Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski. Henryk Sienkiewicz

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Gesammelte historische Romane: Quo Vadis? + Die Kreuzritter + Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski - Henryk Sienkiewicz

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Fürst stand in der Mitte der Reihe in einer kleinen Vertiefung, welche sich über die ganze Breite des Platzes zog. Der Oberjägermeister hatte diesen Platz für ihn ausgewählt, weil er wußte, daß die größten Tiere der Waldwildnis in diese Vertiefung getrieben werden würden. Der Fürst selbst hatte die Armbrust in der Hand, und dicht neben ihm stand, an einen Baum gelehnt, der schwere Speer. Einige Schritte hinter ihrem Herrn befanden sich die beiden »Schützer«, in ihrer riesenhaften Größe den Baumstämmen des Waldes vergleichbar. Außer mit den Beilen, die sie auf den Schultern trugen, waren sie mit bereits gespannten Armbrusten bewaffnet, um sie dem Fürsten im Notfalle zu überreichen. Weder die Fürstin noch Jurands Tochter stieg von dem Pferde ab. Der Fürst gestattete dies niemals, war es doch leichter, sich vor den wütenden Bisons und Auerochsen in Fällen der Gefahr zu Pferde als zu Fuß zu retten. So bat denn auch de Lorche, trotzdem er von dem Fürsten aufgefordert worden war, sich zu seiner Rechten zu stellen, zum Schutze der Damen zu Pferde bleiben zu dürfen, und hielt, einer schmalen Klinge ähnlich, unweit der Fürstin hoch zu Roß, in der Hand die ritterliche Lanze, über welche, als eine für die Jagd wenig geeignete Waffe, die Masuren verstohlen lachten. Zbyszko, der seinen Speer unverweilt in den Schnee gestoßen und die Armbrust von der Schulter genommen hatte, blieb bei Danusias Pferde stehen. Zuweilen blickte er zu ihr empor, zuweilen flüsterte er ihr etwas zu, dann wieder umfaßte er ihre Füße und küßte ihre Knie, scheute er sich doch nicht mehr, seine Liebe vor aller Welt zu zeigen. Erst dann verhielt er sich ruhig, als der Oberjägermeister, der hier in der Wildnis es sogar wagte, über den Fürsten zu brummen, ihm aufs strengste zu schweigen befahl. Mit einem Male erklangen fern, fern aus der Tiefe der Wälder die Hornsignale der Kurpen, denen sofort der kurze laute Schall der Jagdhörner antwortete. Dann trat fast völlige Stille ein. Nur zeitweise ertönte das Gekrächze eines Eichelhähers auf den Wipfeln der Tannen, oder einer der als Treiber aufgestellten Leute krächzte wie ein Rabe. Angestrengt hielten die Jäger ihren Blick auf den freien Platz geheftet, auf welchem der Wind das mit Reif bedeckte Gestrüpp und die blätterlosen Gesträuche bewegte. Ein jeder harrte voll Spannung, was für ein Tier wohl zuerst in Schußweite kommen werde. Alle aber versprachen sich eine reiche, ergiebige Jagdbeute, weil die Wälder von Auerochsen, Bisons und Ebern wimmelten. Die Kurpen hatten außerdem auch mehrere Bären aus ihren Lagern aufgestört, welche nun wild und hungrig in den Wäldern umhertrappten, instinktmäßig witternd, daß ihnen binnen kurzem ein Kampf bevorstehe, bei dem es sich nicht um ruhigen Winterschlaf, sondern um Leben und Tod handelt.

      Die Jäger mußten indessen lange warten, weil die Leute, welche die Tiere auf den ausgerodeten Platz in den engeren Kreis treiben sollten, eine gewaltige Strecke Waldes in so weiter Entfernung umstanden, daß zu den Ohren der Harrenden nicht einmal das Bellen der Hunde drang, die nach dem Ertönen der Hornsignale von der Koppel gelassen worden waren. Nur ein Hund der Meute, den man augenscheinlich früher freigelassen, oder der sich ungefesselt umhergetrieben hatte, lief, die Nase an der Erde, quer über den Platz, um schließlich zwischen den Jägern hindurch wieder davonzurennen. Dann trat abermals so lange vollständige Ruhe ein, bis mit einem Male die hinter den Netzen stehenden Treiber wie die Raben krächzten zum Zeichen, daß nun die Jäger auf ihrer Hut sein müßten. Noch wenige Minuten, und am Saume des Waldes zeigte sich ein Rudel Wölfe, diese wachsamsten aller Tiere, die daher auch als die ersten versuchten, aus dem sie umschließenden Kreise zu entkommen. Inmitten des freien Platzes angelangt und auch hier die Menschen witternd, verschwanden sie rasch wieder, indem sie sich offenbar einen andern Ausweg aus dem Dickicht bahnen wollten. Eine schwarze Kette bildend, tauchten gleich darauf mächtige Eber auf dem schneebedeckten Platze auf, von weitem einer Viehherde ähnlich, welche, dem Lockrufe der fürsorglichen Hausfrau folgend, mit gespitzten Ohren den Ställen zustrebt. Schnüffelnd und aufhorchend blieben sie plötzlich stehen, machten Kehrt, horchten wieder auf, näherten sich, die Treiber witternd, behutsam und grunzend den Jägern, bis mit einem Male das Knirschen der eisernen Schneller der Armbruste, das Zischen der Pfeile ertönte und die weiße Schneedecke mit dem ersten Blute befleckt ward.

