Mami Box 1 – Familienroman. Claudia Torwegge

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Mami Box 1 – Familienroman - Claudia Torwegge Mami Box

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Äpfel, die sich auch in der Badetasche befanden. Tante Vera dachte eben an alles.

      »Hm«, meinte Katrin, »im Meer zu schwimmen ist bestimmt noch was ganz anderes.« Dabei dachte sie neidisch an Steffi, die jetzt an der Riviera war, direkt an der Küste. Es war schon eine himmelschreiende Ungerechtigkeit auf der Welt.

      »Hör endlich auf zu maulen.« Claus knuffte sie leicht. »Hier, nimm auch einen Apfel.«

      »Nein, danke«, sagte Katrin hoheitsvoll. »Ich hole mir nachher lieber ein Eis.«

      »Haste denn Geld?« fragte Claus kauend.

      »Klar. Ich geb ja nicht mein ganzes Taschengeld für doofe Comic-Hefte aus. Das machen nur dumme Jungs.«

      »Mensch, Katrin, du bist aber heute echt verbiestert«, fuhr Claus auf.

      »Hab auch allen Grund dazu«, murrte Katrin.

      »So, findest du?« mischte Vera sich ein, die sich bis dahin die Kabbelei der Geschwister stillschweigend angehört hatte. »Dann hört mir jetzt mal gut zu, ich habe euch etwas zu sagen.« Sie wandte sich den beiden zu und sah sie mit einem ernsten Blick an.

      Katrins Lider zuckten. »Kann mir’s schon denken, Tante Vera. Du bist sauer auf uns, weil die wegen uns weggelaufen ist, nicht? Weil die nämlich gemerkt hat, daß wir sie nicht dabeihaben wollten.«

      »Die heißt Laura, Katrin, und ich verbiete dir, so abfällig über dieses kleine Mädchen zu reden. Laura ist ein Waisenkind, sie hat keinen Menschen mehr auf der Welt und lebt, solange sie denken kann, in einem großen düsteren Haus unter lauter Kindern, die auf diese oder jene Weise ebenso arm dran sind wie sie.«

      »Echt?« fragte Claus erschrocken.

      Vera nickte. »Mit Laura kann man nur Mitleid haben, deshalb hole ich sie manchmal nachmittags zu mir, und – das müßt ihr euch mal vorstellen, das ist das erste Mal in ihrem Leben, daß sie in einem wohnlichen Haus ist und daß jemand nett zu ihr ist.«

      »Uij…« Claus zog die Unterlippe zwischen die Zähne. »Wir waren nicht nett zu ihr«, murmelte er kleinlaut und reuig.

      »Das haben wir ja auch nicht gewußt, daß sie ein Waisenkind ist«, verteidigte sich Katrin. »Sie hat sich nur so komisch benommen. Gar nicht wie andere Kinder, die ich so kenne.«

      »Sie fühlt sich eingeschüchtert von euch, ist das ein Wunder? Woher soll sie denn das Selbstbewußtsein haben, das schon kleine Kinder heutzutage zeigen, die in geordneten Verhältnissen und in einer Familie aufwachsen?«

      »Ist ja wahr«, nickte Claus einsichtig. »Sie ist auch so dünn. Kriegt sie da nichts zu essen?«

      »Doch, natürlich. Nur ist das nicht gerade üppig, denn es stehen nicht viele Mittel zur Verfügung für dieses Haus. Und Laura ist sowieso zart, sie ißt nur wie ein Spatz.«

      »Vielleicht ißt sie auch nicht, weil sie viel traurig ist«, meinte Claus. »Ich mag auch nicht essen, wenn ich traurig bin, weil Mama mal wieder schlechte Laune hat.«

      »Das sieht man dir aber nicht an«, bemerkte Katrin spottlustig.

      Diesmal verzichtete Claus auf eine Erwiderung, zu sehr beschäftigte ihn doch das Schicksal des fremden Mädchens. »Sind die Eltern von Laura gestorben?« wollte er wissen.

      »Was denn sonst, wenn sie doch ein Waisenkind ist«, fuhr Katrin dem jüngeren Bruder über den Mund.

      »Über ihre Eltern ist nichts bekannt«, sagte Vera.

      »Nichts? Gibt’s das auch?« Katrin zeigte sich nun doch beeindruckt.

