Umbruch. Paul U. Unschuld
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Umbruch
Deutschlands Weg in eine neue Identität
Paul U. Unschuld
ISBN EPUB: 978-3-96285-160-6
ISBN Print: 978-3-96285-040-1
© Salier Verlag, Leipzig 2021
Satz: InDesign im Verlag
Umschlaggestaltung: Christine Friedrich-Leye
Herstellung: Salier Verlag, Bosestr. 5, 04109 Leipzig
«Jetzt muß zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehört hat.»
Joachim Gauck, 3. Oktober 2015
«Wer sich vorstellt, quasi als imaginierter Vertreter eines Weltbürgertums alle Grenzen des Nationalstaates hinwegzunehmen, überfordert nicht nur die materiellen, territorialen und sozialen Möglichkeiten eines jeden Staates, sondern auch die psychischen Möglichkeiten seiner Bürger.»
Joachim Gauck, 31. Januar 2018
Inhalt
5. Die Türkei – zurück zur einzelnen Gemeinschaft
6. EU als europaweite Vergesellschaftung
7. Das Textil
9. Der Nationalstaat: Die Geister, die er rief
10. Volksgemeinschaft, Volkskörper
12. Alternative zu Deutschland
14. Aussteiger
16. Die Gesellschaft der Vielfalt
Vorwort
Familie ist der engste Zusammenhalt von Menschen; er ist naturgegeben. Gemeinschaft gründet auf gegenseitigem Vertrauen. Eine Gesellschaft ist durch den aus Vernunft erwachsenen dauerhaften Umgang mit Fremden gekennzeichnet. Was aber ist eine «Nation»? Was ist ein «Volk» innerhalb staatlich vorgegebener Grenzen? Kann ein «Volk» eine Gemeinschaft bilden? Oder ist die Bevölkerung eines Landes bestenfalls eine Gesellschaft?
Eine Familie folgt anderen Regeln als eine Gemeinschaft. Eine Gesellschaft folgt anderen Regeln als eine Gemeinschaft. Von einem «Volk» als Familie zu sprechen, würde das Bild der Familie überstrapazieren. Aber von einer «Volksgemeinschaft» ist in der Vergangenheit die Rede gewesen. Dieser Vergleich beinhaltete, mehr oder weniger explizit, den Anspruch, in einer solchen Volksgemeinschaft sei keiner dem anderen ein Fremder, in einer solchen Volksgemeinschaft existiere gegenseitiges Vertrauen und – als sichere Konsequenz – auch Solidarität.
Tatsächlich war das Bild der «Volksgemeinschaft» von Anfang an eine idealisierende Wunschvorstellung, zumindest für ein so künstliches Gebilde wie das «deutsche Volk», genauer gesagt: die Bevölkerung in Deutschland.
Die Bevölkerung in Deutschland bildet eine «Gesellschaft». In Deutschland leben innerhalb geografisch bestimmter Grenzen unterschiedlichste Bevölkerungsteile, die sich vielfach einander fremd sind. Es sind Individuen, die in Familien oder Gemeinschaften seit eh und je hier leben oder aber erst vor kurzem nach Deutschland zugezogen sind. Sie sind unterschiedlichen Weltanschauungen und Kulturen verbunden. Sie sind durch eine Verfassung, durch Gesetze und aus sonstigen Gründen gezwungen, miteinander auszukommen. Dieses Miteinander-Auskommen ist ein andauernder Balanceakt. Der Blick in die eigene Geschichte und in die Vergangenheit und Gegenwart anderer Staaten zeigt, wie prekär der Zustand eines Miteinander-Auskommens stets ist und welche Gruppeninteressen ihn dauerhaft gefährden.
Dieses Buch handelt von der Belastungsprobe, der sich sowohl die Bevölkerung als auch die Politiker Deutschlands seit geraumer Zeit ausgesetzt sehen. Es geht um die Frage, wieviel Heterogenität, wieviel ethnische und kulturelle Vielfalt eine Gesellschaft verkraften kann, ohne auseinanderzubrechen.
Viele Faktoren spielen hier eine entscheidende Rolle. Dazu zählt in Deutschland, sicherlich mehr als in anderen Ländern, der dunkle Schatten der Geschichte, der immer noch jede gesellschaftliche Entwicklung und Entscheidung bewusst oder unbewusst beeinflusst und auf unabsehbare Zukunft