Herrn Dames Aufzeichnungen. Franziska zu Reventlow

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Herrn Dames Aufzeichnungen - Franziska zu Reventlow Klassiker der Weltliteratur

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bei Hofmanns zu erzählen.«

      Ich hätte gerne noch gewußt, was eine ›Wahnmochingerei‹ ist und ›kosmische Träume‹. Aber der Philosoph schien mir nicht gut aufgelegt, und ich kann doch nicht immer fragen und fragen wie ein vierjähriges Kind.

      3

       14. DEZEMBER

      Ein komischer Zufall, daß ich Heinz Kellermann hier treffe. Wir haben uns seit dem Gymnasium nicht mehr gesehen. Er behauptet zwar, es gebe nichts Zufälliges, sondern was wir Zufall nennen und als solchen empfinden, sei gerade das Gegenteil davon, nämlich ein durch innere Notwendigkeit bedingtes Geschehen. Man sei nur im allgemeinen zu blind, um diese inneren Notwendigkeiten zu sehen.

      Trotzdem schien er ebenso verwundert wie ich und fragte mit der gedehnten und erstaunten Betonung, die ich so gut an ihm kannte:

      »Wie kommst du denn hierher?«

      Ich konnte diese Frage nur zurückgeben, und dann sagte er etwas überlegen: Oh, man könne nur hier leben, und hier lerne man wirklich verstehen, was Leben überhaupt bedeute. Ich habe ihm erzählt, daß das auch mein sehnlichster Wunsch sei, und wie ich mich mit meiner Biographie herumquäle – na Gott ja – daß ich eben ein Verurteilter bin und nicht recht weiß, was ich mit mir und dem Leben anfangen soll.

      Daraufhin ist er gleich viel wärmer geworden und lud mich für den Abend in seine Wohnung ein – es kämen noch einige Freunde von ihm, auf die er mich sehr neugierig machte.

      Ich ging hin, und es war auch wirklich der Mühe wert. Aber ich werde jetzt wieder ein paar Tage daheim bleiben und mich sammeln. Es sind zu viel neue und verwirrende Eindrücke von allen Seiten. Wohin ich komme und wen ich kennenlerne – alles ist so seltsam, wie in einer ganz anderen Welt, und ich tappe noch so unsicher darin herum. – Ob das nun Zufall ist oder innere Notwendigkeit, daß ich hierher kam und gerade diese Menschen kennenlernte? Aber es lockt mich, ich kann dem allen nicht mehr entfliehen – ich bin wohl dazu verurteilt, und der Gedanke gibt mir meine innere Ruhe etwas wieder.

      Doktor Gerhard rät mir ja immer wieder, ich solle etwas schreiben – jeder Mensch habe einiges zu sagen und müsse, was er erlebt, in irgendeiner Form nach außen hin gestalten. Wenn es auch nur wäre, um meinem Stiefvater Vergnügen zu machen, er hat ja schon immer gemeint, ich hätte ein gewisses Talent dazu. – Und er ist gewiß aufrichtig, denn er hält sonst nicht übermäßig viel von meiner Begabung.

      Ich weiß nicht recht – einstweilen mache ich mir Aufzeichnungen und Notizen, besonders wenn ich mit dem Philosophen zusammen bin.

      Da war der Abend mit Heinz Kellermann und seinen Freunden. Der eine mit dem scharfen Gesicht sah fast wie ein Indianer aus. Als ich das sagte, wurde Heinz ganz ärgerlich und behauptete, er sei doch blond, dunkelblond wenigstens und ein absolut germanischer Typus. Es gab eine förmliche Diskussion darüber, aus der ich entnahm, daß sie die blonden Menschen mehr ästimieren als die dunklen, und daß das irgendeine besondere Bedeutung hat.

      Es war auch ein junges Mädchen dabei – eine Malerin – das übrigens ausgesprochen schwarzes Haar hatte; aber ich wagte keine Bemerkung darüber, denn mir schien, daß sie der Unterhaltung etwas deprimiert zuhörte, und ich muß gestehen, ich freute mich zum erstenmal darüber, daß ich blond bin.

      Im ganzen hatte ich aber wieder das Gefühl, nicht recht mitzukönnen. Ich weiß nicht, ob man diese Ausdrucksweise eigentlich ›geschraubt‹ nennen kann, aber sie kommt einem manchmal so vor, und man muß sich erst daran gewöhnen.

      Was meinen sie zum Beispiel damit: man müsse einen Menschen erst ›erleben‹, um ihn zu verstehen?