      »Laura ist wirklich total verloren auf der Welt«, bestätigte Vera.

      Ringsumher war ein fröhliches Treiben, Lachen und Zurufe. Für die Frau und die beiden Kinder, die da im Schatten saßen, schien das alles im Moment seltsam ferngerückt. Nach einigem Schweigen sagte der Junge, der die Beine angezogen, die Arme darum und das Kinn auf die Knie gelegt hatte, ungewohnt nachdenklich: »Was haben wir’s da doch gut!«

      »Ja, Claus, wenn ihr es nur einseht«, sagte seine Tante mit großem Ernst. »Ihr begehrt schon auf, wenn euch mal nicht jeder Wunsch erfüllt wird. Dabei gibt es andere, die überhaupt keine Wünsche haben dürfen, weil sie zu arm sind, in jeder Beziehung.«

      »Aber das sind doch nur wenige«, behauptete Katrin. Sie dachte an ihre Schulfreundinnen, die auch alles bekamen, was sie nur wollten. Zumindest fast alles!

      »Mehr als man denkt«, sagte Vera. »Wir wissen das nur nicht.«

      Katrin stand auf, sie streckte sich in ihrem roten Badeanzug. »Ich geh noch mal ins Wasser«, verkündete sie. »Kommst du mit, Claus?«

      »Nö. Ich bleib bei Tante Vera.« Er rückte näher an sie heran, als seine Schwester zum Becken lief, und er ergriff ihre Hand, in einer scheuen Geste der Zärtlichkeit. Er sagte nichts, aber Vera wußte, was ihn bewegte.

      Katrin sprach es aus, als sie nach einer Weile wiederkam und sich das kurze blonde Haar zurückstrich, das dunkel vor Nässe war.

      »Wenn Laura wieder mal da ist, werden wir netter zu ihr sein, Tante Vera«, sagte sie.

      *

      Es kam aber nicht so bald dazu, daß sie es unter Beweis stellen konnten, weil die Großeltern Sasse bei ihnen »einfielen«, wie Jenny, nicht eben erbaut von dem unvermuteten Besuch, das bei sich nannte.

      Dieters Eltern waren erst kürzlich von einer Kreuzfahrt in südlichen Meeren zurückgekommen und befanden sich nun auf dem Weg in ihr Ferienhaus im Tessin, wo sie bis zum Herbst bleiben wollten. Sie konnten es sich leisten, ihren Lebensabend zu genießen, und da sie beide, obwohl über Siebzig, gesund und vital waren, taten sie es aus vollem Herzen.

      Sie wohnten in Hamburg, man sah sich nicht allzu häufig, doch nun, auf der Durchreise, wollten sie doch mal sehen, wie es bei den Kindern so ging, eventuell ein paar Tage bleiben.

      Aber sie erkannten bald, daß sie nicht gerade hochwillkommen waren. Der Sohn war vollauf mit der bevorstehenden Ausstellung beschäftigt, deren Eröffnung in acht Tagen vor geladenen Gästen stattfinden sollte, die Schwiegertochter widmete sich nur mit einem gezwungenen Lächeln dem Besuch und schaute verstohlen mehrmals auf die Uhr.

      »Ich muß ins Geschäft, entschuldigt mich bitte«, sagte sie schließlich. »Bei uns geht es zur Zeit drunter und drüber. Frau Müller wird euch das Zimmer richten.« Das war ihre Haushaltshilfe.

      »Wir können ins Hotel gehen«, sagte Philip Sasse ernüchtert. Etwas anders hatte er sich den Empfang doch vorgestellt.

      »Das wäre Dieter sicher nicht recht. Wo stecken denn nur wieder Claus und Katrin? Die kommen noch vor lauter Langeweile auf dumme Gedanken, weil ihre Freunde alle verreist sind.« Sie brachte es gereizt in einem Atemzug hervor, suchte dabei ihre Autoschlüssel mit fahrigen Bewegungen.

      Als sie sie gefunden hatte und mit langen Schritten zu ihrem Wagen eilte, bemerkte der alte Herr: »Ich glaube, wir brauchen gar nicht erst etwas auszupacken, Ingeborg. Von Dieter werden wir doch nicht viel haben. Aber voriges Jahr war es eigentlich nicht viel anders«, überlegte er, und er fügte hinzu: »Der Junge arbeitet zuviel.«

      »Der Junge ist immerhin

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