Nirvana. Michael Azerrad

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Nirvana - Michael  Azerrad Rockbiographien

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„Ich glaubte, dass die Kinder von dort einer höheren Kaste angehörten und ich es gar nicht wert war, mit ihnen zusammen zu sein“, sagte er.

      In der Schule las er Bücher von S.E. Hinton wie Rumblefish und The Outsiders und vermied jede Unterhaltung. Er sagte, dass er in diesem Jahr keine einzige Freundschaft geschlossen hatte. Stattdessen spielte er jeden Tag nach dem Heimkommen so lange Gitarre, bis es Zeit war, ins Bett zu gehen. Er wusste schon, wie „Back in Black“ ging, und setzte sich selbst noch ein paar Coverversionen zusammen – „My Best Friend’s Girl“ von den Cars, „Louie, Louie“, und „Another One Bites the Dust“ von Queen.

      Anfang 1980 – im Alter von zwölf Jahren – sahen er und sein Freund Brendan die B-52s in der „Saturday Night Live“-Show. Der New-Wave-Stachel erwischte sie voll, und Brendan brachte seine Eltern dazu, ihm karierte Schuhe zu kaufen. Kurts Vater konnte sich das nicht leisten, also zeichnete sich Kurt eben ein Schachbrettmuster auf seine normalen Schuhe.

      Irgendwann um die Sommerzeit vor dem zehnten Jahrgang begann Kurt, in der Zeitschrift Creem die Großtaten der Sex Pistols zu verfolgen. Die Idee des Punkrock faszinierte ihn. Unglücklicherweise führte das Plattengeschäft in Aberdeen keinen Punkrock, er wusste also nicht, wie das überhaupt klang. Alleine in seinem Zimmer spielte er dann so, wie er dachte, dass es klingen müsste – „drei Akkorde und viel Geschrei“, sagte Kurt. Gar nicht so weit daneben, wie sich herausstellte.

      Einige Jahre später erstand er endlich eine „Punk“-Platte, das ausladende und eklektische Drei-LP-Set Sandinista von den Clash, und er war sehr enttäuscht, als das gar nicht so klang, wie er sich Punk vorgestellt hatte.

      Kurt beschrieb seine frühe Musik als „wirklich ungehobelten Gitarren-Rock.“ „Sie war so ähnlich wie Led Zeppelin, aber wirklich rau und ungehobelt, ich wollte sie so aggressiv und gemein machen, wie ich nur konnte“, sagte er. „Ich dachte: Wie ist Punkrock wirklich? Was ist er? Wie widerlich ist er? – Und ich versuchte, so widerlich zu spielen, wie ich nur konnte. Ich drehte den Verstärker voll auf. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung, was ich machte.“

      „Auf jeden Fall war es ein guter Anstoß“, sagte Kurt. „Ich fasste es als Berufung auf. Es war meine Mission. Ich wusste, dass ich üben musste. Sobald ich meine Gitarre hatte, war ich besessen davon. Ich hatte dieses Gefühl die ganze Zeit über – ich wusste immer, dass ich etwas Besonderes machte. Ich wusste, es war besser, obwohl ich das damals nicht beweisen konnte. Ich wusste, dass ich etwas anzubieten hatte und schließlich und endlich die Möglichkeit haben würde, den Leuten zu zeigen, dass ich gute Songs schreiben konnte – dass ich etwas zum Rock’n’Roll beitragen würde können.“

      Kurt war wild darauf, den nächsten logischen Schritt zu unternehmen und eine Band zu gründen. „Ich wollte das Gefühl erleben, einen Song zu schreiben und ihn von allen Instrumenten gemeinsam gespielt zu hören. Ich wollte das. Zumindest zur Probe. Das war mein einziges Ziel.“ Bis dahin sollte es noch vier Jahre dauern, aber man kann ihm nicht vorwerfen, dass er sich nicht bemüht hätte.

      In der Schule lernte er zwei Jungs namens Scott und Andy kennen, sie spielten Bass und Gitarre und machten in einem verlassenen Fleischlager tief im Wald Jam-Sessions. Kurt spielte einmal mit, und die drei beschlossen, eine Band zu gründen. Kurt ließ sich breitschlagen, seine Gitarre draußenzulassen – er würde sowieso am nächsten Tag wieder zur Probe kommen. Aber Scott und Andy schoben das Üben immer wieder hinaus, und Tage wurden zu Wochen, Wochen zu Monaten. Kurt konnte sein Instrument nicht zurückholen, denn er hatte kein Auto, und seine Mutter weigerte sich, ihn hinauszufahren. Er behalf sich mit der rechtshändigen Gitarre eines Jungen, dessen Mutter gestorben war und der nun bei ihnen im Haus wohnte. „Er war andauernd bedröhnt, ein echter Kiffer“, sagte Kurt. „Ich mochte ihn, weil er ein richtig depressiver Mensch war.“ Endlich bekam Kurt dann einen Freund so weit, mit ihm in den Wald zu fahren, um seine Gitarre zu holen, doch sie fanden nur mehr Bruchstücke – den Hals und ein paar elektronische Innereien. Kurt bastelte sorgfältig an einem neuen Korpus, aber er fand einfach nicht die richtigen Proportionen, damit sich die Gitarre stimmen ließ.

