Essays. Francis Bacon

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Essays - Francis Bacon

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haben. Doch wie es auch immer um die verkommenen Urteile und Neigungen des Menschen stehen mag, so lehrt uns doch die Wahrheit, die nur über sich selbst urteilt, dass die Suche nach der Wahrheit, die dem Freien und Liebeswerben um sie gleicht, und das Wissen um die Wahrheit, das uns ein Gefühl für ihre Gegenwart verschafft, sowie der Glaube an die Wahrheit, der uns den Genuss an ihr ermöglicht, die höchsten Güter der menschlichen Natur sind. Die erste Schöpfung Gottes bei der Erschaffung der Welt war das Licht der Sinne, und die letzte war das Licht des Verstandes, und sein Sabbatwerk ist seit jeher die Erleuchtung durch seinen Geist. Als Erstes hauchte er der Materie und dem Chaos das Licht ein, dann hauchte er dem Antlitz des Menschen Licht ein, und seitdem haucht er noch immer das Licht dem Antlitz seiner Auserwählten ein und erfüllt sie damit. Der Dichter, der eine Denkschule verherrlichte, die ansonsten den anderen unterlegen war, drückte es auf die folgende ausgezeichnete Weise aus: Es ist ein Vergnügen, am Ufer zu stehen und zuzusehen, wie die Schiffe auf dem Meer hin und her geworfen werden; es ist ein Vergnügen, am Fenster einer Burg zu stehen und tief unter sich eine Schlacht und deren Wagnisse zu beobachten; aber kein Vergnügen ist mit dem zu vergleichen, auf dem erhöhten Boden der Wahrheit zu stehen (einem uneinnehmbaren Hügel, auf dem die Luft stets klar und heiter ist) und die Irrtümer, Irrungen, Nebel und Stürme im Tale drunten zu gewahren. Doch sollte dieses Zuschauen nicht in Stolz und Überheblichkeit, sondern in Mitleid geschehen. Sicherlich bedeutet es den Himmel auf Erden, wenn die Seele des Menschen vom Mitleid bewegt wird, im Glanz der göttlichen Vorsehung ruht und sich um die Pole der Wahrheit dreht.

      Wenn wir von der theologischen und philosophischen Wahrheit zu jener im bürgerlichen Leben hinüberwechseln, so werden selbst jene, die sich dieser Wahrheit nicht bedienen, zugeben müssen, dass eine klare und offene Handlungsweise die menschliche Natur ehrt, während die Beimischung von Falschheit wie die Zugabe niederer Metalle in Gold- und Silbermünzen ist: Sie erleichtert die Bearbeitung, mindert aber den Wert. Denn es ist die Schlange, die sich auf krummen und gewundenen Pfaden fortbewegt. Niedrig kriecht sie auf dem Bauch, statt auf Füßen zu gehen. Kein anderes Laster bedeckt den Menschen so mit Schande wie das der Falschheit und Hinterlist. Und deshalb sagt Montaigne bei der Erörterung der Frage, warum die Lüge eine solche Schande und abscheuliche Beschuldigung sei, sehr schön: „Wenn man es recht bedenkt, was es heißt, einen Menschen einen Lügner zu nennen, so bedeutet es so viel, wie zu sagen, er sei Gott gegenüber ein Tapferer und den Menschen gegenüber ein Feigling.“ Denn Gott erkennt jede Lüge, während sie den Menschen entgeht. Falschheit und Treubruch sind ein Frevel, dessen Schwere darin ihren Ausdruck findet, dass er der letzte Glockenton sein wird, mit dem das Jüngste Gericht über die Menschheit hereinbricht, denn es steht geschrieben, dass, wenn Christus erscheint, „er keine Rechtschaffenheit auf der Erde finden wird.“

      ZWEITE ABHANDLUNG:

