Perry Rhodan 2940: Der Putsch. Uwe Anton
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Die eine berichtete wohlwollend, die andere abwertend. Sie war gut in ihrem Job; solche Manipulationen waren ein Klacks.
Aber welche sollte sie nach Gäon senden?
Ford hatte sie fast überzeugt. Fast ...
Hat Poroi überlebt?, fragte sie sich dann. Der Gedanke kam wie aus heiterem Himmel und ließ keinen Platz für Dannan und Ford und die Wahrheit, die sie in den nächsten Stunden oder Tagen sowieso nicht erfahren würde. Der Mnemo-Schock kämpfte sich nach oben, die grausamen, quälenden Bilder von Tod und Vernichtung öffneten sich vor ihr, drohten sie hineinzuziehen in einen Sog aus Leid und Schmerz.
Nein! Ich darf mich dem nicht hingeben! Wer wusste schon, ob Perry Rhodan das nicht alles arrangiert hatte? Hatte Ford wirklich recht?
Ford, Ford, Ford ... Er hatte ihr Weltbild ins Wanken gebracht.
Sie spürte, wie Hitze in ihr emporstieg, ihr Gesicht durchdrang, wie ihr der Schweiß ausbrach und ihr Puls plötzlich raste, ihr Blutdruck ihren Schädel platzen zu lassen drohte.
Und dann ... dann war sie wieder nur nervös. Professionell nervös. Ungewohnt nervös.
Die Zeit raste. Sie musste sich zusammenreißen, schließlich hatte sie einen Job zu erledigen. Die Anspannung ergriff sie erneut und ließ sie nicht mehr los. Von dem kleinen Konferenzraum, den Perry Rhodan ihr zugewiesen hatte, hatte sie gute Sicht auf Teile der Zentrale der RAS TSCHUBAI. Dort hing, erstarrt in der Zeit, die dreidimensionale Darstellung des Thoogondus Ruogoovid.
Er war der Kommandant des soeben eingetroffenen Geschwaders der Thoogondu, das unter anderem fünfzig Pentasphären umfasste. Dann werden die Waffen sprechen müssen, hatte er gesagt, und seine Drohung hing noch in der Luft und machte ihr Angst.
Würde er tatsächlich die RAS TSCHUBAI attackieren? Die Thoogondu wussten nicht, worauf sie sich mit einem Angriff einließen. Auch sie selbst wusste es nicht. Einige sicherheitsrelevante Bereiche des Schiffs hatte sie nicht betreten dürfen.
Aber ihr Instinkt als gute Journalistin verriet ihr, dass das Schiff aus der Milchstraße einen Angriff wahrscheinlich nicht fürchten musste. Ganz im Gegenteil. Sie machte sich eher Sorgen darüber, was eine Eskalation des Konflikts für ihre Heimatwelt bedeuten würde.
Wo blieb die Verbindung mit Gäon? Eigentlich hatte sie für die Übertragung der Reportage und des Interviews, das ihr Haussender mit ihr führen wollte, ihr Multikom benutzen wollen, genauer gesagt eine seiner Spezialformen, die man mit einem Raumanzugfunk vergleichen konnte und die eine große Reichweite hatte.
Aber welcher Zauber-Funksender sollte bei 200.000 Kilometern Entfernung und interplanetaren Geschwindigkeiten durch 1500 Meter Spezialstahl, Hyperaggregate, Ringenergiespeicher und nicht zuletzt einen aktivierten Paratronschirm eine Verbindung mit einem Empfänger auf einem Planeten herstellen können?
Also lief das Gespräch über die Funkzentrale der RAS TSCHUBAI. Sie hatte Shari einen festen Kanal zugewiesen, der nicht überwacht wurde, wie man ihr versicherte.
Wieder etwas, das nicht zum Bild des Wanderer-Schergen passte. Der Admiral hätte in derselben Situation von ihr die Vorlage jedes zu sendenden Worts verlangt. Und auf nicht unerheblichen Korrekturen bestanden ...