      „Als ich viel jünger war, so etwa mit sieben, war ich besessen davon, ein Rockstar zu werden“, erzählte Kurt. „Es gab überhaupt kein Problem, denn ich war hyperaktiv und die Welt lag mir zu Füßen – ich konnte alles tun. Ich wusste, ich könnte Präsident werden, wenn ich nur wollte, aber das wäre dumm gewesen – ich wollte Rockstar werden. Es gab keinen Zweifel. Ich stand auf die Beatles, aber ich begriff weder meine Umwelt, noch was vor mir lag und welche Entfremdungen ich als Teenager erleben würde.“ „Aberdeen war für mich eine amerikanische Stadt wie alle anderen“, setzte Kurt fort. „Ich dachte, dass sie alle gleich wären – jeder lebte so vor sich hin, und es gäbe bei weitem nicht so viel Gewalt wie man sagte und alles wäre in Wahrheit ganz einfach. Ich dachte, die Vereinigten Staaten wären ungefähr so groß wie unser Hinterhof, also wäre es kein Problem, überall herumzufahren, in einer Rockband zu spielen und auf die Titelseiten der Magazine zu kommen.“

      „Aber mit neun, als ich manisch depressiv wurde, sah plötzlich alles ganz anders aus. Alles wurde unwirklich.“

      Im zehnten Jahrgang hatte Kurt alle Vorstellungen von Ruhm aufgegeben. „Ich war damals sehr eigenbrötlerisch und unsicher“, sagte er. „Ich hatte so wenig Selbstvertrauen, dass ich mir nichts mehr vorstellen konnte, was mit dem Leben eines Rockstars zusammenhing. Ich konnte mir keine Femsehshows, Interviews oder so vorstellen. Das kam mir nicht einmal in den Sinn.“

      Kurts Vater hatte ihn in das Babe-Ruth-Baseballteam gesteckt. Kurt wärmte hauptsächlich die Bank, und immer, wenn er drankam, schied er mit Absicht aus, damit er mit dem Spiel nur ja nichts zu tun bekam. Auf der Bank unterhielt er sich mit einem Kerl namens Matt Lukin, vornehmlich über Kiss und Cheap Trick. Die beiden waren einander schon in Elektronik-Stunden in der Montesano Highschool begegnet. Lukin erinnert sich an Kurt als „den kleinen aufmüpfigen Jungen mit fettigen Haaren.“

      Lukin spielte Bass bei einer lokalen Band namens Melvins, die Kurt schon einmal im Sommer vor dem neunten Jahrgang proben gesehen hatte. Kurts Freund Brendan kannte damals jemanden, der wiederum den Schlagzeuger der Melvins kannte, und so besorgten sie sich eine Einladung zu einer Probe der Melvins, die damals auf einem Dachboden stattfand. Die Melvins waren zu diesem Zeitpunkt noch keine Punkband, sondern spielten Coverversionen von Jimi Hendrix und den Who.

      Kurt sah zum ersten Mal eine wirkliche Rockband aus der Nähe und war unheimlich begeistert. „Ich trank den ganzen Abend lang Wein und war stockbesoffen und abstoßend, und ich erinnere mich noch, dass ich den Melvins ungefähr eine Million Mal gratuliert hatte“, sagte Kurt. „Ich war so begeistert, dass Leute meines Alters in einer Band spielten. Es war großartig. Ich dachte: ,Wow, diese Jungs haben so ein Glück.’“ Die Melvins fanden den schmierigen kleinen Scheißer abstoßend und warfen ihn raus. Weil er so betrunken war, fiel er auch noch von der Dachbodenleiter.

      Im Kunstunterricht der Montesano Highschool traf Kurt den Leader der Melvins, Buzz Osborne, wieder, er war stämmig und sah ziemlich wild und alt aus. Zu dieser Zeit war Osborne ein großer Fan der Who, aber er kratzte bald die Kurve zum Punkrock. Er besaß ein bebildertes Buch über die Sex Pistols, das er Kurt sogar lieh – und Kurt war fasziniert davon. Zum ersten Mal sah er mehr vom Punk als nur die kleinen Blitzer in Creem. „Da waren die Sex Pistols in ihrer ganzen Wildheit“, sagte Kurt, „und ich konnte alles über sie lesen. Das war wirklich cool.“ Sehr schnell begann er, das Logo der Pistols auf alle Schreibtische und seine Tasche zu zeichnen. Dann begann er jedem, der es hören wollte, zu erzählen, dass er eine Punkband gründen wollte und dass sie sehr bekannt werden würde – dabei hatte er immer noch keine Vorstellung davon, wie Punkrock wirklich klang.

      „Mich beeindruckte, dass er so ein Freak war“, meinte Kurt über Osborne. „Ich wollte ihn unbedingt näher kennenlernen.“ Kurt bewunderte Osborne, weil er eine Punkband hatte, die manchmal sogar in Seattle und Olympia auftrat. „Und ich wollte zu diesem

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