Nackter Glaube. Stuart Murray

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Nackter Glaube - Stuart  Murray Edition Bienenberg

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die eine erfolgreiche Gemeindearbeit versprechen. Wenn er über das Christsein in einer nachchristlichen Welt schreibt, ist dies mit grundlegenden Anfragen an das Wesen und die Gestalt der Kirche verbunden. Daher verspricht dieses Buch, das zwar ursprünglich für den britischen Kontext geschrieben wurde, auch für den deutschsprachigen Raum eine anregende Lektüre. Denn auch bei uns sieht sich die kirchliche Landschaft mit dem tiefgreifenden Wandel vom Christentum hin zum Post-Christentum konfrontiert.

      „Stell dir vor, die Kirchenglocken rufen zum Gottesdienst – und keiner geht hin.“ War dies hierzulande noch vor wenigen Jahrzehnten weitgehend unvorstellbar, sind spärlich besetzte Kirchenbänke mittlerweile eine sonntägliche Realität. Vielerorts steht die Kirche zwar noch immer mitten im Dorf, doch landauf, landab ist der einstige gesellschaftliche Lebensmittelpunkt für viele Menschen bloß noch ein Fall für die „besonderen Fälle“ des Lebens, wie Taufe, Konfirmation, Hochzeit oder Beerdigung. Natürlich ließen sich nun an dieser Stelle durchaus Beispiele wachsender und blühender Gemeinden aufzählen. Dennoch wird letztlich niemand ernsthaft leugnen, dass sich der Einfluss der christlichen Kirchen auf das gesellschaftliche Leben massiv verringert hat. Ja noch mehr: Es ist nicht übertrieben, vom Ende des Christentums zu reden. Dies meint freilich nicht, dass die spezifisch christlichen Glaubensinhalte für unsere Gesellschaft jegliche Bedeutung verloren haben. Und noch viel weniger ist damit gesagt, dass die Menschen heute nicht mehr an spirituellen Fragen interessiert sind. Was sich jedoch auflöst, ist die umfassende Dominanz der christlichen Kultur, die Kirche und Staat über Jahrhunderte nicht zuletzt mit Hilfe von Macht, Geld und Gewalt aufgebaut haben.

      Der Begriff „Christentum“ steht in diesem Buch daher für eine historische Epoche, in der sämtliche Bereiche des Lebens christlich umhüllt waren und Menschen darin beinahe ausnahmslos zu Christen „gemacht“ wurden. Trugen Kirche und Staat in dieser Zeit ganz selbstverständlich dasselbe Gewand, emanzipierte sich die Aufklärung von dieser Uniformität und gab dem „christlichen“ Abendland erste entscheidende Anstöße, sich seiner kulturell-religiösen Kleider nach und nach zu entledigen. Offensichtlich mit Erfolg, denn waren das Christentum und seine Institutionen nach dem Aufstieg zur Staatsreligion jahrhundertelang die prägende Kraft für Gesellschaft und Kultur, ist heute der christliche Glaube bloß noch ein Sinnangebot auf dem Markt der religiösen Möglichkeiten. Die Selbstverständlichkeit des Christseins ist damit in unserer nachchristlichen Gesellschaft ebenso dahin, wie jene Privilegien, die Angehörige einer dominierenden Staatsreligion gerne in Anspruch nehmen. Zunehmend an den gesellschaftlichen Rand gedrängt, ist das Christsein nunmehr auf seinen nackten Glauben zurückgeworfen.

      Für die Kirche, die während rund 1500 Jahren die abendländische Kultur maßgeblich eingekleidet hat, ist diese Nacktheit ungewohnt und irritierend. Es erstaunt daher nicht, dass mancherorts der Ruf nach den alten Kleidern zu vernehmen ist, die den verlorenen Einfluss des Christentums zurückbringen mögen. Stuart Murray zählt nicht zu jenen Stimmen. Im Gegenteil. Den Niedergang der christlichen Vorherrschaft hält er für eine begrüßenswerte Entwicklung. Natürlich freut er sich nicht darüber, dass viele Menschen dem christlichen Glauben wenig Sinn und Orientierung für das eigene Leben abgewinnen können. Aber im Verlust der gesellschaftlichen Machtposition sieht er die Möglichkeit, dass Christsein wieder „jesusähnlicher“ werden kann. Die gegenwärtige Nacktheit der Kirche ist demnach nicht zwingend eine Demütigung, sondern verweist Christen gerade auf ihre ursprüngliche Bestimmung. Denn die Kraft des christlichen Glaubens ortet Stuart Murray nicht in der im Christentum üblichen Allianz von Kirche und politischer Elite, sondern in einem mutigen und doch verletzlichen Christsein, das sich konsequent am Leben Jesu orientiert.

