im Alter der Eltern Geborenen schwächer werden: so erscheinen auch die früher Geborenen an jenem Tage edler, höher, die Späteren dagegen schwächer. Es ist ja, als wenn auch die Zeit, der Mutter vergleichlich, wegen der großen Menge ihrer Kinder schwächer werde, als wenn die alternde Schöpfung die Stärke der Jugend mit der schwindenden Frische ihrer Kraft verlöre.

      47. Während nun die Fülle der Zeit erwartet wird, harren auch die Seelen ihres verdienten Lohnes. Die Einen erwartet Strafe, die Andern Ruhm und Ehre: gleichwohl sind Jene auch inzwischen nicht ohne Pein, wie Diese nicht ohne Lohn sind. Wenn Jene sehen, daß Denjenigen, welche das Gesetz Gottes beobachten, der Lohn ewiger Glorie hinterlegt ist, daß ihre Leibeshüllen von Engeln bewacht werden, während sie selbst für sich die Strafen der Heuchelei und hartnäckiger Widersetzlichkeit, Schande und Schmach nämlich erwarten müssen: dann müssen sie im Aufblicke zur göttlichen Majestät sich scheuen, vor das Angesicht ihres Gottes zu treten, dessen Gebote sie leichtfertig verachtet haben. Übertretung und verwirrende Scham sind hier verbunden wie bei Adam. Er hatte in sorgloser Leichtfertigkeit das himmlische Gebot übertreten und verbarg sich dann im Gefühle der Scham über einen solchen Fall, weil er nicht wagte, mit seinem schuldbeladenen Gewissen in den Glanz der göttlichen Gegenwart zu treten: gerade so werden auch die Seelen der Sünder den Glanz des strahlenden Lichtes nicht ertragen, wenn sie sich erinnern, daß dieses Licht der Zeuge ihrer Verirrungen war.

      11. Die siebenfache Freude der Gerechten nach dem Tode: Mahnung, allezeit Gott zuzustreben und vor dem Ende des Lebens nicht zu erschrecken.

      48. Die Freude der Seelen der Gerechten kann man in gewisser Reihenfolge sich denken. Vor Allem freuen sie sich, daß sie das Fleisch besiegt und den Lockungen desselben widerstanden haben. Dann aber ist ihre Freude groß, weil sie zum Lohne für ihre Treue und für ihre Unschuld volle Sicherheit erlangen, nicht, wie die Seelen der Gottlosen, allerlei Verwirrungen anheimfallen, durch das Gedächtniß ihrer Laster gequält und durch die Gluth verzweifelnder Sorge gepeinigt weiden. An dritter Stelle entspringt die Freude dem Bewußtsein, daß sie durch göttliches Zeugniß ihre Treue gegen die Gebote derart bestätigt sehen, daß sie einen ungewissen Abschluß ihrer Lebensarbeit im höchsten Gerichte nicht zu fürchten brauchen. Dann folgt die Freude auf die Erkenntniß, daß sie der Ruhe und der ewigen Glorie theilhaftig werden, und in diesem süßen Troste wird auch der Leib im Grabe unter dem Schutze der heiligen Engel im tiefsten Frieden ruhen. Die fünfte Steigerung ihrer Freude enthält eine Fülle reichsten Jubels, weil sie aus dem Kerker des gebrechlichen Leibes zum ewigen Lichte, zur ewigen Freiheit gelangt sind und die ihnen verheissene Erbschaft in Besitz nehmen. Darin ist die Gewißheit der Ruhe wie der künftigen Auferstehung eingeschlossen, wie der Apostel sagt: „Gleichwie in Adam Alle sterben, so werden auch in Christo Alle lebendig gemacht werden. Ein Jeder aber in seiner Ordnung. Der Erstling ist Christus; darnach die, welche Christo angehören und an seine Ankunft geglaubt haben, dann ist das Ende.“ 49 Es wird also eine verschiedene Ordnung der Herrlichkeit und Glorie sein nach der Verschiedenheit der Verdienste. An sechster Stelle wird ihnen offenbar, daß ihr Antlitz zu leuchten beginnt gleich der Sonne und das Licht der Sterne überstrahlt, so daß sie von der Verwesung Nichts mehr empfinden. Endlich aber werden sie mit vollem Vertrauen, ohne Wanken, in voller Gewißheit jubelnd sich freuen, weil sie hineilen, das Antlitz Desjenigen zu schauen, welchem sie den Dienst steter Treue gewidmet haben: von ihm dürfen sie in dem Bewußtsein ihrer reinen Unschuld erhabenen Lohn für ihre geringe Arbeit und Mühe erwarten, und damit fangen sie auch an zu erkennen, daß alle Leiden dieser Zeit nicht würdig sind, solch wunderbar seligen Lohn zu empfangen. Das ist die Ruhe der Seelen der Gerechten nach den sieben Steigerungen, wie sie das Buch Esdras beschreibt: Das ist der erste Genuß der künftigen Glorie, bevor noch die Seele der Wiedervereinigung mit ihrer Leibeswohnung sich erfreut. Deßhalb sagt auch der Prophet zu dem Engel: „Es wird also den Seelen, nachdem sie vom Leibe geschieden sind, wie du versicherst, Zeit gewährt, um alles Dieses zu erkennen? Der Engel aber erwidert: „Sieben Tage wird die Freiheit dieser Seelen währen, damit sie Alles sehen, was in diesen Worten ihnen vorhergesagt ist; darnach aber werden sie in ihren Wohnungen Aufnahme finden.“ 50 Es darf uns nicht wundern, daß diese Offenbarungen so ausführlich von den steigenden Freuden des Gerechten handeln, während sie von den Qualen der Sünder schweigen: es ist ja weit besser, zu erfahren, wie die Schuldlosen beglückt, als wie die Sünder gequält werden.

      49. Weil also die Gerechten so wunderbaren Lohn empfangen, daß sie das Angesicht Gottes und jenes Licht schauen, das jeden Menschen erleuchtet: so wollen auch wir von nun an unausgesetzt streben, daß unsere Seele Gott nahe kommt, daß unsere Gebete bei ihm weilen, daß unser Verlangen ihm gehört, daß wir niemals von ihm getrennt werden. So lange wir hier auf Erden weilen, wollen wir im Lesen, Betrachten und Wünschen mit Gott uns vereinigt halten; wollen wir bestrebt sein, ihn zu erkennen, so gut wir Das vermögen. Wir erkennen ihn freilich hier nur zum Theil, weil hier Alles unvollkommen ist, wie dort die höchste Vollkommenheit herrscht: hier sind wir wie Kinder, dort sind wir in voller Kraft. „Hier sehen wir durch einen Spiegel

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