Herrn Dames Aufzeichnungen. Franziska zu Reventlow

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Herrn Dames Aufzeichnungen - Franziska zu Reventlow Klassiker der Weltliteratur

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die Dame gereizt, »aber die Sache trifft es nicht. Allerdings hatte er sich mit vollem Recht zurückgezogen – aber diese Dinge sind überhaupt nicht wesenhaft und gehören nicht zur Mitte.«

      »Warum beschäftigt man sich denn immer wieder mit ihnen? Ich meine, vor kurzem noch gehört zu haben, daß die Beschränkung auf die weiße Magie nicht gebilligt wurde?«

      »Gegen die schwarze sind von jeher schwere Bedenken erhoben«, antwortete die Dame etwas strafend.

      »Besonders seit jener böse Magier die Substanz des Meisters so verkannte«, bemerkte Sendt, während er ihr in den Mantel half, denn sie hatte sich inzwischen erhoben, um zu gehen.

      »Allerdings«, murmelte sie vor sich hin, und es klang sehr überzeugt. Dann brach sie auf und mit ihr der größere Teil der Gesellschaft. Nur Doktor Sendt und Susanna blieben noch.

      Der Philosoph sah sie an, lächelte und sagte: »Mirobuk!« Ich hatte das Wort noch nie gehört, und was es bedeuten sollte, war mir nicht klar, aber Susanna lachte und sagte:

      »Achten Sie nur darauf – Herr … Herr Dame, wenn Sendt Mirobuk sagt, so hat es meistens eine gewisse Berechtigung.«

      Ich faßte Mut und fragte, was denn um Gottes willen das mit der Magie bedeute, die Dame sprach ja wie ein erfahrener alter Hexenmeister. Schwarze und weiße Magie – was versteht man überhaupt darunter? Ich dachte, so etwas käme nur in Märchenbüchern oder im Mittelalter vor. – »O nein«, sagte mir Sendt, »die Dame huldigt nur wie viele andere dem Spiritismus, und Sie müssen wissen, daß dieser von seinen Anhängern als weiße Magie proklamiert wird, weil man sich nur an die guten und sympathischen Geister wendet und mit ihnen Beziehungen anknüpft. Die schwarze Magie aber beschäftigt sich gerne mit den Geistern von Verbrechern und Bösewichtern, die sich noch nicht ganz von der Erde befreit haben. Sie besitzen deshalb auch noch irdische Kräfte und rächen sich gelegentlich an dem, der sie beherrscht. Und der Magier, von dem hier die Rede war, hat sich eben so schlecht benommen, daß man ihm alles mögliche zutraut und sich in Zukunft vor ihm hüten wird.«

      Ich war ihm recht dankbar für diese Aufklärung, nur kam es mir befremdlich vor – nein, befremdlich ist nicht das rechte Wort, aber jener junge Mann und die Dame hatten eine so verwirrende Art, sich dunkel und geheimnisvoll auszudrücken und dabei, als ob von ganz realen Dingen die Rede sei, daß ich selbst etwas unsicher geworden war. Wie sie von dem Meister als von einem ganz übernatürlichen Wesen sprachen – von seinem Ring und seiner ›Substanz‹ – am Ende ist er auch ein Magier – ein Zauberer – ein Nekromant oder dergleichen.

      Ich war Susanna im Grunde recht dankbar, daß sie mich auslachte und sagte, es sei leicht zu merken, daß ich mich noch nicht lange hier aufhalte.

      2

       8. DEZEMBER

      Heute wollte ich nicht ins Café, aber ich ging doch hin und fand wieder eine ungünstige Konstellation vor; der Philosoph saß mit der lebhaften älteren Dame von neulich zusammen. Ich mochte nicht aufdringlich erscheinen, so setzte ich mich an den Nebentisch, den einzigen, der noch frei war, und las Zeitungen. Sie sprachen aber so laut, besonders die Dame, daß ich nicht umhinkonnte, zuzuhören, und hinter der Zeitung mein Notizbuch vornahm, denn es schien mir wieder sehr bemerkenswert, was sie da redeten. Die Dame erzählte von einem Professor Hofmann, dessen Name neulich schon verschiedentlich erwähnt wurde – er habe ihr gesagt, sie sähe ausgesprochen ›kappadozisch‹ aus.

      Kappadozien kommt, soviel ich weiß, in der Bibel vor, aber ich begriff nicht recht, wieso jemand ›kappadozisch‹ aussehen kann, und warum sie das mit solcher Wärme erzählte. Woher will man denn wissen, wie die Kappadozier ausgesehen haben? Der Philosoph lächelte auch.

