Ferienhaus für eine Leiche. Franziska Steinhauer

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Ferienhaus für eine Leiche - Franziska Steinhauer Mord und Nachschlag

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      Diese Einsamkeit war es, die seine Feriengäste besonders schätzten. Schwedenurlaub war Natur pur. Wenn man es nicht direkt darauf anlegte, konnte man hier wochenlang wohnen, ohne überhaupt jemanden zu treffen.

      Ein Hausfrauensender dudelte ein Wunschkonzert mit ›Hits from yesterday‹ und dazwischengeschalteten Kochrezepten.

      »Genau das Richtige für mich. Die Texte kenn’ ich noch von früher«, murmelte Gunnar und machte sich etwas beschwingter wieder an die Arbeit.

      In den Schlafräumen inspizierte er das Bettzeug, legte es dann ordentlich zusammen und verstaute die Einziehdecken und Kissen in den geräumigen Einbauschränken. Zufrieden sah er sich um. Die letzte Familie hatte die vertraglich vereinbarte Endreinigung offenbar sehr sorgfältig durchgeführt. Nichts deutete mehr auf die ehemaligen Bewohner hin. Selbst unter den Betten war alles sauber! Er grunzte anerkennend.

      Mit einem reinigungsmittelgetränkten Tuch wischte er alle Türen und Oberflächen ab, rieb die Klinken, bis sie glänzten, trug japsend den Fernseher in sein Auto – man konnte ja nie wissen, und sicher ist sicher – und wischte dann die Böden gründlich feucht auf.

      Dabei hörte er zu, wie eine junge Dame die Zubereitung ihres Lieblingsgerichtes erklärte: Janssons Frestelse*. Gunnar lief das Wasser im Mund zusammen. Inga kochte lieber leichte Kost, angeblich, weil Gunnar auf sein Cholesterin und seinen Blutdruck achten musste. Aber, war er fest überzeugt, in Wahrheit versuchte sie nur, Arbeit zu sparen. Ein grüner Salat und ein bisschen Pute dazu – nicht zu vergleichen mit Janssons Verführung! Nein, wirklich nicht!

      Das Bad und die Küche mussten immer besonders intensiv gereinigt werden, damit es im Frühjahr, wenn er alles für die neuen Feriengäste vorbereitete, nicht aus den Abflüssen und der Toilette stank. Gunnar schraubte die Siebe auf, entfernte Haare und Seifenreste und goss zum Schluss einen ordentlichen Schuss Chlorreiniger in Waschbecken, Toilette und Spüle. Befriedigt hörte er die Flüssigkeit in der Tiefe der Rohre gurgeln und zischen.

      Fast geschafft, dachte er, als er die Teppiche abgesaugt und die benutzten Tischdecken auf dem Küchentisch gestapelt hatte. Die Schmutzwäsche würde er beim Rausgehen zum Waschen mitnehmen. Auf der einen war ein unschöner roter Fleck, bestimmt Kirschsaft. Inga würde wahrscheinlich wieder ein Riesengezeter veranstalten. Aber wenigstens war sie bereit, die Wäsche aus dem Häuschen zu waschen, nachdem Gunnar einmal alle Bettbezüge mit einer übersehenen roten Socke rosa verfärbt hatte und sie mehrere neue Garnituren kaufen mussten.

      Bei dem Gedanken an die zu erwartende Tirade zog er automatisch abwehrend die Schultern hoch.

      Tja, erinnerte sich Gunnar versonnen lächelnd, natürlich war auch seine Inga einmal eine schöne, liebevolle Frau gewesen. Als sie vor gut vierzig Jahren geheiratet hatten, war sie fröhlich und lebenslustig gewesen. Doch mit den Jahren war ihr unbeschwertes Lachen vertrocknet und dann langsam ganz gestorben – geblieben waren ihre schreckliche Neugier, ihr energisches Gehabe und ihr unermüdliches Gerede.

      Er seufzte melancholisch.

      Ein Blick in den Kühlschrank – sauber ausgewischt.

      Dann stieg er, eine Radiomelodie mitsummend, die enge finstere Wendeltreppe in den Keller hinunter und stellte Strom und Wasser ab.

      Bei seiner Rückkehr war die Musik verstummt und Gunnar wieder ganz allein in seinem für den Winterschlaf vorbereiteten Sommerhaus. Schon seltsam, wie unheimlich Ruhe und Stille sein können, überlegte er, schalt sich albern und etwas senil und beschloss im selben Augenblick, in Zukunft sein batteriebetriebenes Radio von zu Hause mitzubringen, wenn er hier putzte.