      ÜBER DEN TOD

      Die Menschen fürchten den Tod, so wie die Kinder den Gang durch die Finsternis fürchten, und wie diese zweite, natürliche Furcht bei den Kindern durch grausige Geschichten verstärkt wird, so ist es auch bei der ersten. Gewiss ist die Betrachtung des Todes als Urteil über die eigenen Sünden und Übergang in eine andere Welt etwas Heiliges und Frommes, aber die Furcht davor, bei der es sich um einen Tribut an die Natur handelt, zeugt von Schwäche. In frommen Betrachtungen findet sich bisweilen eine Mischung aus Einbildung und Aberglaube. In einigen mönchischen Büchern steht über die Kasteiung geschrieben, man solle sich einmal vorstellen, wie schmerzhaft es ist, wenn einem bloß die Fingerkuppe gequetscht oder torquiert wird, und danach solle man sich ausmalen, wie grässlich die Schmerzen des Todes sind, wenn der ganze Körper verwest und zerfällt. Dabei geht doch oftmals der Tod mit geringeren Qualen als bei der Folterung eines Gliedes einher, da die lebenswichtigsten Teile zumeist nicht die schmerzempfindlichsten sind. Deshalb sagte jener, der nur als Philosoph und einfacher Mensch sprach, zu Recht: „Pompa mortis magis terret quam mors ipsa [Der Totenzug erschreckt mehr als der Tod selbst].“ Ächzen und Zuckungen, ein entfärbtes Antlitz, weinende Freunde, schwarze Farben, Beisetzungsfeierlichkeiten und dergleichen zeigen den Tod auf schreckliche Weise. Es ist jedoch bemerkenswert, dass in der Seele des Menschen keine Leidenschaft so schwach ist, dass sie der Angst vor dem Tode nicht gleichkommt oder diese gar übertrifft. Daher ist der Tod kein so schrecklicher Feind, denn der Mensch besitzt so viele Helfer im Kampf gegen ihn. Die Rache triumphiert über den Tod, die Liebe behandelt ihn geringschätzig, der Ruhm strebt nach ihm, der Kummer flieht zu ihm hin, die Furcht vertieft sich ganz in ihn, und wir lesen sogar, dass nach dem Selbstmord des Kaisers Otho das Mitleid mit ihm (das die zarteste aller Neigungen ist) viele Menschen dazu veranlasste, sich aus reiner Zuneigung zu ihrem Herrscher ebenfalls selbst zu entleiben, wodurch sie sich als die treuesten seiner Gefolgsleute erwiesen. Seneca fügt alldem noch Feingefühl und Übersättigung hinzu: „Cogita quam diu eadem feceris; mori velle, non tantum fortis, aut miser, sed etiam fastidiosus potest [Bedenke, wie lange du schon dasselbe machst. Sterben will nicht nur der Tapfere oder der Unglückliche, sondern auch der des Lebens Überdrüssige].“ Es gibt Menschen, die weder aus Tapferkeit noch aus Unglück sterben wollen, sondern weil sie müde sind, wieder und wieder dasselbe tun zu müssen. Überdies ist es bemerkenswert, wie wenig das Heranahen des Todes den Charakter zu beeindrucken vermag, denn dieser scheint bis zum letzten Atemzug unverändert zu sein. Augustus Caesar starb mit einem Abschiedsgruß auf den Lippen: „Livia, conjugii nostri memor, vive et vale [Livia, erinnere dich stets unserer Ehre, lebe und lebe wohl].“ Tiberius starb in Heuchelei, denn Tacitus schreibt über ihn: „Iam Tiberium vires et corpus, non dissimulatio, deserebant [Schon verließen Tiberius die Kräfte des Körpers, nicht aber seine Unaufrichtigkeit].“ Vespasian verstarb auf einem Schemel mit einem Scherz: „Ut puto Deus fio [Ich glaube, ich werde gerade zum Gott].“ Galba verschied mit dem Spruch: „Feri, si ex re sit populi Romani [Schlag zu, wenn es der Sache des Römischen Volkes dient]“, und bot seinen Nacken dar. Septimius Severus sagte bei seinem Abgang: „Adeste si quid mihi restat agendum [Rasch zu mir, falls es noch etwas zu tun gibt].“ Und dergleichen mehr. Sicherlich maßen die Stoiker dem Tod ein zu großes Gewicht bei, und so wirkte er durch ihre ausufernden Vorbereitungen nur noch schrecklicher. Besser ergeht es jenem, „qui finem vitae extremum inter munera ponat naturae [der das Ende des Lebens zu den Geschenken der Natur zählt].“ Es ist so natürlich zu sterben, wie es natürlich ist, geboren zu werden, und für einen Säugling ist das eine vermutlich genauso schmerzlich wie das andere. Derjenige, der bei der Verrichtung einer ernsthaften Tätigkeit stirbt, ist wie jener, der im heftigen Gefecht verwundet wird. Zunächst spürt er die Verletzung kaum, und daher wehrt sein Geist, der noch auf etwas Gutes gerichtet ist, die Qualen des Todes ab. Aber glaubt mir, über alldem schwebt das süßeste Lied, das „Nunc dimittis [Nun lass mich scheiden]“, wenn sich die Erwartungen eines Menschen erfüllt haben und er ein würdiges Ende findet. Es ist auch eine Eigenschaft des Todes, dass er das Tor zum Ruhme öffnet und den Neid auslöscht: „Extinctus amabitur idem [Nach seinem Tod wird er geliebt].“

      DRITTE ABHANDLUNG:

      ÜBER DIE EINHEIT DER RELIGION

      Da die Religion das wichtigste Band der menschlichen Gesellschaft darstellt, ist es eine gute Sache, wenn sie selbst vom wahren Band der Einigkeit zusammengehalten wird. Die Streitigkeiten und Abspaltungen in der Religion sind Heimsuchungen, die den Heiden unbekannt waren. Der Grund dafür liegt in dem Umstand, dass die heidnische Religion eher in Riten und Zeremonien als in festem und fortwährendem Glauben wurzelte. Man kann sich vorstellen, von welcher Art ihr Glaube war, wenn man weiß, dass die Väter und obersten Lehrer ihrer Kirche die Dichter waren. Aber der wahre Gott besitzt die Eigenschaft, ein eifersüchtiger Gott zu sein, und daher duldet seine Anbetung und Religion keinerlei Vermischung oder Konkurrenz. Deshalb werden wir nun ein paar Worte über die Einheit der Kirche sowie deren Früchte, Grenzen und Mittel sagen.

      Die Früchte der Einheit (neben dem Wohlgefallen Gottes, das alles andere beinhaltet) sind zweigestaltig. Es gibt zum einen jene, die die Menschen außerhalb der Kirche genießen, und zum anderen jene, welche ihnen innerhalb derselben zugute kommen. Was die ersteren angeht, so ist es gewiss, dass Häresie und Glaubensspaltung die größten aller Ärgernisse sind, schlimmer noch als die Verderbnis der Sitten. So wie in

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