Die freudlose Gasse. Hugo Bettauer

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Die freudlose Gasse - Hugo Bettauer

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ist, daß Frau Merkel ein Zimmer ihrer Wohnung, die aus zwei Zimmern und Küche besteht, als Absteigequartier zu vermieten pflegt. Na, wir wollen ihr das nicht allzusehr ankreiden. Also los, Frau Merkel.“

      Frau Barbara Merkel, die aus den letzten Worten des Präsidenten ein gewisses Wohlwollen herausfühlte, trocknete endgültig ihre Tränen und begann weitschweifig zu erzählen, „wie sie als arme Witwe gezwungen sei, das größte Zimmer an feine Herrschaften zur gelegentlichen Benützung zu vermieten. Am letzten Sonntag habe sie nun im „Tagblatt“ annonciert und ihr hochelegantes, ungeniertes Absteigequartier vornehmen Herrschaften empfohlen. Vorgestern, also Dienstag, spät abends sei ein großer Herr gekommen, um wegen des Zimmers zu sprechen. Sie wisse nur, daß er einen Kneifer und einen schwarzen Spitzbart gehabt habe. Genau konnte sie ihn nicht sehen, da er, als sie im finsteren Vorzimmer das Licht andrehte, es selbst abgedreht und gesagt habe, er wünsche nicht gesehen zu werden.“

      „Das hat mich nicht gewundert,“ fuhr Frau Merkel fort, „denn die meisten Herrschaften, die ein Absteigequartier brauchen, tun so ängstlich. Ich habe dem Herrn dann das Zimmer gezeigt, aber er betrat es nicht, sondern besichtigte es vom dunklen Vorzimmer aus. Er hat dann gefragt, was das Zimmer koste, weil er es ganz allein für sich haben wolle, obwohl er es nur höchstens zweimal in der Woche am Nachmittag benützen werde. Also, meine Herren, ich bin eine arme ehrbare Witwe und weil die Zeiten so teuer sind, habe ich gesagt, eine Million monatlich. Der Herr hat gleich gezahlt und von mir den Wohnungs- und Zimmerschlüssel bekommen. Ich habe ihm aber gesagt, daß er, wenn er sich nicht polizeilich anmelden wolle, mit seiner Dame immer vor Torsperre um 10 Uhr fortgehen müsse. Ich bin nämlich eine ehrbare Frau, die was keine Unanständigkeiten bei sich duldet.“

      Sämtliche Herren im Zimmer, vom Polizeipräsidenten bis zu den Detektivs, lächelten bei diesen Worten trotz der Tragik der Situation.

      „Was also ist heute geschehen,“ fragte der Polizeipräsident.

      „Heute, so um sieben herum, ist der Herr gekommen, ich habe ihn nicht gesehen, da er nur durch die Türspalte der Küche mit mir gesprochen hat. Er hat gesagt, seine Dame werde gleich kommen und zweimal läuten und er werde selbst öffnen und ich möge mich nicht unterstehen, hinauszuschauen. Richtig hat es bald darauf zweimal geläutet und er hat die Dame in das Zimmer geführt. Ich hab’ durch das Schlüsselloch geschaut, weil ich doch neugierig war, aber es war im Vorzimmer dunkel und so konnte ich nichts sehen. Gegen neun Uhr ist der Herr dann weggegangen und hat durch die Türspalte in die Küche gerufen, daß die Dame sich noch ein wenig ausruhe, aber vor zehn Uhr fortgehen werde. Ich habe nun gewartet, es ist halb und dreiviertel zehn geworden und nichts hat sich gerührt. Ein paar Minuten vor zehn bin ich zu der Zimmertür hingegangen und habe geklopft, aber keine Antwort bekommen. Immer wieder habe ich geklopft und schließlich sogar mit der Faust auf die Türe geschlagen, aber es hat sich nichts gerührt. In meiner Angst bin ich dann zur Hausmeisterin gelaufen, die hat einen Polizeimann geholt und der Schlosser aus dem Nebenhaus ist gleich mitgekommen.“

      Frau Merkel begann wieder zu schluchzen.

      „Der fremde Herr muß die Türe hinter sich abgesperrt und den Schlüssel mitgenommen haben. Der Schlosser hat aber mit einem Haken gleich öffnen können. Es war finster im Zimmer und wie ich das Licht aufgedreht habe, bin ich beinahe vor Schrecken umgefallen, denn auf dem Bett lag die Leiche.“

      Frau Merkel konnte nun abtreten und der Polizeipräsident gab dem Journalisten weitere Erläuterungen.

