Ferienhaus für eine Leiche. Franziska Steinhauer

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Ferienhaus für eine Leiche - Franziska Steinhauer Mord und Nachschlag

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      Gunnar Hilmarström parkte seinen schwarzen Volvo auf der Graszufahrt zu seinem Ferienhaus, das er in den Sommermonaten an Touristen vermietete, um seine Rente aufzubessern, seufzte schicksalsergeben und stieg aus. Jedes Jahr dasselbe, dachte er mürrisch.

      Damit meinte er das Großreine- und Winterfestmachen am Ende der Feriensaison. Lustlos stapfte er um das Auto herum, öffnete brabbelnd den Kofferraum und entnahm ihm einen leistungsstarken Staubsauger, mehrere Schwämme, Putztücher und eine Flasche mit scharfem Reinigungsmittel. Er beugte sich weit hinein, um in den Tiefen des Stauraums nach seinen Gummihandschuhen und dem großen Müllsack zu kramen, wobei sein beachtlicher Leibesumfang und die dadurch im Laufe der Jahre zu kurz gewordenen Arme ihn deutlich behinderten.

      Bei dem ungeschickten Versuch, alles mit einem Mal ins Haus zu bringen fielen erst die Schwämme, dann der Müllsack zu Boden. Gunnar fluchte. Missmutig ließ er die Utensilien auf dem Rasen liegen. Er würde sie eben später holen.

      Vor der klapprigen Holztür stellte er den Staubsauger ab und bückte sich schwerfällig nach dem Fußabtreter, unter den der letzte Mieter hoffentlich den Schlüssel gelegt hatte. Einmal hatte einer ihn aus Versehen im Gepäck mit nach Deutschland genommen und er musste Tage warten, bis der Schlüsselservice ihm einen neuen angefertigt hatte.

      Aber das war Jahre her.

      Seither hatte Gunnar immer einen Reserveschlüssel im Handschuhfach, denn er empfand es als furchtbar entwürdigend, vor der verschlossenen Tür des eigenen Häuschens zu stehen und sich dann durch irgendein ausgehebeltes oder eingedrücktes Kellerfenster zu quetschen wie ein Einbrecher, oder gar Hilfe holen zu müssen.

      Der Schlüssel lag zu seiner Erleichterung tatsächlich unter der Fußmatte.

      Stöhnend hob Gunnar ihn auf.

      »Puh! Vielleicht wäre es doch besser ein bisschen abzunehmen? Doch wenn ich nicht einmal mehr essen darf, was mir schmeckt, wo bleibt dann der Spaß am Leben?«, philosophierte er leise brummelnd. Umständlich schloss er die verzogene Tür auf.

      Der typische Ferienhausgeruch schlug ihm entgegen.

      Gunnar konnte es sich nicht erklären, aber es stimmte, er hatte es bei vielen Urlaubsfahrten festgestellt: alle Ferienhäuser – ob in Schweden oder Dänemark – alle rochen sie gleich; es war wohl eine Mischung aus Schweiß, schmutziger Wäsche, altem Fett. Nicht einmal die Fliegen mochten den Mief, kaum eine verirrte sich in so ein Sommerhaus.

      Zuerst riss er alle Fenster auf, um die letzte warme Luft dieses Bilderbuchsommers ins Haus zu lassen. Seine Gäste hatten in diesem Jahr allesamt Glück mit dem Wetter gehabt. Es hatte kaum geregnet, wochenlang hatte die Sonne für märchenhafte Temperaturen um 25°C gesorgt.

      Da hier in Schweden dazu eigentlich immer ein angenehmer Wind wehte, wurde es nie so unerträglich schwül, dass man nur noch matt in der Ecke sitzen konnte. Vielleicht würde ein Teil seiner Familien nach dieser traumhaften Urlaubserfahrung im nächsten Sommer wiederkommen. Wäre nur gut für die gesamte Tourismusindustrie, wenn möglichst viele vom schönen Wetter in Skandinavien erführen, und sich das alte Vorurteil vom kalten Norden endlich ausmerzen ließe!

      Immer noch maulig öffnete er die Türen der eingebauten Wandschränke in der Küche und begann das Geschirr zu überprüfen. Jemand hatte das bunt zusammengewürfelte Gläsersortiment um eine weitere Modellreihe erweitert. Na schön, dachte Gunnar, wenigstens hatten sie für Ersatz gesorgt. Bei jeder Endkontrolle gab es Verluste zu beklagen, aber das war bei Familien mit Kindern auch fast zu erwarten.

      Das mochte der Grund dafür sein, dachte Gunnar, dass einige seiner Bekannten lieber an ältere Ehepaare oder erwachsene Allergiker vermieteten, ohne Kinder und ohne Haustiere.

