Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen?. Wiglaf Droste

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Will denn in China gar kein Sack Reis mehr umfallen? - Wiglaf Droste

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beschränkten Begeisterung über die Bedeutung, die er sich selbst beimisst.

      Irgendetwas rattert ihm eben immer durch seinen Kopf, und prompt verströmt er es salbungsvoll in die Welt. Für »Religionsunterricht« macht er sich stark und wirft sich für »Islamunterricht in deutscher Sprache« ins Breschholz. Man hört’s im Radio und möchte vergehen vor so viel Bedeutungsheischerei. Die Empfehlung, vor der islamischen Variante des Gläubischseins zu kapitulieren, paart Köhler mit dem Wunsch, den Restverstand, also das Mittel gegen religiöse Gehirnverbreiung, zugunsten von schulisch verabreichtem Glaubensgedöns fortzuwerfen. Dafür wird Köhler in den Feuilletons als »Querdenker« gefeiert – wer dieses Wort begeistert benutzt, ahnt nicht, wie beleidigend das ist: Querdenker. Schenkte man den deutschen Feuilletons Glauben, die Rest­anarchie im Lande läge in den Händen von Horst Köhler und Christof Schlingensief. Und da läge sie ja auch gut begraben.

      Von Luschen regiert und von einem Zudringling repräsentiert werden ist deutsches Leben. Ich wandte mich ab – als der Radioapparat unverhofft Schönes sendete: »… der thailändische König Bhumipol sprach der Armee das Vertrauen aus«, hörte ich den Nachrichtensprecher sagen. Wie entzückend: König Bhumipol! Was für ein Name! Bhumipol, o ja, Bhumipol! Bei König Bhumipols Armee konnte es sich nur um eine aus der Augsburger Puppenkiste handeln: Blech­­büchsenarmee, roll, roll, roll!

      Globalisierung, richtig aufgefasst, kann auch Spaß machen: Warum Horst Köhler ertragen, wenn man König Bhumipol haben kann?

      Köhler, Köhler,

      Öder Nöler:

      Außen Gummi, innen hohl. –

      Ich will König Bhumipol!

      Bhumipol ist mein Mann. Seit Zoppo Trump und Ivar Buterfas hat kein öffentlicher Mensch allein Kraft seines Namens mir so ans Herz gefasst. Singen will ich zum Lobe König Bhumipols:

      Es fühlt sich König Bhumipol

      Im Bett nur ohne Gummi wohl.

      Gern isst der König Bhumipol

      Den Riesenschirmling Parasol,

      Und Weiß- und Rot- und, glaubst du wohl,

      Spitz-, Rosen-, Grün- und Blumenkohl.

      Dann trinkt er etwas Alkohol.

      Und schläft. Der König Bhumipol.

      So sorgt für sein und aller Wohl

      Der Gummikönig Bhumipol.

      Das ist genau die gute Nachrede, wie ein Mann mit dem schönen Namen König Bhumipol sie verdient. So wahr ich Kalle Wirsch heiße.

      O je, o je, sie bringt es nicht, o weh, o weh, die Unterschicht

      Erwin aus der Unterschicht

      liebt die Oberklasse nicht.

      Doch vom Chef die Tochter

      sah er gern und mocht er

      Wenn unsere tollklasse gebildeten, überaus feingeist- und feinwaschmitteligen und tiptop hochkulturellen Mittel- und Oberschichtler diesen Vierzeiler namens »Erwin« von F.W. Bernstein gelesen hätten, eine weitere nutzlose, aufgesetzte Feuilleton-Debatte wäre der Welt erspart geblieben. Weil aber der Berufsdebatteur als solcher gar nichts zu wissen braucht, um konjunkturell mitquakeln zu können, musste man sich das Geningel um die furchtbar kulturlose, üble und quasi aus Gammelmenschen zusammengetackerte Unterschicht auch noch anhören.

      Was soll das Gezeter, wovon lenkt es ab? Dass Menschen, die ihre Kinder Kevin nennen, mit ihnen nichts Gutes vorhaben, liegt auf der Hand, das ist im Namen mit drin. Kevin heißen müssen bedeutet: Dich liebt keiner, deine Eltern jedenfalls lieben dich nicht. Das ist unschön, aber völlig offensichtlich und muss also nicht debattiert werden. Der grassierende Kevinismus (beziehungsweise Marvin- und Justinismus) könnte leicht standesbeamtlich durch ein generelles Verbot von Produkt- und Markennamen für Kinder unterbunden werden. No Xavier, no Cry.

