Meditationen / Abhandlung über die Methode. Рене Декарт

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Meditationen / Abhandlung über die Methode - Рене Декарт Kleine philosophische Reihe

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auch falsch sein kann. Doch bringt ihn das entschieden weiter, als wenn er den verworrenen Sinneseindrücken folgt oder sich bei moralischen Entscheidungen auf sein Gefühl verlässt. Ebenfalls unerwünscht ist für Descartes, dass die Vernunft seine eigene Urteilskraft beschränkt und sich von Autoritäten bestimmen lässt. Besser seiner eigenen Vernunft folgen und einen Irrtum riskieren, der aus der Begrenzung des menschlichen Daseins erwächst, als das fundamentale Sein des Menschen, das Denken, aufzugeben. Da Descartes die Moral auf der Vernunft basieren lässt, bedeutet dies auch, dass jemand nicht nur klüger, sondern auch ein besserer Mensch werden kann, wenn er seine Vernunft trainiert, denn er wird urteilsfähiger und Gott ähnlicher werden. Descartes Ethik ist also durchaus mit seiner Metaphysik verbunden, und diese wiederum ist mit der unendlichen Vernunft Gottes verknüpft.

      I.

      Abhandlung über die Methode, die Vernunft richtig zu gebrauchen und die Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen

      Wenn diese Abhandlung zu lang erscheint, um mit einem Male durchgelesen zu werden, so kann man sie in sechs Abschnitte teilen: Im ersten wird man dann verschiedene Betrachtungen über die Wissenschaften finden; im zweiten die Hauptregeln der vom Verfasser gesuchten Methode; im dritten einige aus dieser Methode abgeleitete Regeln der Moral; im vierten die Gründe, aus denen der Verfasser das Dasein Gottes und der menschlichen Seele beweist, welche Beweise die Grundlage seiner Metaphysik bilden; im fünften eine Übersicht über naturwissenschaftliche Fragen, die er untersucht hat, insbesondere die Erklärung der Bewegung des Herzens und einiger anderer schwieriger Gegenstände aus dem Gebiete der Medizin; ferner den Unterschied zwischen unserer Seele und der der Tiere; und in dem letzten einiges, was seiner Ansicht nach nötig ist, um in der Erforschung der Natur weiter vorzudringen als bisher, und welche Gründe ihn zum Schreiben bestimmten.

      Erster Abschnitt

      Der gesunde Verstand ist dasjenige, was in der Welt am besten verteilt ist, denn jeder glaubt so reichlich damit versehen zu sein, dass sogar Menschen, die in allen anderen Dingen außerordentlich schwer zufrieden zu stellen sind, hiervon für gewöhnlich nicht mehr haben wollen, als sie besitzen. Dass alle sich hierin täuschen, ist unwahrscheinlich; es beweist vielmehr, dass die Fähigkeit, richtig zu urteilen und Wahres und Falsches zu unterscheiden, worin eigentlich das besteht, was wir gesunden Verstand oder Vernunft nennen, von Natur aus bei allen Menschen gleich ist, und dass also die Verschiedenheit unserer Meinungen nicht daher kommt, dass der eine mehr Verstand hat als der andere, sondern daher, dass wir unsere Gedanken verschiedene Wege gehen lassen und nicht die gleichen Dinge betrachten. Denn es genügt nicht, einen guten Verstand zu haben, sondern es kommt darauf an, ihn gut anzuwenden. Die größten Geister sind ebenso der größten Laster wie der größten Tugenden fähig; und wer langsam geht, jedoch stets den rechten Weg verfolgt, kann viel weiter kommen als ein anderer, der zwar läuft, aber sich von ihm entfernt.

      Was mich betrifft, so habe ich mir niemals eingebildet, mein Geist sei in irgendeiner Beziehung vollkommener als der eines Durchschnittsmenschen; ja, ich habe mir sogar oft die schnelle Auffassungsgabe, das klare und scharfe Vorstellungsvermögen oder das umfassende und allgegenwärtige Gedächtnis anderer gewünscht; und ich wüsste nicht, welche Eigenschaften sonst die geistige Vollkommenheit ausmachen sollten; denn was die Vernunft oder den Verstand anbetrifft, die allein uns erst zu Menschen machen und von den Tieren unterscheiden, so glaube ich doch, dass sie ganz und ungeteilt in jedem sind, und ich schließe mich der gewöhnlichen Meinung der Philosophen an, welche sagen, dass es nur unter den Akzidentien ein Mehr oder Weniger gäbe, nicht aber bei den Formen oder Naturen der Individuen einer Gattung.

