Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1. Augustinus von Hippo

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Zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, Band 1 - Augustinus von Hippo Die Schriften der Kirchenväter

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und die Meeresküste[183] verheert. Wer könnte ferner nach Gebühr darstellen, in welchem Umfang und wie entsetzlich sie Räubereien verübten und dann heftige Seeräuberkriege hervorriefen?

       27. Der Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla.

      

      Als jedoch Marius, die Hände schon befleckt mit Bürgerblut — viele seiner Gegnerpartei hatte er bereits aus dem Wege geschafft — besiegt aus der Stadt floh und die Bürgerschaft eben ein wenig aufatmete, da „gewann“, um mich der Worte Ciceros[184] zu bedienen, „nachmals Cinna neben Marius die Oberhand. Und nun wurden die bedeutendsten Männer ermordet und es erloschen mit ihnen die Leuchten des Staates. Für den grausamen Sieg nahm später Sulla Rache und es braucht nicht erst gesagt zu werden, mit welchem Verlust an Bürgern und mit welchem Unheil für den Staat.“ Über diese Rache, die schlimmeres Verbrechen anrichtete als wenn die Verbrechen, die bestraft wurden, ungestraft geblieben wären, äußert sich auch Lucanus[185] :

      „Es überschritt die Heilung das Maß, zu stark griff die Hand ein,

      Folgend des Übels Spur. Die Schuldigen gingen zugrunde,

      Aber erst als es schien, sie sollten allein überdauern.“

      In diesem Krieg zwischen Marius und Sulla füllten sich — abgesehen von denen, die außerhalb der Stadt in der Schlacht fielen — in der Stadt selbst die Straßen, die Gassen, die Plätze, die Theater, die Tempel derart mit Leichen, daß es schwer war zu entscheiden, wann die Sieger mehr Menschenleben opferten, ob vorher, um zu siegen, oder nachher, weil sie gesiegt; denn zuerst, beim Siege des Marius, als dieser eigenmächtig die Verbannung aufhob und zurückkehrte, wurde außer den da und dort angestellten Metzeleien, wie sie überall sich zutrugen, das Haupt des Konsuls Octavius auf der Rednerbühne aufgesteckt, die Cäsaren fielen unter der Mörderhand Fimbrias, zwei Crassus, Vater und Sohn, starben, einer vor den Augen des andern, eines gewaltsamen Todes, Bäbius und Numitorius wurden am Hacken geschleift und in Stücke zerrissen, Catulus entzog sich durch einen Gifttrank den Händen seiner Feinde, Merula, der dialische Flamen, öffnete sich die Adern und opferte dem Jupiter mit seinem eigenen Blut. Vor den Augen des Marius selbst aber wurden alle die sofort niedergehauen, deren Gruß er nicht durch Darreichung der Hand erwidern wollte.

       28. Wie es nach dem Siege Sullas herging und wie für die Grausamkeit des Marius Rache genommen wurde.

      