      Wer sich heutzutage mit kirchenkritischen Menschen unterhält, merkt jedoch schnell: Die Schatten des Christentums sind noch immer lang. Die Gleichsetzung der Kirche mit Gewalt, Reichtum und Macht ist weit verbreitet und vielfach ein Argument gegen jegliche ernsthafte Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben. Stuart Murray nimmt dies ernst und will zeigen, dass Kirche anders sein kann – ja, anders sein muss. Als Inspirationsquelle und Gesprächspartner dient ihm dabei die täuferisch-mennonitische Tradition, die ihren Ursprung in der Reformationsbewegung des 16. Jahrhunderts hat. Einige Weggefährten des Zürcher Reformators Huldrych Zwingli kritisierten bereits damals die in ihren Augen unheilvolle Allianz von Kirche und Obrigkeit. Mit ihrem Pochen auf eine freiwillige Kirchenmitgliedschaft, ihrem Streben nach einer macht- und gewaltlosen Kirche sowie ihrer Verweigerung von Eid und Kriegsdienst provozierten sie einst den Zorn der Mächtigen. Was damals harte Repressionen durch Kirche und Staat nach sich zog, ist nun nach Stuart Murray auch für das Christsein in einer nachchristlichen Welt geboten. Dass er just in der täuferisch-mennonitischen Bewegung wegweisende Impulse findet, ist dabei alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Zum einen spielt sich das Täufertum am Rande der kirchengeschichtlichen Hauptstränge ab und fristet dort ein oft derart unbekanntes Dasein, dass es sich bestenfalls als interessantes Forschungsobjekt für Historiker und Theologen eignet. Zum anderen ist Stuart Murray selbst kein Mennonit, sondern hatte als Baptist lange Zeit keinerlei Berührungspunkte mit der täuferisch-mennonitischen Tradition.

      Wenn er in diesem Buch von der bleibenden Bedeutung dieser Art des Christseins schreibt, tut er dies daher nicht mit der Absicht, seine Leserinnen und Leser von der Richtigkeit oder gar der Überlegenheit seiner Glaubenstradition zu überzeugen. Wie er mit dem englischen Originaltitel des Buches – The Naked Anabaptist – andeutet, geht es ihm um freigelegte Glaubensinhalte jenseits bestimmter traditioneller und konfessioneller Formen. Er betreibt denn auch nicht eine Glorifizierung des historischen Täufertums, wenngleich das Buch diesbezüglich an manchen Stellen etwas idealisierend wirkt. Vielmehr versucht der Autor aus einer täuferischen Perspektive den nackten Kern des Christseins zu beschreiben und damit zu zeigen, was diese Überzeugungen für den Glauben heute bedeuten – ganz gleich, in welchem Kontext. Dieses Anliegen teilt Stuart Murray in Großbritannien seit einigen Jahren mit Christen, die unterschiedlichen Denominationen angehören und sich im Anabaptist Network (www.anabaptistnetwork.com) zusammengefunden haben. Das Buch ist denn auch ein Resultat der gemeinsamen theologischen Reflexion innerhalb dieses Netzwerkes und erläutert im Wesentlichen sieben daraus hervorgegangene Grundüberzeugungen für ein Christsein in einer nachchristlichen Welt.

      Auch wenn die Begriffe „Täufer“ oder „täuferisch-mennonitisch“ in Kontinentaleuropa längst nicht so positiv besetzt sind, wie etwa das englische „anabaptist“ im angelsächsischen Raum, rückt das theologische Erbe dieser Tradition auch hier bei uns verstärkt ins Bewusstsein. Dazu beigetragen haben in den vergangenen Jahren sicherlich die vielen Versöhnungsfeiern und Dialoge zwischen Mennoniten und unterschiedlichsten Konfessionen. Weiter folgte der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) mit der Dekade zur Überwindung von Gewalt (2001 – 2010) einer mennonitischen Initiative und auch im gegenwärtigen Diskurs rund um eine missionale Theologie und Praxis werden täuferische Anliegen verstärkt aufgegriffen. Kurz: Kaum je zuvor wurden diese theologischen Überzeugungen an so unterschiedlichen Orten konstruktiv aufgegriffen und verarbeitet. Die Zeit scheint dafür reif zu sein.

      Als Theologisches Seminar Bienenberg fördern wir diese Auseinandersetzung mit der Geschichte und Theologie des Täufertums und freuen uns daher über dieses Buch. Die Lektüre sei einerseits Mitgliedern täuferisch-mennonitischer Gemeinden empfohlen, die ihre Gemeinderealität mitunter eher als verstaubt und traditionalistisch empfinden. Nackter Glaube verweist sie in einer frischen Sprache auf die innovative und dynamische Kraft, die ihrer eigenen Tradition innewohnt und vermag hoffentlich die mancherorts unter der Asche glimmende Glut für ein mutiges Christsein in einer nachchristlichen Welt neu zu entfachen. Andererseits dürfen hier aber auch nicht-mennonitische Leserinnen und Leser inspirierende Gedanken erwarten, wie die folgenden Zeilen von Shane Claiborne zu diesem Buch deutlich machen: „In einer Welt, die sich der Leere des Materialismus und der Hässlichkeit des Militarismus zunehmend bewusst wird, beginnen die Täufer immer interessanter zu werden. Täuferische Logik wurzelt in der Weisheit vom Kreuz Jesu, die die Weisheit der Welt infrage stellt. Es scheint, die Welt ist bereit für eine neue täuferische Bewegung, und Nackter Glaube könnte der Funke sein, dieses Feuer zu entzünden.“

      Unser

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