      Mit durchdringendem Gequieke stoben die Eber wie von einem Blitzstrahle getroffen auseinander: einige rannten blindlings davon, andere stürzten dem Netze zu, mehrere liefen vereinzelt hin und her, etliche mengten sich unter die anderen Tiere, die sich inzwischen auf der Waldeslichtung angesammelt hatten. Immer deutlicher ertönten jetzt die Hornsignale, Hundegekläff ward laut, sowie das verworrene Gemurmel einer sich nähernden großen Menschenschar. Aber auch die Zahl der vierfüßigen Waldbewohner, die von allen Seiten, weit und breit, aufgescheucht worden waren, mehrte sich in einer solchen Weise, daß schließlich der freie Platz dicht gefüllt war. Etwas Aehnliches konnte weder in fremden Ländern, noch in andern polnischen Gebieten vorkommen, da es dort nicht solche Waldwildnisse gab wie in Masovien. Wenn nun auch die Kreuzritter häufig in Litauen gewesen waren, wo es zuweilen vorkam, daß das Anstürmen von Auerochsen eine ganze Söldnerschar in Verwirrung gesetzt hatte, erfüllte sie doch dieses Schauspiel ebenso wie den Herrn de Lorche mit dem größten Staunen. Einem Kraniche ähnlich bei der Fürstin und den Hofdamen Wache haltend, hatte der Lothringer sehnlichst dem Beginne der Jagd entgegengesehen, denn er fror nicht nur tüchtig in seiner eisernen Rüstung, sondern er fing auch schon an, sich zu langweilen, da er sich ja nicht verständlich machen konnte. Nun aber sah er mit einem Male ganze Rudel von leichtfüßigen Rehen, von fahlgelben Hirschen und von Elentieren mit ihren unförmigen Geweihen, voll Schrecken, sinnlos vor Angst, dahinstürmen, umsonst einen Ausweg suchend. Die Fürstin, in der sich, als Tochter von Kiejstut, bei diesem Anblick das väterliche Blut regte, schoß Pfeil auf Pfeil auf die buntscheckige Schar ab, jedesmal vor Freude jubelnd, wenn ein Hirsch oder ein Elentier sich zuerst hoch aufbäumte, um dann, zu Tode getroffen, rücklings auf den Schnee zu stürzen. Aber auch ein Hoffräulein nach dem andern hielt jetzt das Gesicht an die Armbrust, denn alle, samt und sonders, wurden von der Jagdlust ergriffen. Zbyszko allein bildete eine Ausnahme. Mit den Armen auf den Knien Danusias lehnend, das Haupt auf beide Hände gestützt, schaute er ihr in die Augen, sie hingegen versuchte, halb lächelnd, halb verschämt, ihm die Lider mit den Fingern zu schließen, gerade als ob sie seinen Blick nicht zu ertragen vermöge.

      Nun aber wurde die Aufmerksamkeit des Herrn de Lorche durch einen gewaltigen, an Genick und Schaufeln grauen Bären erregt, der ganz in der Nähe der Jäger unvermutet aus dem Gestrüppe hervorbrach. Der Fürst schoß sofort die Armbrust gegen ihn ab, sprang dann unverweilt mit dem Speere auf ihn zu und tötete das Tier, das sich, furchtbar brüllend, auf die Hinterpfoten erhob, so rasch und gewandt vor den Augen des ganzen Hofstaates, daß keiner der beiden »Schützer« das Schwert gebrauchen mußte. Unwillkürlich sagte sich nun der junge Lothringer, daß wohl wenige der Herren auf den Höfen, in denen er unterwegs Rast gemacht hatte, sich einen derartigen Zeitvertreib erwählen würden, und daß mit einem solchen Fürsten, mit solchem Manne anzubinden, es wohl dereinst dem Orden schwer fallen würde. Und wenige Augenblicke darnach war de Lorche Zeuge, wie durch andere Jäger ganz auf die gleiche Weise ein grimmiger, mächtiger Eber mit großen weißen Hauern zu Tode getroffen ward, ein Tier, größer und gewaltiger als all’ die, auf welche in den Gehölzen Nieder-Lothringens oder in den deutschen Wäldern Jagd gemacht wurde. Ein ähnliches Vertrauen in die eigene Kraft, eine so geschickte Führung des Speeres hatte der Lothringer noch nie zuvor bei Jägern gesehen. Wie dies aber gewöhnlich zu sein pflegt, ließen sich die Kraft und die Gewandtheit darauf zurückführen, daß alle die inmitten der unermeßlichsten Wälder ansässigen Menschen vom zehnten Jahre an Armbrust und Speer handhaben mußten und sich dadurch die größte Fertigkeit erwarben.

      Der freie Platz war schließlich mit den Kadavern aller möglichen Tiere bedeckt. Von keiner Seite wurde indessen daran gedacht, die Jagd zu beendigen, sollte diese doch jetzt erst recht gefährlich und somit besonders aufregend werden. Von den Treibern gejagt, zeigten sich nämlich mit einem Male eine große Schar von Auerochsen und Bisons. Nicht getrennt, wie dies im Walde der Fall zu sein pflegte, sondern untereinander vermengt, trabten sie daher, weit eher Furcht erregend, als von Furcht oder Schrecken verblendet. Sie überstürzten sich auch nicht; nein, in ihrer ungeheuren Kraft zogen sie siegesgewiß dahin, überzeugt daß sie alle Hindernisse überwinden und einen Ausgang finden würden. Die Erde dröhnte geradezu unter der Schwere ihrer Tritte. Die Spitze des Zuges bildeten die bärtigen Bullen.

      Mit zur Erde gesenkten Köpfen

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