      „Der Polizeiarzt, Dr. Schimmel, war gleichzeitig mit uns um halb elf Uhr hier. Bitte, Herr Doktor, sagen Sie nochmals, was Sie festgestellt haben.“

      Der Arzt strich seinen graumelierten Bart zurecht, nahm ein Blatt Papier, das er mit Notizen vollgekritzelt hatte, zur Hand und sagte:

      „Vor mir lag die Leiche einer Frauensperson von etwa 22 bis 25 Jahren. Der Tod konnte nicht früher als vor zwei Stunden, nicht später als vor anderthalb Stunden eingetreten sein, also zwischen neun und halb zehn Uhr abends. Der Tod ist zweifellos gewaltsam durch Erdrosselung herbeigeführt worden. Eine kräftige Hand scheint ohne vorhergegangenen Kampf der Frau den Kehlkopf zerdrückt zu haben. Nach gewissen Feststellungen, die ich machen konnte und deren Richtigkeit die Obduktion der Leiche zu erweisen hat, ist der Ermordung eine Liebesumarmung vorangegangen. Das wäre alles, was ich bei oberflächlicher Untersuchung feststellen konnte.“

      „Welche Theorie haben die Herren?“ fragte der Journalist nach einer Pause.

      Hofrat Schmitz ergriff das Wort.

      „Am naheliegendsten ist wohl die Vermutung, daß es sich um die Tat eines Perversen, um einen Lustmord handelt, obwohl nach den bisherigen Erfahrungen Lustmörder auf Blutvergießen ausgehen, was hier nicht der Fall ist. Auf dem Tisch hier lag das goldene Täschchen, das zweifellos Eigentum der Ermordeten ist. Da sich in ihm nur ein Spitzentuch, aber keinerlei Geldbetrag gefunden hat, ist auch die Annahme eines Raubmordes zulässig. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, daß eine Dame Geldbeträge in einer Höhe bei sich trägt, die einen so komplizierten und vorbereiteten Raubmord rechtfertigen würden.“

      Einer der Unterbeamten, ein noch junger Mensch mit intelligenten Gesichtszügen und guten Manieren, trat vor, räusperte sich und sagte:

      „Gestatten die Herren, daß ich eine Bemerkung mache. Eine Dame, die so kostbare Pelze und Kleider trägt und, wie der Herr Redakteur vorhin mitteilte, eine große Abendgesellschaft hätte besuchen sollen, wird doch sicher Schmuck bei sich gehabt haben. Bei der Leiche wurde aber nicht ein einziges Schmuckstück gefunden!“

      Polizeipräsident und Hofrat nickten beifällig und letzterer sagte:

      „Sehr richtig, Herr Horak, gut beobachtet. Wir werden also heute noch durch das Dienstpersonal der Ermordeten feststellen müssen, was Frau Leid an Schmuck bei sich gehabt hat.“

      Lebhaft erklärte Demel:

      „Ganz sicher ihre wunderbare Perlenschnur! Doktor Leid, der ja aus sehr reichem Hause stammt, hat sie von seiner Mutter geerbt und diese von einer Großtante, die sehr schön gewesen war und die Perlen aus England als Geschenk eines indischen Fürsten mitgebracht hatte. Vor einigen Monaten hat ein Juwelier die aus großen, erlesenen Perlen bestehende Schnur auf hunderttausend Dollar, das sind sieben Milliarden Kronen, geschätzt. Außerdem pflegte Frau Leid auch anderen sehr wertvollen Schmuck zu tragen, den ihr Gatte ihr im Verlaufe der Ehe geschenkt hat.“

      Der Polizeipräsident und der Chef der Sicherheitspolizei tuschelten miteinander, dann erklärte der letztere, daß nunmehr die Theorie eines Lustmordes fallen gelassen werden könne. Es müsse nur schleunigst festgestellt werden, was Frau Leid an Schmuck und Geld bei sich gehabt habe. Dies konnte bald geschehen, da inzwischen der Detektiv Horak, ohne erst einen Auftrag abzuwarten, mittels Automobils das Stubenmädchen der Frau Leid aus der Wohnung am Arenbergring hatte herbeiholen lassen. Das Mädchen, das angesichts der Leiche ihrer Herrin beinahe in Ohnmacht gefallen wäre und fassungslos zu schluchzen begann, gab, nachdem es sich ein wenig beruhigt hatte, folgendes an: Frau Lia Leid habe, als sie kurz vor sieben Uhr in einem herbeigeholten Autotaxi das Haus verließ, nicht nur die Perlenschnur, sondern auch fast ihren ganzen sonstigen Schmuck angelegt, so einen ungemein kostbaren Diamantring, einen Ring mit einem Smaragd von außerordentlicher Größe, einen Schmetterling, der aus achtzig schönen Steinen bestand, mehrere Nadeln und ein Armband, das der Herr Doktor zum Geburtstag der gnädigen Frau für dreihundert Millionen gekauft hatte. Als sie die gnädige Frau gefragt habe, ob dies nicht zu viel Schmuck auf einmal sei, habe Frau Doktor lachend erwidert: „Aber, Marie, haben Sie denn eine Ahnung, was für Protzen bei den Rosenows verkehren? Und außerdem, jemand, der mich sehr gern hat, liebt es, wenn ich viel Schmuck trage.“

      Die Herren wechselten bedeutungsvolle Blicke und der Chef der Sicherheitspolizei begann das Stubenmädchen

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