      Jedoch scheue ich mich nicht, zu bekennen, dass ich viel Glück gehabt zu haben glaube, da ich mich seit früher Jugend auf Wegen befand, die mich zu Betrachtungen und Regeln führten, aus denen ich eine Methode bildete, die mir geeignet scheint, mein Wissen von Stufe zu Stufe zu erweitern und endlich auf jene höchste Höhe zu erheben, welche die Mittelmäßigkeit meines Geistes und die kurze Dauer meines Lebens zu erreichen gestatten, denn ich habe durch sie schon Früchte dieser Art geerntet, obwohl, wie ich mich selber beurteile, ich stets bestrebt bin, eher nach der Seite des Misstrauens als der Anmaßung hinzuneigen, und wenn ich mit dem Auge des Philosophen die verschiedenen Handlungen und Unternehmungen der Menschen betrachte, so erscheinen sie mir alle eitel und unnütz; wenngleich ich sagen muss, dass ich die höchste Befriedigung aus dem Fortschritt schöpfe, den ich in der Erforschung der Wahrheit bereits gemacht zu haben glaube, und ich erhoffe so viel von der Zukunft, dass ich zu glauben wage, von allen Beschäftigungen der Menschen, lediglich als Menschen, sei die von mir gewählte die einzige, welche wahrhaft gut und wichtig ist.

      Indessen mag ich mich irren, und vielleicht ist es nur ein bisschen Kupfer oder Glas, was ich für Gold und Diamanten halte. Ich weiß, wie leicht wir uns in allem irren, was uns selbst betrifft, und wie verdächtig uns sogar die Urteile unserer Freunde sein müssen, wenn sie für uns günstig sind. Aber ich bin gern bereit, in dieser Abhandlung die von mir eingeschlagenen Wege zu schildern und mein Leben wie in einem Gemälde darzustellen, damit jedermann es zu beurteilen vermag, und wenn die öffentliche Meinung mir die Ansichten darüber zuträgt, so möge das ein neues Mittel der Belehrung für mich sein, das ich denen, die anzuwenden ich gewohnt bin, hinzufügen werde.

      Mein Plan ist also nicht, hier die Methode zu lehren, die ein jeder befolgen muss, um seine Vernunft richtig zu gebrauchen, sondern ich will lediglich zeigen, wie ich es anfing, die meinige zu leiten und zu gebrauchen. Wer es unternimmt, andere zu belehren, beweist damit, dass er selbst sich für klüger hält als die andern, die er belehren will, und wenn er dann den geringsten Fehler macht, verdient er, getadelt zu werden. Daher will ich diese Schrift nur als eine Geschichte oder, wenn man will, als eine Fabel darbieten, darin sich neben mancherlei nachahmenswerten Beispielen vielleicht auch manche finden werden, denen man aus guten Gründen nicht folgen wird, und so hoffe ich, dass sie manchem nützen und niemandem schaden wird und dass alle mir für meine Offenheit dankbar sein werden. Schon während meiner Kindheit bin ich in den Wissenschaften unterwiesen worden; und da man mich überzeugte, durch sie könne man eine klare und sichere Erkenntnis von allein erlangen, was für das Leben nützlich ist, war ich von dem sehnlichsten Wunsche erfüllt, das kennenzulernen. Als ich jedoch den Studiengang hinter mir hatte und mich, wie es Sitte war, zu den Gelehrten hätte rechnen dürfen, hatte meine Auffassung sich völlig geändert. Zweifel und Irrtümer bedrängten mich, und meine Lernbegierde hatte mir nur einen Vorteil gebracht, nämlich die allmählich wachsende Erkenntnis meiner Unwissenheit. Und doch besuchte ich eine der hervorragendsten Schulen Europas, wo es, wenn überhaupt irgendwo in der Welt, gelehrte Männer geben musste. Ich hatte dort alles gelernt, was die andern lernten. Ich hatte mich sogar nicht mit der Weisheit begnügt, die man uns lehrte, sondern alle Bücher durchgelesen, die von den merkwürdigsten und seltensten Dingen handelten, wenn sie mir in die Hände fielen. Ich kannte außerdem die Urteile der andern über mich und wusste, dass man mich keineswegs geringer einschätzte als meine Mitschüler, obwohl manche von diesen bestimmt waren, an die Stelle unserer Lehrer zu treten. Sodann schien mir unser Jahrhundert ebenso blühend und fruchtbar an guten Köpfen als irgendein vergangenes. So nahm ich mir dann die Freiheit, alle andern nach mir zu beurteilen und anzunehmen, dass es in der Welt keine andere Lehre jener Art gäbe, wie man mich früher hatte hoffen lassen.

      Dennoch ließ ich es niemals an Achtung gegenüber den Arbeiten mangeln, wie man sie in den Schulen treibt. Ich wusste, dass die Sprachen, die man dort lernt, nötig sind zum Verständnis der Bücher der Alten; dass die Anmut der Fabeln den Geist weckt; dass die denkwürdigen Begebenheiten der Geschichte ihn erheben und, wenn sie mit Verständnis gelesen werden, das Urteil bilden helfen; dass das Lesen aller guten Bücher einer Unterhaltung mit den bedeutendsten Männern vergangener Zeiten gleicht, welche sie verfassten, und zwar einer gelehrten Unterhaltung, bei der sie uns nur ihre besten Gedanken offenbaren; dass die Beredsamkeit eine unvergleichliche Macht und Schönheit, die Dichtkunst

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