No such Future. Friederike Müller-Friemauth

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No such Future - Friederike Müller-Friemauth Dein Business

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zukunftsforscherische Methoden das bearbeiteten, was vor uns liegt, ab einer zeitlichen Reichweite von etwa fünf Jahren, beschäftigte sich Trendforschung als der kleine, gegenwartsnähere Zweig mit Kommendem bis zu einer zeitlichen Reichweite von höchstens zwei bis drei Jahren. Sie registrierte und deutete also in Ansätzen bereits erkennbare Entwicklungen. Daher blieb sie prognostisch bescheiden und stellte den Blick scharf auf interessante neue Fluchtpunkte: Phänomene, die sich aus »frühen Anzeichen« für neue Entwicklungen sehr wahrscheinlich ergeben könnten.

      So verstandene Trendforschung war und ist daher von ihrem Grundgedanken her immer »gerichtet« oder »gerahmt«. Sie steht in Bezug zu einem denkbaren Endpunkt, etwa einer Fragestellung. Einem Interesse. Einem Fokus. Einem Ziel. Auf jeden Fall steht sie: »In Hinblick auf«. Denn Trends sind nicht offen. Das als wahrscheinlich prognostizierte Ziel einer neuen Entwicklung ist zumeist im Trend-Label abgebildet. Modell: Zielscheibe. Trendbeschreibungen – im seriösen Sinn – sind immer gedacht als Darlegungen über neue Entwicklungen »mit Perspektive auf etwas«.

      Methodisch betrachtet sind Trends

      Hilfsmittel der Zukunftsforschung.

      Sie eröffnen neue Blickwinkel und Handlungsmöglichkeiten, indem sie erste »schwache Signale« auf den Punkt bringen, diese Weak Signals innovativ bündeln. Ja gut, und leise Töne der »Nachrichten aus der Zukunft« auch mal überbetonen, überzeichnen. Damit wir auch mitbekommen, welche Spielräume sich auftun – und welche möglichen Abseits-Stellungen …

      Aber: Ohne klare Zielgerade und Fragestellung (Warum? Wozu? Und: Wer zum Teufel will das überhaupt wissen?) flottieren Trends frei im Raum und auf dem prognostischen Spielfeld pausenlos ins Abseits. Sie stehen dann in keinem Passweg, zu nichts und niemandem. Degenerieren zu Kuriositätensammlungen, Marke: »Gut, dass wir darüber gesprochen haben.« Und sind zu allermeist prognostisch völlig nutzlos.

      State oft the Art: Neues aus der Anstalt

      Leider ist bei den medial gehypten, für die Branche charakteristischen Trendreportagen der letzten Jahre genau das der Fall. Präziser: seit den sogenannten »postmodernen« 1990er-Jahren. Ab da mussten wir Zeugen und Leser sein von Trendbüchern, -magazinen und -reports, die ohne jedes perspektivische »Framing« in bunter Folge Auffälliges, Kurioses, Seltsames oder was auch immer aus New York, Witten-Herdecke, Rio, Hamm-Pelkum, Tokio oder Friedrichshafen aufpickten und aneinanderreihten. Motto: Alles so schön bunt hier! Ich kann mich gar nicht entscheiden! Ständig gabs Neues aus den angesagten Szene-Metropolen dieser Welt – locker-fluffig präsentiert und immer mit einem lustigen Label versehen. Mit einem Nutzwert, der oft so unterirdisch war wie viele dieser Trends selbst. Und das alles in monatlichem Turnus gut honoriert auf die Konzern-Tische informationshungriger Entscheider.

      Für den überwiegenden Teil der KMU waren derartige Trendreportagen allerdings immer schon bestenfalls unterhaltsam. Und in der gegenwärtigen Zeit multipler Dauerkrisen ist die Toleranzschwelle für solch talmiartiges Trendgeplänkel im Klein- und Mittelstand noch weiter gesunken. Oberflächlichkeit, der Fokus auf Merkwürdigkeiten und ein nervtötender, pseudo-globaler Denglisch-Sprech: Manche KMU-Entscheider halten diese (Abart von) Zukunftsforschung schlicht für entbehrlich.

      Marketing als »Gottesdienst am Kunden«

      Erinnern Sie sich noch an Cocooning, den Trend der US-Forscherin Faith Popcorn aus den 1980er-Jahren? An den Wellness-Hype? Das Kult-Marketing? Die Tage des Kundendialogs seien gezählt, hieß es bei Letzterem. Marken würden zu Mythen, Logos zu Hostien. Das moderne Marketing würde religiöse Werte durch Waren-Ikonen ersetzen. Frisch recycled heißt der Kult des Sozialen heute bei Norbert Bolz Sociopleasure – ritualisiertes Marketing als »Gottesdienst …«. Soll heißen: alter Wein in neuen Schläuchen.

