Perry Rhodan 2512: Die TRAITOR-Marodeure. Christian Montillon
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»Er war bei Weitem nicht so nützlich, wie er hätte sein können«, musste der Smiler zugeben. »Wir waren ganz nah daran, endlich mehr über die Identität der TRAITOR-Jäger herauszufinden.«
»Nicht nahe genug.« Monkey saß kerzengerade aufgerichtet auf seinem speziell angefertigten, extragroßen Stuhl. Ein normales Möbelstück hätte das extreme Gewicht nicht ausgehalten. Der mehrere Meter breite Schreibtisch, von dem aus der Oxtorner momentan die Geschicke der USO lenkte, war penibel aufgeräumt. »Der Tipp von Noah Kelch kam zu spät.«
»Erstaunlich, dass er überhaupt kam. Der erste erfolgreiche Vorstoß eines unserer Agenten.«
»Du hast gut daran getan, Kelch auf den Fall anzusetzen.«
Der Fall. Damit umschrieb Monkey eins der wichtigsten und zugleich kompliziertesten Probleme, die die USO derzeit beschäftigte.
Beim Abzug TRAITORS aus der Milchstraße seit dem Ende des Jahres 1347 NGZ hatte die Terminale Kolonne keineswegs sämtliche Einheiten mit sich genommen. Bei der Vielzahl der in dieser Galaxis stationierten Raumschiffe und Stationen hatte es niemanden verwundert, dass Hunderte Einheiten oder auf Planeten stationierten Posten einfach vergessen worden waren.
Falls man in diesem Fall von »vergessen« überhaupt sprechen konnte. Tek zweifelte nicht daran, dass jedes einzelne zurückgelassene Schiff einen einzigartigen Hintergrund aufwies; Geschichten von Verrat, Intrigen und Revolution, die der Beobachter aus der Ferne nicht einmal erahnen konnte. Schicksale, die für den Einzelnen zwar von eminenter Bedeutung, für das große Ganze – oder für Monkey – jedoch völlig unwichtig waren.
Warum sollte sich der Lordadmiral des bedeutendsten Geheimdienstes der Milchstraße für eine irrelevante Lebensgeschichte interessieren?
Tekener bediente sich aus einem Wandregal und genehmigte sich einen hochprozentigen Vurguzz. Für ihn war die bloße Tatsache, dass Monkey einige Flaschen des seit Jahrhunderten nie aus der Mode gekommenen Kultgetränks aller Raumfahrer besaß, ein Beweis dafür, dass der Lordadmiral doch Humor besaß.
Ein kurzer Blick auf das Etikett zeigte, dass er es mit einem ausgezeichneten Jahrgang zu tun hatte – dem besten. Das konnte kein Zufall sein. Er genoss das Aroma des giftgrünen Getränks und ließ seine Gedanken schweifen.
Die meisten der zurückgelassenen Einheiten TRAITORS hatten sich in den Wirren nach dem Abzug in den Weiten der Milchstraße gesucht und, wo sie einander fanden, zusammengeschlossen. Vor Kurzem noch Teil des gigantischen Heerwurms der Chaosmächte, waren sie nun machtlose und verhasste Fremde.
Die USO war ihnen in den ersten Wochen und Monaten dicht auf den Fersen gewesen, doch die Spur hatte sich längst verloren. Man wusste nur, dass sich diese Angehörigen TRAITORS auf einigen wenigen Planeten niedergelassen hatten, deren Position sie streng geheim hielten. Einiges deutete auf zwei weit voneinander entfernte Hauptstützpunkte hin. Weder die USO noch das Galaktikum hatten allerdings den Schimmer einer Ahnung, wo sich diese Geheimplaneten befanden.
Von ihnen aus gingen die Vergessenen der Terminalen Kolonne auf Raubzüge und überfielen Handelsschiffe und -karawanen.
Dabei blieben sie stets weit abseits der großen Handelsrouten, wo die Gefahr bestand, auf ernsthaften Widerstand seitens des Galaktikums, der Liga Freier Terraner oder des arkonidischen Kristallimperiums zu treffen.
Längst hatte sich für diese Raumpiraten der Begriff TRAITOR-Marodeure eingebürgert. Die USO und im Speziellen Tekener versuchten seit Jahrzehnten, ihnen auf die Spur zu kommen, doch sie verbargen sich vor jedem Zugriff. Auch private Unternehmen von geschädigten Handelsmagnaten hatten nie zu dem gewünschten Erfolg geführt.
