Aus den Akten der Agence O. Georges Simenon

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Aus den Akten der Agence O - Georges  Simenon Red Eye

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vielmehr mit dem einzigen Ergebnis, dass der Hund sich geradezu tollwütig gebärdet. Plötzlich sagt eine Stimme neben ihm, so dicht neben ihm, dass er zusammenzuckt:

      »Sie wünschen?«

      Der Mann, der da steht, kommt nicht aus dem Haus, sondern aus dem Wald. Er ist um die fünfzig, vielleicht etwas älter, sein Bart ist mit grauen Strähnen durchzogen. Er trägt Stiefel, Jagdkleidung und eine pelzgefütterte Jacke, die ihm ein herrschaftliches Aussehen verleiht.

      »Mein Chef wünscht …«, stottert Émile und dreht sich zu dem kleinen Auto um, dessen Motor immer noch läuft.

      Aber was wird Torrence sagen können? Er steigt aus. Er hustet. Er beginnt:

      »Ich hatte erwartet, Madame Dossin hier anzutreffen, die mich beauftragt hat …«

      »Meine Frau liegt im Bett«, bemerkt der Herr des Château du Lac recht trocken.

      »Es tut mir leid zu erfahren, dass Madame Dossin krank ist. Nichts Schlimmes, hoffe ich?«

      Der Schlossherr antwortet nicht, doch seine Haltung sagt deutlich:

      »Ich sehe nicht, was Sie die Gesundheit meiner Frau angeht.«

      Und er wartet.

      »Chef …«, meldet sich Émile, der voraussieht, dass Torrence im nächsten Moment ratlos umkehren wird. »Sie wissen, dass ich mich leidenschaftlich für solche malerischen Orte interessiere. Da Sie ihr Freund sind, das heißt, da Sie Madame Dossin von früher kennen, könnten Sie ihren Mann vielleicht um die Erlaubnis bitten, diesen Schuppen zu fotografieren, den ich unten am Teich sah? Mit diesem schummrigen Licht, den Lichtreflexen auf dem Eis, ich glaube, ich könnte …«

      Stirnrunzelnd blickt Monsieur Dossin von einem zum anderen, und ohne die Hand von dem Schlüssel zu nehmen, den er eben in das Schloss im Gittertor gesteckt hat, sagt er:

      »Fotografieren Sie, was Sie wollen.«

      Er hat ihnen nicht den Hund auf den Hals gehetzt. Das ist schon einmal gut! Ohne sich weiter um sie zu kümmern, überquert er den großen Hof, und sie sehen, wie er mit schwerem Schritt langsam die Stufen der Freitreppe hochsteigt.

      »Seltsames Haus …«, knurrt Torrence. »Was machen wir?«

      »Mein Gott, wir fotografieren …«

      »Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass uns hier jemand einen bösen Streich gespielt hat.«

      »Ich nicht …«

      Sie sind jetzt am Teich. Der Schuppen sieht aus wie jeder andere Schuppen am Ufer irgendeines Teichs. Wahrscheinlich dient er der Aufbewahrung von Booten und Angelgerät. Émile nimmt an, dass der Schlossherr sie von einem Fenster aus beobachtet, und spielt, so gut es geht, seine Fotografenrolle.

      »Wenn da drin wirklich einer aufgehängt ist …«

      Er nähert sich dem Schuppen. Die Tür hat kein Schloss, keinen Riegel, keinerlei Absperrvorrichtung. Er drückt dagegen. Die Bretter haben sich gelockert und lassen ein wenig Licht herein. Ein alter Kahn fault vor sich hin.

      »Was hab ich Ihnen gesagt?«, sagt Torrence, der hinter Émile eingetreten ist, mit einem hämischen Lachen.

      Kein Erhängter. Nicht einmal der Schatten eines Erhängten. Keine Spur eines Stricks zum Aufhängen.

      »Wenn ich wüsste, wer zum Teufel für diesen Anruf verantwortlich ist …«

      Torrence kann sich nicht beruhigen. Émile hingegen untersucht den Ort mit Engelsgeduld.

