Mythor 23: Befehle aus der Schattenzone. Peter Terrid

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Mythor 23: Befehle aus der Schattenzone - Peter Terrid Mythor

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aus einer Unzahl gerader Flächen zusammen, als Schrägen in jeder nur denkbaren Richtung. Ein Ort des Grauens, Nyala spürte es am eigenen Leib. Die Wände waren feucht, schwerer Modergeruch lagerte im Raum, und es war kalt.

      Dennoch wusste Nyala nicht, ob sie vor Kälte oder aus Angst zu beben begann.

      Im schwachen Licht der Finsterstadt Gianton erkannte sie Zeichen auf den steinernen Wänden, verschwommene Konturen auf dem feuchten Fels, mit den Augen gerade noch erkennbar.

      Nyala trat näher. Sie streckte die Hände nach einem der Zeichen aus.

      Kalt war der Fels, und die Kälte schien aus der Wand heraus in ihren Leib zu strömen, machte sie schaudern. Dennoch folgte sie mit den Fingerspitzen den eingegrabenen Linien. Es waren Schriftzeichen, zum Teil jedenfalls, aber Nyala verstand nicht genug davon, um sagen zu können, was die Zeichen besagten.

      Sie vermochte nur zu ahnen, was mit den Linien ausgedrückt werden sollte, und dies zu spüren, bedurfte es keiner großen Einfühlsamkeit. Was konnte an den Wänden eines feuchtkalten Kerkers anderes geschrieben stehen als die stumm gewordenen Schreie derer, die vor Nyala hier geschmachtet hatten.

      Nyala tastete sich durch den Raum. Er war nicht groß, maß höchstens drei Schritte im Geviert. Es gab eckige Löcher in den Wänden. Durch einige blies der kühle Wind in den Raum, gesättigt von den Ausdünstungen der Stadt des Grauens, jenem ekelhaft anziehenden, betäubenden Geruch, der in Nyalas Nase hing, seit sie Gianton betreten hatte.

      Nyala tastete den Boden ab.

      War man besonders rücksichtsvoll zu ihr? Hatte man deswegen die Gebeine derer entfernt, die vor ihr verschmachtet waren in diesem grässlichen Gelass, elend vergangen vor Hunger, Verzweiflung oder schierer Angst?

      Der Boden war uneben, aber man konnte sich darauf ausstrecken. Er war auch feucht, aber feucht war alles im Kerker. Nyala streckte sich auf dem Boden aus. Sie wollte versuchen, ein wenig zu schlafen. Jedes bisschen Kraft und Stärke würde sie brauchen, wenn sie ihr Ziel erreichen wollte – ihren Vater in den Krallen des Bösen zu erreichen.

      Traumbilder stiegen vor Nyala auf. Sie versuchte, die Schreckensgestalten zu verdrängen, aber sie kehrten immer wieder. Aus der Ferne erklang immer wieder das grässliche Heulen menschlicher Stimmen, langgezogen und qualvoll, und es nahm kein Ende.

      War es das, was Nyala zu gewärtigen hatte?

      Gab es überhaupt noch Hoffnung für Herzog Krudes Tochter? Sie selbst wusste nichts mehr dazu zu sagen. Sie krümmte sich so klein wie möglich zusammen, als helfe das gegen die grimme Kälte im Kerker, gegen den Geruch, gegen die alles durchtränkende Nässe.

      Nyala versuchte einzuschlafen.

      Sie wusste, dass dies erst der Anfang war. Die Caer würden es nicht dabei bewenden lassen, sie einfach nur einzusperren, selbst wenn der Kerker so schrecklich war wie dieser.

      So schlief sie ein, die Träume erfüllt von Schreckensgestalten, wie sie nie zuvor in Nyalas Träumen aufgetaucht waren, einem Tag entgegen, der die Schrecklichkeit dieser Träume weit hinter sich lassen würde.

      2.

      »Getränk!«, schallte die Stimme des Mannes durch den Raum. »Heda, Schaffner, bring mir Bier!«

      Einer der zahlreichen Knechte des Burggrafen hastete davon, um der herrischen Aufforderung Folge zu leisten. Es war nicht ratsam, den Befehlen irgendeines der Herren nicht zu gehorchen. Die Zeiten waren schlecht, die Sitten nicht minder.

      Auf der Burg ging es hoch her. Es war eines der vielen kleineren und größeren Gelage, die den eigentlichen Verhandlungen vorangingen, zu denen sich die Männer auf Burg Anbur zusammensetzen wollten.