      Dann aber So! Oder?

      Dass die Aufnahmebereitschaft gegenüber solchen Trendreportagen merklich nachließ und ein Sammelsurium an Freak-Art noch keinen Aussagewert über die Zukunft hat, erkannte die Branche irgendwann dann auch einmal selbst. Und die Trendreporter reagierten.

      Entgrenzter Trendbegriff

      Fortan geht der Trend zu xy-Trends. Der ehedem noch einigermaßen übersichtlich auf Zeitspannen von zwei bis drei Jahren bezogene Trendbegriff wurde – zeitlich-sachlich-sozial – aufgepeppt. Anything goes! Und was nicht passt, wird passend gemacht. Unter dem aktuellen Begriffs-Rettungsschirm »Trend« wird heute so Schillerndes gehandelt wie Zivilisationen, technologische Zyklen, Konjunkturen, Marktphasen, Modewellen oder Lifestyles und einiges mehr. »In einer groben Vereinfachung (!) lässt sich der meta-historische Prozess als eine Schichtung von zyklischen Schwingungen verstehen, in denen die einzelnen Ebenen jeweils verschiedene Zeit-Schwünge ausführen«.6

      »Verkompliziert« (wenn das überhaupt noch möglich ist) wurden diese Trendschwünge zusätzlich durch Bezüge auf verschiedene Trendebenen. Beispielsweise auf Mikrotrends (die sind kleiner), Makrotrends (die sind größer), Megatrends (die sind erheblich viel größer und vor allem lang anhaltender) sowie Metatrends (Trendbündel von mehreren höchst relevanten und grundlegenden Entwicklungen). Manche sprechen zudem noch von Schlüsseltrends (die sind, das sollte jetzt wohl klar sein, besonders wichtig). Und, ach ja: Jüngst wollen einige der Trendreporter sogar Minitrends7 gesichtet haben … Sehn so Sieger aus?

      Zumindest ahnt man, warum so mancher KM-Unternehmer um diese Form von Trendforschung einen Bogen macht: Bei Megatrends wie Die Bedeutung von Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft nimmt zu, Globalisierung bei Regionalisierung, Konkurrenz der Mega-Cities oder Die BRICS-Staaten kommen (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) ist die Perspektive so weit – 50 Jahre und mehr Relevanz –, dass irgendwie jeder betroffen ist. Aber was heißt das schon? Dass die Welt sich ändert? Das wissen Unternehmer. Bloß: Wo der Bezug zum eigenen Geschäft dabei liegen soll, bleibt oft ein Rätsel.

      Kritiker dieser Form von Trendforschung munkeln, diese hätte mit ihrem bedeutungsschwanger aufgeladenen filibusterischen Geschwurbel das Perpetuum mobile erfunden. Was das ist? Sie selbst! Eine eigene Zukunfts-Denke. Ein eigener Zukunfts-Sprech – mit dem sie menschliche Universal-Bedürfnisse in den Mähdrescher der jeweiligen Zeitläufte steckte und aus dem dabei rauskommenden, gehäckselten, ewigen (bloß ziemlich uninspiriertem) Stroh funkelndes Gold spintisierte. Über diesem Rumpelstilzchen-Geschäftsmodell hat die Branche allerdings den Boden unter den Füßen (sprich: ihr methodisches Fundament) verloren. Und noch dazu einen Haufen Glaubwürdigkeit.

      Mikro / Makro / Meta / Mega

      Am Anfang stehen Weak Signals: schwache Signale für einen möglichen Trend. Diese haben inzwischen Zuwachs bekommen – von den Emerging Issues. Diese sind zwar mit schwachen Signalen »verknüpft«. Während jedoch die schwachen Signale »meist Einzelphänomene thematisieren, führen Emerging Issues Trends und schwache Signale zusammen und weisen auf strukturelle Veränderungen hin«. Aber waren schwache Signale nicht eigentlich Hinweise auf Trends? Seis drum. Emerging Issues stellen »Muster« dar – vielleicht so etwas wie eine Mikro-Trend-Anballung? Obwohl: Auch »Megatrends wie die Globalisierung oder der Übergang zur Wissensgesellschaft bringen kontinuierlich neue Emerging Issues hervor. Viele Emerging Issues speisen sich auch aus dem Zusammenspiel mehrerer Trends«.8

      Na, Mensch – dann ist doch alles klar!

      Neue Bescheidenheit

      Noch einmal stellte sich die exzentrische Trendforschung dem schärfer werdenden Gegenwind. Diesmal allerdings nicht so hemmungslos innovativ wie beim maßlosen Aufblasen des Trendbegriffs. Die Tonlage wird kleinlauter – man ist offensichtlich mit Defensivarbeit beschäftigt.

      Rückzugsgefechte

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