Verkaufen in digitalen Zeiten. Lars Schäfer
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Was das für die Unternehmen und deren Verkäufer bedeutete, ist klar: Es wurde mit immer härteren Bandagen um die »sauer verdiente Mark« der Kunden gekämpft, das sogenannte Hardselling wurde zum bevorzugten Verkaufsstil. Und es war eine aus der Not geborene, aber dennoch relativ erfolgreiche Strategie: Die Kunden waren natürlich längst nicht so aufgeklärt wie heutzutage, es gab keine solch fantastischen Informationsquellen wie zum Beispiel das Internet, die Verkäufer hatten so einen immensen Wissensvorsprung. Dies wurde leider oft ausgenutzt, um auf Teufel komm raus Umsatz zu generieren.
Mitte der 1980er-Jahre ging es endlich wieder aufwärts, die Wirtschaft boomte, die Zeit der Yuppies war gekommen, der young urban professionals, die sich durch finanziellen Erfolg und eine ausgesprochene Konsumhaltung auszeichneten. Plötzlich war alles möglich, viele erfolgreiche Unternehmer und Unternehmen hatten in dieser Zeit ihren Ursprung, die Menschen konnten sich endlich wieder etwas leisten: Es entstand ein regelrechter Markenwahn, man identifizierte sich mit teuren Brands. Dieser Trend setzte sich mit dem Boom der Computerbranche und dem Erfolg der New Economy (die Entwicklung der Wirtschaft hin zu Dienstleistungen, besonders zu webbasierten Diensten) fort. Eines aber veränderte sich langsam, aber stetig: Das Vertrauen der Kunden in die Verkäufer ließ immer mehr nach, ob dies nun Geschäfts- oder Privatkunden waren. Eine Folge des Hardselling der 1970er- und 1980er-Jahre war die Kaufreue: Viele Kunden hatten sich zu oft zu sehr verleiten lassen und Produkte gekauft, die sie eigentlich gar nicht benötigten. Die Lager waren bis oben hin vollgepackt, nur weil der Preis so super war. Irgendwann jedoch ist nun mal jeder Markt zumindest für einen bestimmten Zeitraum gesättigt, sodass die Unternehmen und ihre Verkäufer fast schon gezwungen waren, den Druck auf die Kunden zu erhöhen. Da die Kunden dies aber nicht mehr so einfach mit sich machen ließen, trat immer öfter der beratende Verkäufer in den Vordergrund, also ein Verkäufer, der – zumindest meiner Meinung nach – diese Berufsbezeichnung kaum mehr verdiente, weil er zu wenig abschlussorientiert agierte, sondern, salopp formuliert, mit dem Kunden nur noch Kataloge durchblätterte. Alles halb so wild zu diesem Zeitpunkt, denn irgendwie liefen die Geschäfte ja doch noch ganz ordentlich weiter.
Um unseren fiktiven 75-jährigen Protagonisten vom Anfang des Kapitels noch einmal ins Spiel zu bringen: Empfinden Sie, lieber Leser, diese Zeiten als positiv? Wenn Sie etwas davon mitbekommen haben: War das wirklich so toll und besser als heute? Wenn Sie gerade frisch im Verkauf sind: Hätten Sie lieber damals verkauft? Ich habe als aktiver Verkäufer die 1990er-Jahre miterlebt, seit 2004 aber bin ich selbstständig tätig und verkaufe vor allem mich selbst, meine Konzepte, meine Vorträge, Trainings und Bücher: Es gab und gibt nicht die optimale Zeit für Verkäufer, wenn wir einmal von einem Wirtschaftsboom absehen, wie wir ihn Mitte der 1980er-Jahre erlebt haben. Entscheidend sind immer Kompetenzen wie Anpassungsbereitschaft und Flexibilität. Diese Eigenschaften haben erfolgreiche Geschäftsleute und auch gute Verkäufer schon immer ausgezeichnet, und das wird auch immer so bleiben. Und ja, es wurde mehr von Mensch zu Mensch geredet, allerdings wohl nur deshalb, weil es keine E-Mails, SMS oder andere Messaging-Dienste gab. Das einzig halbwegs digitale Kommunikationsmittel Ende der 1980er-Jahre war das Faxgerät: Es hatte die Größe von vier zusammengestellten Zalando-Kartons und kostete meinen damaligen Chef 7000 (!!) Deutsche Mark, umgerechnet fast 3600 Euro. Auch ich habe die Liebe zum telefonischen Kundenkontakt erst entdeckt, als es Tastentelefone gab: In der Zeit, in der Sie eine elfstellige Nummer mit der Wählscheibe gedreht hatten, hätte Ihr Kunde in der heutigen Zeit bereits längst wieder aufgelegt. Der Mensch neigt häufig zur positiven Verklärung der Vergangenheit und schaut der Zukunft ebenso oft skeptisch ins Auge. Aber früher war halt doch nicht alles besser …
2000 bis heute: Der Siegeszug des Internets
Streng genommen ist die Jahreszahl 2000 nicht ganz korrekt in diesem Zusammenhang, dort müsste eigentlich 1994, 1995 oder 1998 stehen: In diesen Jahren wurden der aufgeführten Reihenfolge nach die Unternehmen Amazon, eBay und Google gegründet. Und im Jahre 2004 startete Facebook seine bislang grandiose Karriere. Was jene drei Unternehmen, zusammen mit einigen anderen, bewirkt haben, fassen wir heute gerne unter dem Begriff »disruptiv« zusammen: Gemeint ist eine Innovation, die mit gegenwärtigen Regeln bricht und die bestehenden Technologien oder Produkte und Dienstleistungen zum Teil vollständig verdrängt. Die großen Drei sorgten dafür, dass neue Märkte entstanden. Niemals zuvor konnte man sein altes Gerümpel aus dem Keller so einfach und gewinnbringend wieder zu Geld machen (eBay), niemals zuvor war es so einfach, ein Buch zu kaufen (ja, Amazon war einmal nur ein Buchhändler), und niemals zuvor war es so einfach, auf so gut wie jede Frage in Sekundenbruchteilen eine Antwort zu bekommen, auch wenn es vor Google schon andere Suchmaschinen wie zum Beispiel Yahoo, Altavista oder Lycos gab. Und auch hier die Anmerkung: Google war einmal nur eine Suchmaschine.