      »Können Sie mich mal auf Ihre Schultern heben, Chef?«

      So erreicht er den Deckenbalken, an dem ein dicker Haken aus Eisen befestigt ist. »Haben Sie den Gehängten gefunden?«, fragt Torrence feixend?

      »Noch nicht. Aber dieser Haken sollte verrostet sein und ist es nicht, jedenfalls nicht an der Stelle, wo der Strick ihn blank gerieben hat.«

      »Welcher Strick?«

      »Der Strick, den jemand weggenommen hat … Sie können mich wieder herunterlassen. Das ist nicht überwältigend, aber es ist besser als nichts. Wenn dieser Eisenhaken nicht vor Kurzem benutzt worden wäre, wäre er völlig verrostet, so aber ist er es nur dort, wo die Oberfläche nicht abgerieben wurde … Was ist in dieser Kiste?«

      Torrence beugt sich hinunter.

      »Werkzeug. Aber in einem erbärmlichen Zustand, es wird bestimmt nicht oft benutzt.«

      Eine Säge, Nägel, Angelhaken, Eisenringe, ein Durcheinander, wie man es in jedem Haus auf dem Land findet. Alles ist verrostet. Émile untersucht auch diese Dinge sorgfältig. Er zieht eine Lupe aus der Tasche und betrachtet damit eingehend einen schweren Hammer. Er murmelt:

      »Hier ist jedenfalls etwas, das benutzt wurde …«

      Am eisernen Kopf des Hammers kleben ein paar verklumpte Haare, wie von einem eingeschlagenen Schädel.

      Torrence ist nicht überzeugt.

      »Ich dachte, wir würden einen Gehängten suchen. Sollte man Leute neuerdings hängen, indem man ihnen Hammerschläge verpasst?«

      Émile springt auf. Er hat etwas gesehen und eilt auf die andere Seite des alten Kahns. Er schwenkt eine Zeitung, eine Lokalzeitung. Er sucht nach dem Datum – und triumphiert:

      »Das ist die Zeitung von heute. Das heißt, jemand hat kurz vor uns diesen Schuppen betreten, denn soweit ich weiß, trifft die Zeitung nicht vor neun oder zehn Uhr morgens in Ingrannes ein. Wir sollten Madame Dossin einen Besuch abstatten.«

      »Man wird uns nicht einlassen.«

      »Irgendwie müssen wir es schaffen, Chef. Wir müssen uns unbedingt mit dieser Dame unterhalten, die solche mysteriösen Anrufe tätigt …«

      Zehn Minuten später, nachdem Émile den Eisenhaken fotografiert und die Zeitung an einem sicheren Ort verstaut hat, stehen die beiden Männer erneut am Zaun des Schlosses, und der Hund bereitet ihnen denselben Empfang wie zuvor.

      Sie klingeln ein Mal, zwei Mal … Auf einmal bemerkt Émile in einem Fenster des ersten Stocks das Gesicht einer Frau, das, vermutlich wegen der beschlagenen Scheibe, ungesund blass zu sein scheint.

      »Sehen Sie, Chef? Man könnte meinen, sie würde uns Zeichen geben.«

      Das stimmt. Aber was will sie mit ihren Zeichen sagen? Ihre Handbewegungen sind schwer zu deuten. Sie scheint auf etwas zu deuten. Auf den Schuppen? Aber sie kommen doch gerade von dort! Auf etwas, was weiter weg ist? Hinter dem Schuppen ist nur der Teich. Und der Teich ist zugefroren. Will sie vielleicht sagen, dass der Gehängte ins Wasser geworfen wurde? Das ist unmöglich. Was dann?

      »Klingeln Sie noch einmal!«

      Oberhalb der Treppe öffnet sich die Tür. Da steht der Hausherr, eine Pfeife im Mund, und betrachtet sie von Weitem. Wird er kommen, um das Gittertor zu öffnen, oder wird er sie einfach stehen lassen? Das wäre für zwei berühmte Detektive recht beschämend.

      Er scheint nachzudenken, zu zögern. Schließlich dreht

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