      Neben den unterschiedlichen Gläsern fanden sich auch Teller und Schüsseln mit den verschiedensten Dekoren. Er zählte oberflächlich die Teller, Tassen und Gläser, sowie Gabeln, Messer, Teelöffel und Suppenlöffel. Schließlich wurde sein Haus für sechs Personen vermietet. Da musste natürlich auch für jeden ausreichend Geschirr und Besteck vorhanden sein!

      Dann holte er den Müllsack und die Schwämme von draußen und klaubte angewidert die vielen Nahrungsmittelreste aus den Vorratsfächern. Angefangene Mehl- und Zuckertüten, klebrige Keksreste, feuchte, pampige Cornflakes, diverse Fertiggerichte in Dosen und Tüten mit italienischer, deutscher und dänischer Aufschrift.

      »Dass die immer irgend etwas für die Nachmieter zurücklassen müssen!«, schimpfte er. »Das Zeug wird von den Neuen sowieso nie angerührt, und schließlich bleibt die Entsorgung immer an mir hängen!« In anderen Familien machten so was in der Regel die Ehefrauen, aber seine Inga hatte sich von Anfang an geweigert, ihm bei der Betreuung des Sommerhäuschens zu helfen. Es sei schließlich seine Idee gewesen, das kleine Haus seiner Eltern nach deren Tod auszubauen und an Fremde zu vermieten. Da solle er auch die Konsequenzen allein ›genießen‹ dürfen! Gunnar legte die Stirn in Falten, wenn er daran dachte, wie seine Freunde ihn wegen Ingas Putzweigerung regelmäßig aufzogen. Für die anderen sah es immer so aus, als könne Gunnar seiner Rolle als Familienoberhaupt nicht gerecht werden, und manchmal musste er sich tatsächlich eingestehen, dass er bei Inga ganz schön unter dem Pantoffel stand. Aber diese Sache mit dem Ferienhaus war ein echter Zankapfel zwischen ihnen geworden und sorgte in regelmäßigen Abständen für Missstimmung, nicht nur der Hänseleien wegen.

      ›Fremde‹ – Inga mochte Menschen aus anderen Ländern einfach nicht. Zunächst hatte er ja noch geglaubt, das werde sich mit der Zeit legen. Doch das Älterwerden hatte ihre unbestimmten Befürchtungen und Vorurteile zu fest gefügten Überzeugungen verbacken. Gegen die zusätzlichen Einnahmen hatte sie natürlich nichts. Das Geld der Fremden war ihr immer willkommen gewesen! Keine Rede davon, dass Gunnar es etwa für sich behalten und nach seinem eigenen Gutdünken damit verfahren durfte! Zweierlei Maß, wohin man schaut! Gunnar knurrte ärgerlich.

      Er war in der Küche fertig, ging ins Bad und sammelte dort halb leere Shampooflaschen ein, vergessene Zahnbürsten und eine kleine gelbe Quietschbadeente. Er drückte sie ein paar Mal und grinste.

      »So eine durfte auch mit mir in meiner Badewanne schwimmen, als ich noch ein Kind war!«, murmelte er.

      Er versuchte sich zu erinnern – meine Güte!

      »Das muss jetzt auch schon weit über 60 Jahre her sein!« Gunnar war betroffen. »Manche Dinge kommen eben nie aus der Mode, tauchen in jeder Generation wieder auf!« Er seufzte noch einmal, diesmal etwas wehmütig.

      Nicht, dass er wirklich bedauerte, nicht mehr ganz jung zu sein. Nein! Aber das Älterwerden hatte so seine unübersehbaren Schattenseiten. Er wurde haarloser und litt unter einer Vielzahl von Beschwerden und Wehwehchen. Seine zunehmende Arthrose ließ die Gelenke unbeweglich werden, machte jeden Schritt zur Qual. Die Augen wurden schlechter, genauso wie das Gehör. Für viele Arbeiten, die er früher im Vorbeigehen erledigte, brauchte er heute die Hilfe seines Sohnes. Aber der hatte leider nicht immer Zeit und so musste Gunnar seine Wünsche frühzeitig anmelden, damit sein Sohn ihn in seinem Terminkalender vermerken konnte.

      Darüber ärgerte er sich schon manchmal.

      Andererseits war er sehr stolz darauf, einen gefragten Wissenschaftler zum Sohn zu haben: Prof. Dr. Klaus Hilmarström. Das klang gut, fand Gunnar, obwohl es natürlich noch besser gewesen wäre, wenn Klaus Medizin studiert hätte. Aber Dr. der Physik war auch ganz in Ordnung.

      Als er durch den Wohnraum kam, schaltete er das Radio so laut ein, dass er die Musik in allen Zimmern hören konnte und es nicht mehr so unheimlich still im Haus

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