Die dünne Frau. Dorothy Cannell

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Die dünne Frau - Dorothy  Cannell

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natürlich! Ich kann Sie vollkommen verstehen.« Vor lauter Schreck ließ ich den Hörer fallen, er polterte zu Boden.

      Jill hockte auf einem Stuhl neben meinem linken Ohr. »Hör auf zu katzbuckeln.«

      »Sst.« Ich entriss ihr die Schnur und sprach ins Mundstück. »Keine Sorge, mir ist nur das Telefon runtergefallen, nicht das Gebiss.«

      Ungeduldiges Atmen kam durch den Draht. »Miss Simons, ich nehme pro Monat nur wenige Aufträge an. Die Begleitung alleinstehender Damen ist nicht mein Hauptberuf, deshalb trachte ich, meinen Terminplan so weit wie möglich im Voraus aufzustellen. Um welche Zeitspanne handelt es sich bitte, und wann?«

      »Wann?«, echote ich. »Ich dachte, Mrs. Swabucher hätte Ihnen – einen Moment bitte. Sie müssen vielmals entschuldigen. Ich weiß, ich hab die Einladung hier irgendwo in meiner Handtasche. Sie wollen die Daten wissen?«

      »Leiden Sie an Gedächtnisschwund, Miss Simons?«

      »Wie witzig, Mr. äh …!« Ich kicherte wie ein blondes Doppeldummchen. »Ich mag Männer – Leute – mit Sinn für Humor.«

      Ich hielt die Hand über den Hörer und zischte Jill verzweifelt zu: »Wann fahre ich?«

      Sie schloss schmerzlich berührt die Augen. »An was erinnern dich schwarze Katzen und Spinnen am Morgen? Freitag, der dreizehnte! Und hör auf, so zu winseln, das ist menschenunwürdig.«

      Jill hatte recht. Schluss mit dem Unsinn! Ich reckte die Schultern und ahmte meinen Bankberater nach, wenn er mir klarmacht, dass er meine Schecks mit einer Hand platzen lassen kann. »Mr. Hammond, ich habe alle Informationen parat. Die Daten sind dreizehnter bis fünfzehnter Februar.«

      »Haskell. Bentley T. Haskell. Wie ich von unserer gemeinsamen Bekannten Mrs. Swabucher erfahre, ist Ihre Situation etwas ungewöhnlich und Sie suchen mehr als lediglich einen Begleiter. Ich soll mich als der getreue Lebengefährte ausgeben?«

      »Kostet das extra? Kein Problem. Sie können das Geld in bar haben, wenn Sie wollen.«

      »Vielen Dank, und zwar in nicht registrierten Scheinen, wenn’s geht.«

      Komischer Mensch. Verachtete er seine Arbeit, fand er sie erniedrigend? Er klang in Eile, sich rasch wieder einem Zeitvertreib zuzuwenden, wie er kultivierten Herren ansteht.

      »Sollen wir uns treffen, bevor wir losfahren?«, fragte er. »Dann können Sie mich über die Einzelheiten ins Bild setzen.«

      »Nein, das wird nicht nötig sein.« Ich sah keine Veranlassung, diesem ohnehin feindseligen Herrn einen Grund zu liefern, sich zu drücken. Mrs. Swabuchers barmherzige Beschreibung von mir mochte von der Wirklichkeit abweichen. »Wenn Sie mir Ihre Adresse geben, Mr. Haskell, schicke ich Ihnen den Terminplan – Abfahrtszeit, Reiseziel usw.«

      »Vielen Dank, aber richten Sie alle Korrespondenz an das Büro. Meine Privatadresse gebe ich Klienten nicht.«

      Hatte der Mann Angst, ich könnte in einer stürmischen Nacht auf seiner Türschwelle erscheinen und ihn vergewaltigen? »Wunderbar.« Wo hatte ich nur meine Gedanken? »Wie Sie, Mr. Haskell, möchte ich das Ganze rein geschäftlich behandeln.« Ich lachte silberhell auf, um ihm zu zeigen, wie spaßig ich alles fand.

      »Störe ich Sie gerade beim Essen?«

      »Nein.« Wollte er das Visier herunterlassen und mich einladen?

      »Ich dachte schon, Sie hätten sich verschluckt.« So viel zu meinem Charme! Bevor er auflegte, erwähnte ich Transportmittel. Ich hatte daran gedacht, mit dem Zug zu fahren, aber als er sein Auto vorschlug, fand ich das Angebot unwiderstehlich. Sofort hatte ich vor Augen, wie wir majestätisch durch die Tore von Merlins Schloss rauschten.