      Die Caer standen vor den Grenzen, gewappnet und entschlossen. Wollten die Bedrohten sich dieses Angriffs erwehren, mussten sie ihre Heere zu einem gewaltigen Aufgebot zusammenziehen, andernfalls würden die Caer sie sich einzeln vornehmen und bequem niedermachen.

      Das war der eigentliche Zweck der Zusammenkunft auf Burg Anbur. Er schien aber längst in Vergessenheit geraten, denn es gab Speise und Trank in Hülle und Fülle in den Kellern der Burg, und solange die Caer-Schwerter den Zechenden noch nicht an den Kehlen saßen, wollten sie sich's gutgehen lassen. Warum auch nicht, musste doch Graf Corian dem ganzen Haufen das Beste auftragen, was er zu bieten hatte.

      Und wahrlich, er hatte sich nicht lumpen lassen.

      Jamis von Dhuannin lehnte sich ein wenig in seinem hölzernen Sessel zurück. Er schlug die Beine übereinander, damit man das kostbare Lederflechtwerk seiner Schuhe gut sehen konnte. Mit spitzen Fingern nahm er eine Traube aus der Schale. Gleichzeitig musterte er mit scheelem Blick die Runde.

      Der Schreihals, der jetzt gerade einen Humpen schäumenden Bieres hinunterstürzte und den eilig geleerten Krug sofort nachfüllen ließ, war einer der unangenehmsten Gäste des Herzogs. Ryson de Freyn, klein, verschlagen von Charakter und ebenso großmäulig wie heimtückisch, war ein Enkel des legendären Magnor de Freyn, des einstigen Albtraumritters. Sein Enkel träumte dem Ahnen nach, besaß aber bei weitem nicht dessen Format. In der Rechnung des Jamis von Dhuannin spielte er nur eine nebensächliche Rolle. Rysons Bemühungen liefen darauf hinaus, den Orden der Albtraumritter neu zu begründen. Mochte er, solange man ihn am kurzen Zügel halten konnte ...

      In der Nähe des Ryson de Freyn saß ein alter Mann, gezeichnet von Krankheit und Ausschweifung. Nach dem Gehabe zu schließen, hielt er sich für den Schönsten von allen. Jamis hatte nie zuvor jemanden gesehen, der ein solches Ausmaß an Eitelkeit und Stutzerhaftigkeit mit einem solchen Mindestmaß an Schönheit und Stil verband.

      Unwillkürlich wanderte Jamis' Blick weiter. Diesem klapprigen Schwächling, der Graf Codgin Poly Nerchond hieß, hatte Graf Corian die Hand seiner Tochter versprochen. Das unglückselige Mädchen sollte gleichsam auf dem Altar der hohen Politik geopfert werden. Jamis hatte gegen dieses Bündnis nichts einzuwenden, solange es ihm nützte – besser gesagt, seinem Herrn, dem Herzog Horvand von Nugamor.

      Jamis' persönliche Meinung war die, dass er dem dekadenten Grafen Codgin nicht einmal die Hand seiner Schwiegermutter gegeben hätte, und die war ein Drachen, wie man ihn nur selten fand.

      Zu Graf Codgins Gefolge gehörten seine drei Söhne, Drillinge, die miteinander auf den Gebieten der Wollust, des Glücksspiels und der hemmungslosen Schlemmerei wetteiferten und damit alle anderen weit hinter sich ließen. Auf dem Turnierplatz waren sie nur selten gesehen worden und dann meist in den Reihen der Zuschauer, wo sie den Mägden dreist nachstellten.

      »Holt die Gaukler!«, rief Graf Corian. »Wir wollen uns aufheitern!«

      »Bravo!«, schrien einige der Zecher. »Lasst sie herein!«

      Die Ruhigsten am Tisch waren einmal mehr die Karsh. Walunga und Parodo, beide noch recht jung, dennoch schon Häuptlinge, die immerhin eine volle Tausendschaft auf die Beine stellen konnten. Die beiden Burschen trugen große Bärenfelle, deren Schädel ihnen zugleich als Helm dienten und ihren Rang unter den Karsh herausstrichen. Sehr schweigsam und zurückhaltend verfolgten die beiden Abgesandten der Karsh-Länder die Szenen in der Burg des Grafen Corian. Die Sitten und Gebräuche am Hof schienen ihnen nicht sonderlich zu behagen.

      »Gefällt es dem Abgesandten des Herzogs von Nugamor in meiner Burg?«, erkundigte sich Graf Corian bei Jamis.

      Der Gesandte hob lächelnd den Becher aus getriebenem Gold.

      »Vorzüglich«,

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