Die Kunden beziehungsweise die Verbraucher fanden das zunächst klasse, allerdings brachte die erste Euphorie auch einige unschöne Begleiterscheinungen mit sich: Die Anonymität des Internets öffnete Betrügern Tür und Tor, und so war es wenig verwunderlich, dass die Menschen immer skeptischer und misstrauischer wurden. Allein die Tatsache, dass wir auch heute noch täglich unzählige Werbemails erhalten, wenn wir nicht aufpassen, sorgt immer noch für Unmut; dabei ist eine Spam-Mail, solange sich kein Virus darin befindet, doch nichts anderes als die Reklame, die sich früher im richtigen Briefkasten befand.
Der Einzelhandel allerdings bekam teilweise sehr schmerzhaft diese neue Konkurrenz zu spüren, die genau an den Schwächen ansetzte, von denen man jahrelang glaubte, sie müssten nicht bekämpft werden. Denn es lief ja auch so, warum also ohne Not den Kundenservice erhöhen? Es wurde oft nach dem Motto gehandelt: »Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss«. Doch das Erstaunen war groß, als man sich anscheinend urplötzlich einer starken bis übermächtigen Konkurrenz ausgesetzt sah.
Im Geschäftskundenbereich tat sich in dieser Beziehung noch relativ wenig: Alles blieb beim Alten, von Digitalität keine wirkliche Spur, obwohl sich natürlich die meisten Unternehmen den neuen Gegebenheiten anpassten und nach und nach moderner wurden. Was sich allerdings stark veränderte, war das Informationsverhalten der Interessenten: Durch Google und Social Media und auch durch das Xing-Netzwerk hatten potenzielle Kunden auf einmal die Möglichkeit, sich vorab dezidiert über einen möglichen Lieferanten und deren Mitarbeiter zu informieren und sich ein genaues Bild von dem zu machen, was sie erwarten könnte.
Als Unternehmer und auch als Verkäufer wurde man immer vergleichbarer, da die Kunden sich jederzeit im Internet informieren konnten und das auch vermehrt taten und natürlich immer noch tun. Allerdings prasseln mittlerweile so viele Informationen auf die Interessenten und auf uns alle ein, dass es eine immer größere Herausforderung ist, den Überblick zu bewahren. Das Überangebot an Wissen führt häufig zu Unsicherheit, bis hin zum bereits erwähnten Misstrauen. Die Fähigkeit, Vertrauen zu erwecken und glaubwürdig beim Kunden anzukommen, wurde für die Verkäufer immer wichtiger und wird in den kommenden Jahren eine existenzielle Grundlage für den dauerhaften Erfolg bilden. Was ebenfalls auffällt:
Viele Kunden – ob Konsumenten oder Geschäftskunden – sehnen sich bereits jetzt immer häufiger nach persönlicher Nähe, nach einer Beratung durch einen richtigen Menschen, und das, obwohl der Prozess der Digitalisierung und Automatisierung gerade erst angefangen hat. Die Kunden suchen nach dem Gesicht hinter der Computer-Maske.
Heute: Das Internet der Dinge
Unter Internet der Dinge versteht man die Vernetzung von Gegenständen mit dem Internet. Nach Ansicht vieler Experten wird der klassische Computer, so wie wir ihn kennen, nach und nach verschwinden und durch intelligente Gegenstände ersetzt werden. Dafür gibt es bereits jetzt Beispiele:
•digitalisierte Kopiergeräte, die den