      »Gut«, sagte ich zu Mr. Haskell. »Setzen Sie das Benzin mit auf die Rechnung.«

      Was er zusicherte, bevor er auflegte.

      Ich saß neben dem Telefon, starrte die Decke an und presste die Knie zusammen. Sie schlotterten schlimmer, als meine Zähne klapperten.

      »Wie heißt er?«, fragte Jill. Ich sagte es ihr. »Hört sich an wie ein Auto«, fand sie.

      »Jill, du weißt, ich reagiere sehr empfindlich auf Namenswitze.«

      »Entschuldige. Hatte vergessen, dass Ellie eine Abkürzung ist. Wie wär’s, wenn wir zur Feier eine Flasche Rhabarberwein köpfen?«

      Sobald ich mich von dem Schock erholt hatte, wurde es ein schöner Abend. Ich ließ das Telefongespräch noch einmal Revue passieren und redete mir ein, jemand, der so schroff und unhöflich war wie Bentley Haskell, musste ein Prachtexemplar sein. Weniger attraktive Männer geben sich mehr Mühe. In jedem Lore-Roman ist der ansehnliche Held anfangs ein abweisendes Raubein, bis die Heldin ihn sich mit samtweichen Pfötchen gekrallt hat. In Gedanken versah ich Mr. Haskell mit einem interessanten Hinkegang und einer Narbe auf gebräunter Wange – Überbleibseln des unvermeidlichen Jagdunfalls.

      Nach dem dritten Glas Wein war ich richtig gut drauf. Wieder nüchtern fiel mir am nächsten Morgen ein, dass all diese Heldinnen aussehen wie Vanessa. Sollte ich je in einem Lore-Roman besetzt werden, dann mit der drallen Minna, die als treuer Dienstbolzen durchs Leben trudelt. Das ist die Wirklichkeit.

      Die nächste Woche verging in einem Taumel der Entschlusslosigkeit. Ich verbrauchte meinen gesamten Vorrat an Briefpapier – Geschenke aus drei Jahren – für Entwürfe an Mrs. Swabucher mit der Anweisung, meinen Auftrag zu streichen; alle wurden wütend zerrissen und im Küchenherd verbrannt. Tobias, dieses furchtlose Raubtier, wagte nicht mehr, »miau« zu sagen. Ich war barsch zu Jill. Mit einem Wort, ich war völlig fertig und wurde von Minute zu Minute fetter. Die Zeit wurde knapp. Ich schrieb Tante Sybil, ich käme in Begleitung, und schickte der Agentur den Terminplan mit der Bitte, ihn an Mr. Haskell weiterzuleiten.

      Als der Schicksalstag heraufkam, waren meine Augen blutunterlaufen und meine Haut – meine einzige Attraktion – übersät mit roten Flecken. Die Minuten verrannen unaufhaltsam und brachten den geisterhaften Mr. Haskell immer näher. Ich konnte die Schlüssel zu meinem Koffer nicht finden, und die Haferschleim-Eiweiß-Gesichtsmaske, die mir Jill verpasst hatte, war zu Beton erstarrt. Eine Weile hatten wir Angst, wir müssten jemand von der nächsten Tankstelle holen, um mich rauszumeißeln.

      »Schade, dass es kein Kostümfest ist«, seufzte Jill. »Du könntest prima als Felsbrocken gehen.«

      Glücklicherweise musste ich lachen und der Fels bröckelte. Jetzt kam die nächste schwierige Prozedur – mich in neue Strumpfhosen zu quetschen, ohne dass sie platzten wie zu stark aufgeblasene Ballons.

      Jetzt noch den Kaftan über den Kopf.

      »Meinst du wirklich, ich bin passend angezogen?« Ich mühte mich mit einem widerspenstigen Perlohrring ab.

      »Klar!« Jill stopfte meinen linken Fuß in einen schwarzen Ripsschuh, den ich seit Jahren nicht getragen hatte.

      »Heutzutage kannst du in Packpapier rumlaufen und keiner zuckt auch nur mit der Wimper.«

      »Wie spät ist es?« Ich suchte meine kleine goldene Uhr. Meine normale im Big-Ben-Format passte nicht zu der Aufmachung. »Er kommt um halb vier.«

      »Du hast noch Zeit. Obwohl ich finde, du solltest nicht ewig diesen Oma-Dutt tragen oder wenigstens was mit deiner Haarfarbe machen.

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