Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band). Rosa Luxemburg

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auf ein viel reicheres Tatsachenmaterial gestützt als bei Sismondi. In seinem "Ersten socialen Brief" gibt er bereits eine eingehende Schilderung der vier Krisen: 1818; 1819, 1825, 1837-1839 und 1847. Dank der längeren Beobachtung konnte Rodbertus zum Teil einen tieferen Einblick in das Wesen der Krisen gewinnen, als dies seinen Vorläufern möglich war. So formuliert er bereits 1850 die Periodizität der Krisen, und zwar ihre Wiederkehr mit immer kürzeren Intervallen, dafür aber in immer zunehmender Schärfe: "Von Mal zu Mal, im Verhältnis der Zunahme des Reichtums hat sich die Furchtbarkeit dieser Krisen gesteigert, sind die Opfer, die sie verschlingen, größer geworden, Die Krisis von 1818/19, so sehr sie schon den Schrecken des Handels und die Bedenken der Wissenschaft erregte, war verhältnismäßig unbedeutend gegen die von 1825/26. Die letztere schlug dem Kapitalvermögen Englands solche Wunden, daß die berühmtesten Staatswirte die vollständige Ausheilung derselben bezweifelten, sie ward dennoch von der Krisis von 1836/37 übertroffen. Die Krisen von 1839/40 und 1846/47 richteten noch wieder stärkere Verheerungen an als die vorausgehenden." "Indessen nach der bisherigen Erfahrung kehren dieselben in immer kürzeren Intervallen wieder. Von der ersten bis zur dritten Krisis verflossen 18 Jahre, von der zweiten bis zur vierten 14 Jahre, von der dritten bis zur fünften 12 Jahre. Schon mehren sich die Anzeichen eines nahe bevorstehenden neuen Unglücks, obwohl unzweifelhaft das Jahr 1848 dessen Ausbruch aufgehalten hat."108 Weiter macht Rodbertus die Beobachtung, daß der regelmäßige Vorläufer der Krisen ein außerordentlicher Aufschwung der Produktion, große technische Fortschritte der Industrie zu sein pflegen: "... jede einzelne derselben (der Krisen) ist auf eine hervorstechende Periode industrieller Blüte gefolgt."109 Er schildert an der Hand der Geschichte der Krisen, daß "dieselben stets nur nach einer bedeutenden Steigerung der Produktivität eintreten"110 . Rodbertus bekämpft die vulgäre Ansicht, die Krisen nur zu Geld- und Kreditstörungen machen will, und kritisiert die ganze verfehlte Peelsche Banknotengesetzgebung, ausführlich begründet er seine Ansicht in dem Aufsatz "Die Handelskrisen und die Hypothekennoth" aus dem Jahre 1858, wo er u.a. sagt: "Man täuscht sich daher auch, wenn man die Handelskrisen nur als Geld-, Börsen- oder Kreditkrisen auffaßt. So erscheinen sie nur äußerlich bei ihrem ersten Auftreten."111 Bemerkenswert ist auch der scharfe Blick Rodbertus' für die Bedeutung des auswärtigen Handels im Zusammenhang mit dem Problem der Krisen. Genau wie Sismondi konstatiert er die Notwendigkeit der Expansion für die kapitalistische Produktion, zugleich aber die Tatsache, daß damit nur die Dimensionen der periodischen Krisen wachsen müssen. "Der auswärtige Handel", sagt er in "Zur Beleuchtung der Socialen Frage", 2. Teil, 1. Heft, "verhält sich zu den Handelsstockungen nur wie die Wohltätigkeit zum Pauperismus - sie steigern sich zuletzt nur an demselben."112 Und in dem zitierten Aufsatz "Handelskrisen und Hypothekennoth": "Was man zur Verhütung künftiger Ausbrüche 'der Krisen' anwenden kann, ist nur das zweischneidige Mittel einer Erweiterung des auswärtigen Marktes. Das heftige Streben nach solcher Erweiterung ist großenteils nichts als ein aus dem leidenden Organ entspringender krankhafter Reiz. Weil auf dem inneren Markt der eine Faktor, die Produktivität, ewig steigt und der andere, die Kaufkraft, für den größten Teil der Nation sich ewig gleichbleibt, muß der Handel eine gleiche Unbegrenztheit des letzteren auf auswärtigen Märkten zu supplieren suchen. Was diesen Reiz stillt, verzögert wenigstens den neuen Ausbruch des Übels. Jeder neue auswärtige Markt gleicht daher einer Vertagung der sozialen Frage. In derselben Weise wirken Kolonisationen in unangebauten Ländern. Europa erzieht sich einen Markt, wo sonst keiner war. Aber dieses Mittel kajoliert doch im Grunde nur das Übel. Wenn die neuen Märkte ausgefüllt sind - so ist die Frage nur wieder zu ihrem alten Ausgangspunkt zurückgekehrt, dem begrenzten Faktor der Kaufkraft gegenüber dem unbegrenzten Faktor der Produktivität, und der neue Ausbruch ward nur von dem kleineren Markte ferngehalten, um ihn auf dem größeren in noch weiteren Dimensionen und noch heftigeren Zufällen wieder auftreten zu lassen. Und da doch die Erde begrenzt ist und deshalb die Gewinnung neuer Märkte einmal aufhören muß, muß auch die bloße Vertagung der Frage einmal aufhören. Sie muß dereinst definitiv gelöst werden."113 Er hat auch die Anarchie der kapitalistischen Privatproduktion als krisenbildenden Faktor ins Auge gefaßt, allein nur unter anderen Faktoren, nicht als die eigentliche Ursache der Krisen überhaupt, sondern als Quelle einer bestimmten Abart Krisen. So sagt er über den Ausbruch der "Krise" im v. Kirchmannschen "Ort": "Ich will nun nicht behaupten, daß diese Art der Absatzstockung nicht auch in der Wirklichkeit vorkäme. Der Markt ist heute groß, der Bedürfnisse und Produktionszweige sind viele, die Produktivität ist bedeutend, die Anzeichen des Begehrs sind dunkel und trügerisch, die Unternehmer ohne gegenseitige Kenntnis des Umfangs ihrer Produktion - es kann also auch leicht geschehen, daß diese sich in dem Maße eines bestimmten Warenbedarfs täuschen und den Markt damit überfüllen." Rodbertus spricht es auch rundweg heraus, daß diesen Krisen nur eine planmäßige Organisation der Wirtschaft, eine "vollständige Umkehrung" der heutigen Eigentumsverhältnisse. die Vereinigung aller Produktionsmittel "in der Hand einer einzigen gesellschaftlichen Behörde" abhelfen könnte. Er beeilt sich freilich auch hier gleich zur Beruhigung der Gemüter hinzuzufügen, daß er es dahingestellt sein lasse, ob ein solcher Zustand möglich sei, "aber jedenfalls wäre in ihm die einzige Möglichkeit gegeben, diese Art von Absatzstockungen zu verhindern". Er unterstreicht also hier, daß er die Anarchie der heutigen Produktionsweise nur für eine bestimmte partielle Erscheinungsform der Krisen verantwortlich macht.

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