      Der darauffolgende Sieg des Sulla, die Rache für diese Grausamkeit, war schon mit reichlichem Bürgerblut erkauft worden; aber dieser Sieg wütete nach Beendigung des Kampfes im Frieden, da die Feindschaft fortlebte, noch grausamer. Auch gesellten sich nun zu den Blutbädern, die der ältere Marius früher und neuerdings angerichtet hatte, noch ärgere von Seiten des jüngeren Marius und des derselben Partei des Marius angehörigen Carbo, die beim Anmarsch Sullas nicht nur am Siege, sondern selbst an ihrer Rettung verzweifelten und sinnlos weiter mordeten. Denn außer den weit und breit an verschiedenen Orten verübten Metzeleien wurde auch der Senat belagert und man führte die Väter direkt von der Kurie wie von einem Gefängnis weg zur Hinrichtung. Der Oberpriester Mucius Scävola wurde vor dem Altar der Vesta ermordet, den er umklammert hatte, weil bei den Römern nichts für so heilig galt als der Tempel der Vesta, und beinahe hätte er mit seinem Blute das Feuer erstickt, das durch die ununterbrochene Mühewaltung der Jungfrauen stets brannte. Darauf zog Sulla als Sieger in die Stadt ein, nachdem er in der öffentlichen Villa[186] , und zwar nicht mehr während des kriegerischen Wütens, sondern als bereits der Friede die Herrschaft angetreten hatte, 7000 Mann nach erfolgter Kapitulation [also natürlich waffenlose Leute], nicht im Kampfe, sondern durch einen Befehl dem Tode geweiht hatte. In der Stadt aber übten die Anhänger Sullas Mord, wo und an wem sie nur gerade wollten, so daß man die Leichen wegen ihrer Menge nicht mehr zählen konnte, bis man Sulla beibrachte, man müsse einige am Leben lassen, damit doch jemand da sei, über den die Sieger ihrer Herrschaft ausüben könnten. Nunmehr wurde die Mordfreiheit, die sich entfesselt hierhin, dorthin ohne Wahl kehrte, eingedämmt; es erschien unter großem Beifall die bekannte Liste, in der 2000 Angehörige der obersten Stände, des Ritter- und des Senatorenstandes, zur Hinrichtung und Ächtung verzeichnet waren. Man war entsetzt über die Zahl, und empfand es doch tröstlich, daß nur überhaupt Schranken gesetzt wurden. Die Trauer über den Fall so vieler Edlen war nicht so groß als die Freude über die Sicherstellung der übrigen. Aber bei manchen, über die der Tod verhängt war, nötigten doch die ausgesuchten Todesarten denen, die sich grausam genug über ihre Sicherstellung freuten, allgemeines Mitleid ab. Einer wurde ohne Werkzeug mit den bloßen Händen, in Stücke gerissen, ein Vorgang, bei dem die Menschen mit einem lebenden Menschen entsetzlicher verfuhren als wilde Tiere, wenn sie Leichname zerreissen. Einem andern wurden die Augen ausgestochen und die Glieder eines ums andere abgehauen, so daß er unter diesen heftigen Qualen lange leben oder vielmehr lang sterben mußte. Auch wurden einige bekannte Städte, gerade als waren sie Landhäuser, öffentlich versteigert; in einer andern ließ man, wie wenn man einen einzelnen Verbrecher zur Hinrichtung führte, die gesamte Einwohnerschaft niedermetzeln. Das geschah im Frieden, nach dem Kriege, nicht damit man den Sieg rascher erringe, sondern damit der errungene Sieg nicht unterschätzt werde. Ein Wettstreit zwischen Krieg und Frieden um die Grausamkeit und die Palme trug der Friede davon. Denn der Krieg mähte Bewaffnete nieder, der Friede Wehrlose. Im Kriege konnte vielleicht der Verwundete einen Gegenschlag führen, im Frieden war man dem Tode durchaus nicht entronnen, sondern mußte ihn nur ohne Widerstand über sich ergehen lassen.

      

       29. Vergleich des Einbruches der Goten mit den schweren Schlägen, die die Römer von den Galliern und von den Anstiftern der Bürgerkriege erlitten haben.

      

      Wann haben auswärtige Feinde eine solche Wut, wann Barbaren eine solche Wildheit an den Tag gelegt, wie sie hier bei dem Siege von Bürgern über Bürger entfesselt wurde? Was war für Rom verhängnisvoller, entsetzlicher, bitterer, der Einbruch der Gallier und kürzlich der der Goten oder das grausame Wüten, das Marius und Sulla und andere hervorragende Männer, ihre Parteigänger, gleichsam die Augen Roms wider dessen Glieder, in Szene setzten? Die Gallier haben zwar die Senatoren niedergemetzelt, soviele sie ihrer in der Stadt allüberall mit Ausnahme des Kapitols antrafen, das allein, so gut es ging, gehalten wurde, aber denen, die sich auf dem genannten Hügel befanden, liessen sie um Gold wenigstens das Leben, das sie zwar nicht im Kampf ihnen hätten nehmen, aber doch durch Belagerung hätten aufreiben können; die Goten aber übten gegen soviele Senatoren Schonung, daß daneben die Tötung einzelner fast als eine Ausnahme gelten kann. Sulla dagegen hat noch bei Lebzeiten des Marius eben das Kapitol, das vor den Galliern sicher war, als Sieger zum Erlaß von Morddekreten besetzt und sprach, als Marius durch Flucht entkommen war — er sollte wiederkommen, wilder noch und blutgieriger —, auf dem Kapitol eben durch einen Senatsbeschluß vielen Leben und Besitz ab; und was wäre erst der Partei des Marius, als Sulla ferne war, heilig und schonungswürdig gewesen, da sie nicht einmal dem Mucius, ihrem Mitbürger, Senator und Oberpriester, Schonung gewährte in dem Moment, als er den Altar, an dem, wie es heißt, das Schicksal Roms hängt, in kläglicher Hilflosigkeit umklammerte? Die letzte Liste Sullas endlich, um andere unzählige Morde zu übergehen, schlachtete mehr Senatoren ab, als die Goten auch nur zu berauben vermochten.

      

       30. Der Zusammenhang der zahlreichen und blutigen Kämpfe, die der Ankunft Christi vorhergingen.

      

      Was ist es also für eine Frechheit und Unaufrichtigkeit,

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