      Nun kam einiges, was ich nicht recht verstand, und dann das, was ich mir notiert habe.

      »Nein, es sollten die Posaunen von Jericho sein – hören Sie nur: sie waren alle bei mir auf dem Atelier …«

      »War er auch dabei?« fragte der Philosoph, und die Dame warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.

      »Aber ich bitte Sie, wenn Sie spotten wollen …«

      »Nein, nein, ich dachte nur – aber bitte, fahren Sie fort.«

      »Also der Professor, seine Frau und einige von den jungen Dichtern. Einer von ihnen ging gleich an meinen Flügel, betrachtete ihn von allen Seiten und sagte irgend etwas. Dann fragte die Frau Professor ihren Mann: ›Wollen wir es jetzt sagen?‹, und er nickte. Dieses Nicken sehe ich noch deutlich vor mir, aber ich kann es nicht beschreiben, es lag etwas ganz Besonderes darin. Dann war plötzlich ein Paket da, es wurde ausgewickelt, und ein Kästchen mit einem Schlauch daran kam zum Vorschein – es sah etwa aus wie ein photographischer Apparat. Und Frau Hofmann sagte lebhaft, dieses Kästchen habe ein Freund ihres Mannes aus dem Orient mitgebracht, es gäbe auf der ganzen Welt nur noch ein ebensolches, und das gehöre dem Oberrabbi von Damaskus. Wenn man es an ein Klavier anschraube, innerlich erhitze und dann hineinbliese, so gäbe es genau denselben Ton wie die Posaunen von Jericho.«

      »Hatten Sie nicht Angst, daß auch bei Ihnen die Mauern einfallen könnten?« fragte der Philosoph.

      »Nein, von den Mauern war gar nicht die Rede – ich weiß nur, daß ich dann nach Spiritus suchte, um das Kästchen zu füllen, und ihn nicht finden konnte, aber mit einemmal war er doch da, und das Kästchen war auch schon am Klavier angebracht. Der Professor blies in den Schlauch, und es gab einen dumpfen Ton – aber dann muß der Spiritus ausgelaufen sein, und plötzlich stand alles in Flammen. Niemand kümmerte sich darum, und ich dachte an meinen Perserteppich, der unter dem Flügel liegt. Sie wissen ja, ich bin etwas eigen mit meinen Sachen. Aber der Professor sagte, es sei gar kein Perser, es sei ein ›Beludschistan‹, und er habe keine Beziehung zum Wesen der Dinge – ist das nicht merkwürdig? Ja, und nun kam noch etwas ganz Triviales, ich meinte, der Flügel würde sicher auch anbrennen, und in diesem Moment stand der Professor in seiner ganzen Größe vor mir und sagte: ›Wenn Fräulein H … mir ihren Verlust genau beziffert, soll alles ersetzt werden.‹«

      »Und dann?« fragte der Philosoph.

      »Das weiß ich selbst nicht mehr, es war ganz verschwommen. Aber sagen Sie selbst, liebster Doktor, ist es nicht wirklich seltsam? Meinen Sie nicht, daß es kosmische Bedeutung hat?«

      Damit brach das Gespräch ab, denn Gerhard kam, und die Dame ging bald darauf fort. Ich setzte mich zu ihnen und fragte Sendt, was denn das für eine rätselhafte Geschichte sei, ich hätte leider nicht vermeiden können, sie mitanzuhören. Und jetzt zweifelte ich nicht mehr daran, daß man hierzulande Zauberei treibt.

      »Haben Sie denn nicht gemerkt, daß die Dame mir einen Traum erzählte?«

      »Nein – darauf bin ich gar nicht gekommen.«

      »Lieber Dame«, sagte Gerhard, und es klang beinah wehmütig – er hat überhaupt immer etwas Schmerzliches im Ton – »Sie machen Fortschritte. Schon können Sie Traum und Wirklichkeit nicht mehr unterscheiden. Das geht uns allen hier wohl manchmal so – nicht wahr, cher philosophe?«

      »Traum oder nicht Traum«, antwortete der Philosoph nervös, »was sie mir da auftischte, war wieder einmal eine Wahnmochingerei, wie sie im Buch steht.«

      »Wahnmochingerei – was ist das?«

      »Nun, was Sie da eben mitangehört haben.«

      Doktor Gerhard wollte wissen, was für ein

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