Sie warf erneut einen Blick auf das Holo, das Kopf und Schultern von Ruogoovid zeigte. Er war ein älterer Thoogondu mit einer Linie verwachsener Knochenplatten am Hals, die auf eine frühere schwere Verletzung hindeuteten. Sein schlanker Kopf wies kaum sichtbare Adermuster auf, das Gesicht wurde von vergleichsweise schmalen Lippen geprägt. Als er seine Drohung ausgesprochen hatte, hatte seine Stimme kratzig geklungen, genau wie ihre eigene.
Aber bei ihr ging das auf eine Verdickung der Nasenscheidewand zurück, die sie nie hatte operieren lassen, weil ihre Stimme zu ihrem Markenzeichen geworden war. Jeder, der sie hörte, wusste sofort, mit wem er es zu tun hatte.
Und sie hatte bemerkt, dass der Kommandant der gondischen Westarm-Flotte oft die Daumen einer Hand in schnellem Takt aneinandertippte, wenn er auf etwas wartete oder nachdachte. Seltsam, was einer ausgebildeten Journalistin alles auffiel. Ein andere Gäone hätte wohl gar nicht darauf geachtet.
Es war ein Fehler gewesen, Ruogoovids Gesicht noch einmal in aller Ruhe zu betrachten. Ihr Unbehagen wurde stärker. Warum hatte Rhodan das verdammte Holo nicht ausgeschaltet? Ein kleiner psychologischer Trick? Wollte er die Zentralebesatzung der RAS TSCHUBAI damit permanent darin erinnern, welche Gefahr dem Schiff drohte?
Sie bezweifelte, dass das notwendig war.
Verdammt, wo bleibt die Verbindung? Was ist los auf Gäon? Wie geht es meinen Eltern?
Als hätte es ihr sehnliches Flehen erhört, bildete sich vor ihr ein Holo. ANANSI unterstützte sie bei der Übertragung. Wahrscheinlich nicht aus reiner Freundlichkeit. Das Zweite Solare Imperium war in Sachen Überwachung schließlich auch kein Lämmchen, und sie vermutete, dass der Bordrechner der RAS TSCHUBAI ihren Funk kontrollierte. Sollte sie sensible Daten transferieren, würde ANANSI einschreiten und die Verbindung sofort unterbrechen.
Aber sie hatte hoffentlich nichts zu befürchten. Sie hatte ANANSI mitgeteilt, dass sie die Reportage senden würde. Der Bordrechner hatte keine Einwände gehabt. Natürlich würde er den Bericht auf darin verborgene Inhalte untersuchen, das war ihr klar.
Es blieb die in ihrem Gewissen schwärende Frage, welche Fassung der Reportage sie nach Gäon schicken sollte.
Allerdings ... wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte sie diese Entscheidung längst getroffen.
Das Holo zeigte nun einen Mann, der hinter einem Schreibtisch saß und einen ehrlichen, respektablen Eindruck machte: Crow Harrow, der allen, die es hören wollten, liebend gerne erzählte, dass seine Familie aus dem tiefsten Westen des nordamerikanischen Kontinents stammte und er somit einer der letzten reinrassigen Indianer aus dem Stamm der Krähen sei.
Das war natürlich eine Lüge, die ihn nur interessant machen sollte. Aber wer mit kratziger Stimme sprach, äußerte sich besser nicht dazu. Glashäuser und Steine und so weiter. In ihrer Branche war es notwendig, Aufmerksamkeit zu erregen.
»Ich grüße dich, Shari«, sagte er mit volltönender Stimme.
Sie nickte knapp und erwiderte den Gruß. »Wie sieht es aus auf Gäon?«, fragte sie. »Weißt du was über meine Familie? Kannst du mir etwas sagen?«
»Keine Zeit«, sagte Harrow. »Später. Die Verbindung steht. Wir müssen mit dem Interview beginnen. Hast du die Reportage fertig?«
»Ja, den ersten Teil. Ich schicke ihn dir jetzt rüber.«
Sie hob die Hand mit dem Multikom vors Gesicht.
Welche Fassung?, dachte sie. Letzte Chance ...
Sie entschied sich für die Wahrheit. Wie jede gute Journalistin es tun sollte.
Sie schickte die Fassung B nach Gäon.
Dann begann das Interview.
*
Crow Harrow: Wir sprechen nun live mit meiner Kollegin Shari Myre, die sich bekanntlich