Nomade im Speck. Wiglaf Droste

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Nomade im Speck - Wiglaf Droste страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Nomade im Speck - Wiglaf Droste

Скачать книгу

Qualität vertreibt man zwar nicht die Dummheit aus der Welt, aber man kann sie auf Abstand halten. Ab und an kam ein Trupp Werbeagenturbubis in die Bar, laut und feierwütig, aber die Musik von Bob Dylan, Van Morrison, Johnny Cash, Miles Davis, Randy Newman oder Tex Perkins erwies sich stets als geeignetes Mittel zur Entmutigung von Leuten, denen die Welt bloß als Kulisse zum Sichselbstgutfinden dient. Sie wurden mit jener Art formvollendeter Höflichkeit bedient, die selbst sie nicht mehr missverstehen konnten. Mürrisch zogen sie ab und kamen niemals wieder, und so war es ja auch gedacht.

      Manchmal sperrte der Barbesitzer sein Lokal auch einfach zu und blieb mit den Gästen, die er mochte, bis zum frühen oder späteren Morgen, spielte Lieblingsmusik, in einigen Nächten wurden die Tische und Stühle beiseite getragen, manche Paa­re tanzten. In solchen Momenten konnte man bar jeder Belästigung ganz zu sich kommen und zur konzentriertesten Form des Denkens finden: bei völliger Klarheit nichts denken, nur reine Daseinsfreude empfinden.

      Nach solchen Nächten in den Morgen hinaus­zutreten und glücksdurchgossen in den Tag zu strunkeln und strummseln, gehört zu den großen Freuden, die man nicht der vorgefundenen Natur verdankt, sondern der Stilentschlossenheit einer guten Bar.

      Dass der Besitzer der Schwertfischposaune irgendwann von dem lärmenden, die Welt betrampelnden Amüsier- und Party-Party-Party-Gemüse die Nase voll hatte, ist bedauerlich, aber verübeln kann ich es ihm nicht. Besser gehen als sich noch am eigenen Niedergang beteiligen, das gilt in der Liebe und sowieso.

      Plätze, an denen man dem Irrsinn, dem Lärm und dem Wahn der Welt immerhin temporär entfliehen kann, sind selten, aber sie existieren. Gute Bar ist rar, aber auffindbar. Danke dafür.

       Jungnomade in Schottland

Joemmelaesch Made und Speck

      ES WAR IM WINTER 1979 in der schottischen Stadt Perth. Ich war 18 Jahre alt, schlank wie ein Nagel, hatte lange Korkenzieherlocken, auf die ich im Pub von ein paar taffen jungen Schotten von der Seite angesprochen wurde, bis wir bei diversen Pints auf ergiebigere Themen als die Länge und Beschaffenheit meines Haupthaars zu sprechen kamen. Ich genoss den Abend mit Fremden, die zur »Last Order« allesamt noch drei Halbe bestellten und zügig wegzoschten. Aus Respekt vor den landesüblichen Sitten tat ich es ihnen gleich, ging mit ihnen noch Fish and Chips mit schwarzem Essig essen, was mich tief in die Mysterien der britischen Kochkunst eintauchen ließ, verabschiedete mich und eierte meiner Schlaf­statt entgegen.

      Die Schlagseite, die ich im Laufe des Abends erworben hatte, muss man mir angesehen haben; jedenfalls wurde ich von einem mir entgegen kommenden Polizisten gestoppt, der mich in jenem harten Schottisch, das zu lieben ich gelernt hatte, ansprach: »Whats yar neem, son?«, fragte er nicht einmal unfreundlich. Mir fiel ein, dass es eine Ordnungswidrigkeit namens »drunken dis­orderly« gab, unerlaubte öffentliche Trunkenheit, versuchte, einigermaßen nüchtern zu wirken, was den Uniformierten aber allenfalls amüsiert haben dürfte, und dachte verzweifelt daran, dass in meinem ohnehin sehr schmalen Reisebudget ein Bußgeld nicht vorgesehen war.

      Was sollte, konnte ich tun, um ein klaffendes Loch in meinem Brustbeutel zu vermeiden? Plötz­lich fiel mir mit der Intuition des von Bier und Panik befeuerten Hirns ein, dass nicht wenige schottische Könige Duncan hießen, und so sah ich den Polizisten an und sagte, so schottisch klingend ich es vermochte: »Me neem is Duncan Dis­orderly, Serr!«

      Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, dann wurde er wieder ernst, legte mir eine Hand auf die Schulter und sprach in ermahnendem Ton: »Alright, son. And now you go streeght home, will ya?«

      »I promise, Serr«, antwortete ich, er ließ mich laufen beziehungsweise tapern, ich hielt mein Versprechen, und als ich in meinem leicht Karussell fahrenden Bettchen lag, dachte ich, wie segensreich es doch sei, in einer Fremdsprache kalauern zu können und gelobte, am nächsten Tag in einer schönen Kirche eine Kerze für diesen gütigen Mann anzuzünden. Was ich dann auch tat, aus Dankbarkeit, und weil ich wusste, dass mich sonst ein biblischer Zorn getroffen hätte, und das völlig zu Recht.