      Es gibt durchaus ein reales Unterschichtproblem: die längst abgesackten, verwrackten Reste von Ober- und Mittelbau. Der Fisch stinkt nun mal vom Kopfe. Petra Gerster c/o ZDF kündigt die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises an und honigkuchelt grienend einen vom Pferd namens »Qualitätsfernsehn«. Als »bester Fernsehfilm« wird der durchhaltedeutsche Schmachtfetzen »Dresden« ausgezeichnet. Wer bei solchen Produktionen und Laudatien mitmischt, möge seine Beschwerden über Unterschicht und Unterschichtfernsehn bitte für sich behalten.

      Auch die Gala-Veranstaltung »50 Jahre Bravo« zeigte, dass gegen die krebsartig wuchernde Medialunterschicht die gute alte »Aktion Sühnezeichen« nicht mehr greift. Ein stark behandlungsbedürftiger Junge namens Bill, Angestellter einer Krankheit namens Tokio Hotel, drückte die ihm aufgezwungene Mischung aus Puber­täts­eiter und Jugendgreisenhaftigkeit in Kameras und Mikrophone: »Ich fand Nena immer komplett geil.« Die komplett schlichte Sängerin nahm in dafür in den Arm und küsste ihn. Gegen beide und alle, die derartiges mögen, hülfe, wenn überhaupt, nur die Aktion Schürhaken. Dass der branchengefeierte Tim Renner den Cockerspaniel Nena in der Zeit allen Ernstes als Bundeskanzlerin vorschlug, sagt alles über die Selbstbeweihräucherungsvokabeln Qualitätsjour­­nalismus und Qualitätszeitung.

      Womit man ganz unten gelandet ist, bei Gerhard Schröder auf dem Titelbild des Spiegel in der 43. Kalenderwoche 2006. Was war das? Vollgummi? Leder? Gesicht gewordene Charakteraufweichung? Letzteres setzte voraus, dass jemals ein Charakter vorhanden gewesen wäre. Was Gerhard Schröder als Gesicht trägt, habe ich als Jugendlicher beim Schlagballwerfen gut 40 Meter weit weggeschmissen. 4000 Kilometer wären eine weit angenehmere Entfernung von dieser putinistischen Gestalt, die alles verkörpert, was an Unterschicht und Aufsteigerei abstoßend war und ist. Nähme Gerhard Schröder noch die Plage Michael Schumacher mit in die Pipeline zur ewigen Ruh, das Proleten- und Unterschichtsgewürge hätte zumindest Pause – bis zur nächsten Sendung mit Kerner.

      So viele Mollakkorde da draußen

      Josh Ritters »The Animal Years«

      ES GIBT GUTE NACHRICHTEN aus Moskau – allerdings handelt es sich dabei um die Stadt Moscow im US-Bundesstaat Idaho. Hier wurde am 27. Oktober 1978 Josh Ritter geboren. Der Sohn eines Neurologieprofessorenehepaars spielte als Kind Violine, erlebte seine musikalische Initiation aber erst im Alter von 17 Jahren, als er die Musik von Bob Dylan und Johnny Cash entdeckte. Seine erste eigene CD veröffentlichte er 1999 unter dem Titel »Josh Ritter«, auf eigene Faust und eigene Kappe; jeweils zwei Jahre später folgten die Alben »Golden Age of Radio« und »Hello Starling«.

      Schritt für Schritt erarbeitete sich Josh Ritter den Ruf als außergewöhnlich großes Talent im Reich jener Damen und Herren, die der Welt nur mit sich, ihren Wörtern und ihrer Musik entgegentreten – um sie sich begreiflich und zu eigen zu machen, und ihr, wenn es gelingt, etwas von der Schönheit und Klarheit zurückzugeben, die sie neben anderem ja auch großzügig verströmt. Dass die Welt ein Ort größtmöglicher Wunder und gleichzeitig vollständig zum Abgewöhnen ist – dieser Widerspruch hat schon manche empfindungsfähige Seele zer­schreddert. Das Medikament dagegen heißt Liebe. Man kann auch Poesie und Musik dazu sagen.

      Mit seinem vierten Album »The Animal Years«, erschienen im März 2006, greift Josh Ritter hoch. Seine Vorbilder, zu denen außer Dylan und Cash hörbar auch Nick Drake, Neil Young, der junge Bruce Springsteen und Lloyd Cole gehören, hat Ritter sich einverleibt und zeigt in den elf Liedern eine große Bandbreite lyrischer und musikalischer Möglichkeiten.

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