      Schon im Gehen begriffen, fiel ihm plötzlich siedend heiß der Dachboden ein!

      Die meisten Familien hatten Kinder mitgebracht. Man konnte ja nie wissen, wo die überall nach Abenteuern gestöbert hatten. Gunnar erinnerte sich noch gut daran, dass eines der Kinder vor ein paar Jahren heimlich eine Katze als Haustier auf dem Dachboden versteckt und bei der Abreise vergessen hatte. Die Eltern riefen von einer Autobahnraststätte aus an und informierten ihn darüber, nachdem das kleine Mädchen ihnen unter Tränen alles gebeichtet hatte. Natürlich war er sofort losgefahren und hatte das inzwischen völlig verstörte, schreiende und fauchende Tier befreit.

      Seither kontrollierte er noch gründlicher!

      Der Stab mit Haken, mit dem er normalerweise die in die Decke eingelassene Klappe öffnete, war unauffindbar. Den würde er also auch noch suchen müssen! Zum Glück waren die Decken in den Sommerhäuschen niedrig und wenn man sich streckte, konnte man die Öse auch so erreichen. Also reckte er sich so hoch er konnte, schob schnaufend seinen kurzen, dicken Zeigefinger in die Öse und zog sie leicht zurück. Befriedigt hörte er das laute Schnappen des Mechanismus. Mit beiden Händen stützte er die Klappe, die ihm beim letzten Mal noch viel leichter vorgekommen war.

      Als sie herunter schwang nahm Gunnar den Mief wieder stärker wahr.

      Vielleicht müsste man doch die alten Matratzen entsorgen. Er würde das im Frühjahr in Angriff nehmen, nahm er sich fest vor, wenn er das Haus wieder für die Saison herrichtete.

      Mit lautem Rumpeln glitten die Schienen übereinander und der Vermieter setzte die Stiege beinahe zärtlich im Flur auf. Dann kletterte er langsam hinauf, um sich hier oben umzusehen und bei der Gelegenheit die Matratzen zu zählen, die seit Jahren auf dem Dachboden lagerten.

      »Was hier noch alles rumsteht. Wir werden den großen Anhänger zum Abtransport nehmen müssen«, murmelte er und ging gebückt zwischen den ausrangierten Möbelstücken umher. Staub wirbelte bei jedem Schritt um seine Füße und überzog seine Schuhe und die Hose mit einem flockigen, grauen Film. Flirrende Wolken tanzten im Sonnenlicht, das spärlich durch die beiden gegenüberliegenden Giebelfensterchen fiel, die das ganze Jahr über leicht geöffnet blieben, um das Dach gut zu lüften und der Entstehung von Feuchtigkeit vorzubeugen.

      Der Schimmel würde sich sonst in den alten Matratzen und Decken ausbreiten.

      Immer wieder wehten kleinere Windböen durch den niedrigen Raum und ließen neue Wollmäuse durch den Dachboden huschen. Spinnen hatten sich an den Dachsparren niedergelassen und weit gespannte Netze gebaut, die im Licht funkelten.

      Kunstwerke besonderer Art, filigran und vergänglich.

      In der Ecke, neben einem der Giebelfensterchen, stand ein alter Lehnstuhl, dessen Bezug verschlissen und von Mäusen angenagt worden war. Früher war es der Sessel seines Großvaters gewesen, entsann sich Gunnar, und niemand sonst durfte ihn benutzen. Gunnar konnte sich nicht daran erinnern, dass etwa ein Kind oder Enkel es gewagt hätte, sich heimlich in diesen Sessel zu setzen. Nach Opas Tod ließ seine Großmutter den Stuhl auf den Dachboden bringen, damit niemand ihn je wieder ›besitzen‹ konnte.

      Als Gunnars Augen sich an das diffuse Licht gewöhnt hatten, trat er geduckt zu der Holztruhe, in der schon seine Urgroßmutter ihre Aussteuer aufbewahrt hatte.

      Auch hier roch es deutlich nach Verfall und Verrottung.

      »Vielleicht hat es im Winter reingeregnet. Da kommt es schon mal vor, dass die Feuchtigkeit sich irgendwo in dem Ding festsetzt und die Decken schimmeln«, sagte er zu sich selbst, während er das Dach nachdenklich betrachtete und nach einem Loch fahndete. »Dann sollte ich das Zeug besser gleich mitnehmen, bevor sich der Schimmel ausbreiten kann«, überlegte er laut.

      Aber das Dach über ihm ließ kein Licht durchscheinen.

      Gunnar drehte sich wieder um und fuhr mit der flachen Hand kosend über die Intarsienarbeit

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