      Heinz machte manchmal ganz treffende Bemerkungen – das kann er überhaupt sehr gut – und dann hieß es:

      »Heinz, Sie sind enorm.«

      Nach dem Tee setzte man sich auf den Boden, das heißt auf Teppiche und Kissen. Heinz machte die Lampe aus und zündete in einer Kupferschale Spiritus an – warum auch nicht – es gab eine schöne blaugrünliche Flamme. Aber dann stand die Malerin auf und hielt ihre Hände darüber, man sah nur die schwarze Gestalt und die Hände über der Spiritusflamme, die in dieser Beleuchtung ganz grünlich aussahen.

      Und nun waren alle ganz begeistert und sagten wieder, das sei ›enorm‹. Um auch irgend etwas zu sagen und mich gegen das junge Mädchen höflich zu zeigen, meinte ich, dieses offene Feuer in der Schale habe etwas von einem alt-heidnischen Brauch. Das war nur so hingesagt, weil mir nichts anderes einfiel, aber sie sahen sich bedeutungsvoll an, als ob ich einen großen Ausspruch getan hätte, und Heinz sagte zu dem Indianer: »Sehen Sie – und er weiß gar nicht, was er damit gesagt hat.« – »Das ist es ja gerade«, antwortete der, »er muß das Heidnische ganz unbewußt erlebt haben.«

      Ich wollte fragen, was er meinte, da klingelte es, und dann kam der Professor Hofmann – der mit dem Kreis – der aus dem Traum – ich dachte mir gleich, daß er es wäre. Er war ungemein gesprächig und liebenswürdig, bewunderte das Feuer in der Schale und nannte es fabelhaft, ebenso die grünlichen Hände der Malerin und sagte, es sei ganz unglaublich schön, wie sie dastände. – Ich mußte dabei an die Geschichte neulich im Café denken – die ›Wahnmochingerei‹, wie der Philosoph es nannte.

      Dann ging die Flamme aus, und die Lampe wurde wieder angezündet. Da niemand an Vorstellen zu denken schien, tat ich es selbst. Der Professor sah mich plötzlich verwirrt und ganz entgeistert an, ich dachte, er hätte mich nicht verstanden, wiederholte meinen Namen und setzte hinzu:

      »Ich heiße nämlich Dame.«

      Er schüttelte mir nun mit großer Lebhaftigkeit die Hand und sagte, es freue ihn unendlich, mich kennenzulernen.

      Dann unterhielt man sich über dieses und jenes. Der Professor ging dabei mit etwas stürmischen Schritten auf und ab, nahm jeden Augenblick einen Gegenstand in die Hand, betrachtete ihn ganz genau und stellte ihn wieder hin. Im Laufe des Gespräches fragte er mich, ob ich auch in ›Wahnmoching‹ wohnte. Ich fragte wieso und hielt es für einen Witz – »ich wohne in der K … straße«. Darüber brachen sie alle in Gelächter aus und fanden es enorm, daß ich nicht wüßte, was ›Wahnmoching‹ sei.

      Man erklärte mir, daß der ganze Stadtteil von dem großen Tor an so heiße. Wie sollte ich das wissen, ich habe mich gar nicht darum gekümmert, wie der Stadtteil heißt, in dem ich wohne. In Berlin weiß man es, aber hier doch nicht. Ich begriff wirklich nicht, was daran ›enorm‹ sein sollte. Ja, sagten sie, das sei es ja eben – ich wäre in allem so unbewußt.

      Sonst bin ich wirklich ein geduldiger Mensch, aber ich hatte allmählich den Eindruck, als ob man mich mystifizieren wollte, und sagte, den Ausdruck ›Wahnmochingerei‹ hätte ich schon gehört. Der Professor wurde stutzig und fragte, von wem denn?

      »Von Doktor Sendt, dem Philosophen.«

      »Ah – Sie kennen Doktor Sendt?« es klang beinah, als ob ihn das verstimmte. Aber dann wurde er wieder sehr herzlich und lud mich ein, ihn zu besuchen und zu seinem Jour zu kommen.

      DEN 18. …

      Nachts um ein Uhr den Philosophen auf der Straße getroffen – wir gehen noch lange auf und ab, ich erzähle ihm von dem Abend bei Heinz und bitte um einige Aufklärungen.

      Warum es ›enorm‹ ist, wenn man Spiritus in Kupferschalen verbrennt und jemand die Hände darüberhält – ich kann immer noch nicht vergessen, wie grünlich

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