       Cozze, Trippa, Pizza, Pizzo

Pizza Made und Speck

      SCHÖNHEIT UND GEFAHR sind Geschwister, und Italien ist ein schönes und gefährliches Land. Ich schaukelte auf meiner Luftmatratze auf den Wellen des Ligurischen Meeres, ein Kind und genau die klassische Wasserratte, die erst mit blauen Lippen und verschrumpelten Fingern ihr Lieblingselement verlässt, nur um eine Viertelstunde später wieder hineinzutauchen.

      Der Campingurlaub in Ligurien erschien mir paradiesisch. Luft und Wasser waren so warm, dass man fast pausenlos im Meer sein konnte. Ich lernte schnorcheln und tauchen mit Schwimmflossen, sah Fische in Schwärmen, kleine Kraken und Seesterne. Fasziniert tauchte ich vor Felsenritzen herum, hatte Angst vor Muränen, über deren Gefährlichkeit viele Geschichten im Umlauf waren, war gleichzeitig von ihnen fasziniert und kaufte mir vom Taschengeld einen billigen Dreizack, um eine Muräne zu erlegen. Zum Glück bin ich nie einer begegnet.

      Das Dahinplätschern auf der Luftmatratze endete abrupt. Eine heftige Welle warf mich auf den nächsten Felsen; ich traf ihn mit der Kinnspitze voran. Es war ein klassischer Knockout, ich ging einfach unter. Die kleine Narbe unter dem Kinn habe ich immer noch; beim Rasieren sehe ich sie, weil auf Narbengewebe kein Haar mehr wächst. Und dann denke ich immer an Italien, an Schönheit und Gefahr.

      Als ich wieder zu mir kam, erschrak ich furchtbar. Alles um mich herum war voller schwarzer Haare. Ein Mann hielt mich in den Armen; niemals im Leben hatte ich so viele schwarze Haare an einem einzigen Menschen gesehen. Der Mann, der klein und rund war, redete in einer mir unbekannten Sprache auf mich ein. Er war über und über mit schwarzen Haaren bedeckt, nur sein Gesicht war glattrasiert und lächelte mich an. Er strich mir über den Kopf und sprach mir zu, ich verstand keins seiner Worte, wusste aber, dass jedes ein freundliches war.

      Mit der herrlichen Luftmatratzen-Freibeuterei war es erst mal Essig; meine Eltern verdonnerten meinen zwei Jahre älteren Bruder dazu, auf mich aufzupassen, was keinem von uns im mindesten gefiel. So werden lebenslange Antipathien gestiftet. Nach einer Woche unter Aufsicht durfte ich wieder allein ins Wasser. Ich machte mich sogar nützlich und sammelte Miesmuscheln, die von meiner Mutter zubereitet wurden. Ich aß selber niemals etwas von dem weichen Gewabbel, als das es mir damals erschien, und als ich hörte, dass Miesmuscheln auf italienisch Cozze heißen, wusste ich, warum ich so gern verzichtete. Es gibt ein Lebensalter, in dem man so etwas komisch finden darf. Die von mir ungeliebten Kutteln heißen auf italienisch Trippa, und das reicht mir bis heute als Grund, sie fast übertrieben höflich dankend abzulehnen.

      Das Wasser ist immer mein Lieblingselement geblieben; ich wurde sogar Rettungsschwimmer und lernte, wie man Ertrinkende vor dem Tod bewahrt. Bei der Abschlussprüfung zum Lebensretter fielen mir viele schwarze Haare ein, und als mir später überall selber solche wuchsen, was ich mit äußerstem ästhetischem Argwohn betrachtete, fügte ich mich irgendwann und dachte: Ja, so geht das. Da hat dir wohl jemand eine Fa­ckel in die Hand gedrückt.

      Auch die Kalauer mit dem Italienischen konnte ich mir nie abgewöhnen. Für manche muss man aber bezahlen. Pizza ist Pizza, Pizzo heißt Schutzgeld, und als ich in einem Restaurant in Palermo aus einer Dummejungenlaune heraus eine »Pizza Pizzo« bestellte, hatte ich das auf der Stelle zu bereuen. Die Augen des Kellners, die mir steinkohlefarben erschienen, bewiesen, dass auch die dunkelsten Augen

Скачать книгу