Die Schwierigkeiten durch die Marodeure bestanden jedoch nicht nur aus den Überfällen – genau genommen waren diese Schäden sogar recht überschaubar. Weitaus problematischer war, dass durch die Marodeure die Wut der Öffentlichkeit geschürt und den Extremisten innerhalb der Milchstraße Vorschub geleistet wurde. Auch und vor allem jenen, die als TRAITOR-Jäger traurige Berühmtheit erlangt hatten und denen Tekener erst am Vortag auf Zorbar II begegnet war.
Die Jäger verfolgten mit geradezu fanatischer Besessenheit jeden einzelnen Angehörigen eines TRAITOR-Volkes; eben auch diejenigen Zurückgelassenen, die mit den Marodeuren nichts zu tun hatten und nur ein friedliches Leben führen wollten, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Womöglich hatten sie selbst niemals zur Terminalen Kolonne gehört, sondern nur ihre Eltern und Großeltern – mehr als ein Jahrhundert war eine lange Zeit, in der bei den meisten Völkern mehrere Generationen das Licht der Welt erblickten.
Dann gab es noch jene von der Kolonne Zurückgelassenen, die längst vom Galaktikum oder der USO entdeckt und auf entlegenen – ebenfalls geheimen – Planeten angesiedelt worden waren. Sie lebten dort inzwischen in einer alles andere als reibungslosen Zweckgemeinschaft und gehörten zu den meistgesuchten Wesen der Milchstraße. Nicht nur die Jäger setzten alles daran, sie zu finden und sie zu töten ... auch die TRAITOR-Marodeure wollten sie in ihre eigenen Reihen eingliedern.
In Konfrontation mit all diesen Interessensgruppen stand die USO, die die Mor'Daer, Ganschkaren und wie sie alle hießen, zum einen gefangen nehmen, zum anderen aber auch beschützen wollte. Mal wieder saß die galaktische Feuerwehr zwischen allen Stühlen und nahm damit einen alles andere als bequemen Platz in der öffentlichen Meinung ein. Und mal wieder war die Antwort auf die anstehenden Fragen alles andere als einfach.
Tek dachte an den Dron Schori Marg.
Vielleicht benötigt diese Galaxis lediglich einige unbequeme Entscheidungen auf höchster Führungsebene.
Wenn es nur so einfach wäre. Zwar hatte der Dron nicht völlig unrecht, denn sowohl die USO als auch das Galaktikum mussten einige heikle Punkte klären, die immer wieder zu Diskussionen und Unstimmigkeiten auf politischer Ebene führten – aber an diesem Spiel waren mehr Parteien beteiligt, als man zunächst ahnen konnte.
»Woran denkst du?«, fragte Monkey. »Du wirkst, als würdest du dich am liebsten in einer Höhle verkriechen.«
Tek nahm erstaunt zur Kenntnis, dass dies einer der seltenen Momente war, in denen der Lordadmiral offenbar Anteil am persönlichen Schicksal seines Stellvertreters nahm.
»Ich denke an Noah Kelch«, dehnte er die Wahrheit, um vor Monkey nicht den Eindruck eines Zauderers zu erwecken, der die allgemeine Lage wieder und wieder durchdachte, anstatt zu handeln. Doch manchmal fand selbst ein zielstrebiger Mensch wie Ronald Tekener nicht den richtigen Ansatzpunkt, um neue Entschlossenheit zu demonstrieren.
»Die Nachricht, dass er mit einem angeblichen Überläufer der Marodeure Kontakt aufgenommen hat, war zugleich sein letztes Lebenszeichen.« Damit berichtete der Oxtorner nichts Neues. »Seitdem hat er keine Routinemeldung mehr abgegeben. Angesichts der Brisanz seines aktuellen Auftrags muss er deswegen als verschwunden gelten oder als ...«
»... tot«, beendete der Smiler den Satz.
»Oder tot«, wiederholte Monkey und ignorierte das schrille Signal, das den Eingang einer Nachricht hoher Priorität verkündete. Offenbar hielt er das aktuelle Gespräch mit seinem Stellvertreter für wichtiger. »Da sich sein Hinweis auf Zorbal II als zutreffend erwiesen hat, gehe ich davon aus, dass er tatsächlich mit einem interessanten Informanten in Kontakt stand. Ob es sich um einen echten Überläufer