Wunderwarten und Zeitabsitzen. Matthias Herrmann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wunderwarten und Zeitabsitzen - Matthias Herrmann страница 3

Wunderwarten und Zeitabsitzen - Matthias Herrmann

Скачать книгу

Eine Zugewinnschicksalsgemeinschaft, ohne irgendeine Spur hinterlassen zu haben. Wahrscheinlich haben die beiden sich schon längst getrennt und wir reden hier immer noch über das Licht eines Sterns, den wir noch sehen, der aber vor aber Milliarden Lichtjahren bereits kollabiert ist. Oder reden wir von dem Reden an sich? Zurück zur Luftbewegung, die so manch einer Kommunikation schimpft.

      Aus der Sicht der Tuffsteinbetrachtung fehlen uns hier auch die Worte. Quarzitschweigen wollen wir das an dieser Stelle einmal nennen. Das ist noch nicht so schlimm wie Bimssteinstille und auch nicht so undurchsichtig wie Obsidiansprachlosigkeit, aber es trifft hier doch einen ziemlich neidgelben Nerv.

      Tiefe Faszination bei dem Wort Wobbler empfunden. Ein Wobbler ist ein künstlicher Köder, den man zum Angeln von Raubfischen einsetzt. Entzückend, dass eine spezielle Wobblerart, dann auch noch Popper heißt. Da erinnert man sich an das Foto des in die Baumrinde eingeritzten Spruches ‚Popper are wankers‘ aus den achtziger Jahren. Wobbler ist auch lautsprachlich sehr repräsentativ für die Situation, die sich hier gerade abzeichnet. Dumpf steigt sie dann unaufhaltsam, teerzäh und klebrig, unvermeidlich doch hoch: die Obsidiansprachlosigkeit. Hinfort das Quarzitschweigen. Verflogen die Bimssteinstille… Ciao bella!

      Und dann klingelt mitten in der Nacht das patagonische Kalksprengsel. Mit nichts am Leib und nichts in der Hand. Nichts hat es hinter sich gelassen außer einem lebenslangen Nichts und will auf der Couch schlafen. Und was sagt man dann dazu?

      Urmuz versucht es mit NICHTS.

      5.

      Brecheeis verschwand in dem Mauseloch seiner violettgeschwollenen Seelenlosigkeit, um sich auf deren Rückseite in einem vergitterten Spiegel zu sehen. Aufmüpfige kleine Wesen, die quantenphysikalisch noch nicht erfasst waren und die wir hier schlicht ‚Günter- Teilchen‘ nennen wollen, umschwirrten das Nichts in Überlichtgeschwindigkeit mit mehr Dimensionen, als es einem weiten Geist wie Brecheeis in den Sinn hätte kommen können. Gletscherflug klingelte an der Tür, da er Brecheeis zu einem Kochkurs mit Wasserdampfvarianten abholen wollte. Er musste aber feststellen, dass er es schon wieder vergessen hatte, was er feststellen wollte und wendete sich verwirrt und indigoschwanger von der Tür ab. Auf der Treppe vor dem Haus fand er ein verwaistes Zwischendimensionsteilchen, welches zitternd in der Kälte auf den nächsten elektromagnetischen Impuls aus Timbuktu wartete. Stattdessen erhielt es erneut eine Impfung gegen Redundanz und drohte aus der Geschichte zu fliegen, wenn da nicht der schützende Gletscherflug vorbeigekommen wäre. Gletscherflug beugte sich, ob seines ausgeprägten Rückenleidens, stöhnend zu dem Teilchen und fragte es nach seinem Leid. Wimmernd gab es zu Protokoll, dass es sich viel zu klein für den Weltfrieden und die Erschließung neuer Nahrungsquellen für überbevölkerte Länder fühle und erntete den Hohn und Spott von Gletscherflug. Er scholt das Teilchen, das Jammern zu beenden und sich gegen die Decke zu strecken.

      Wie es dann genau passiert war, konnte niemand mehr sagen, aber Brecheeis war aus dem Lande der vergitterten Spiegel herausgekommen und stand plötzlich neben Gletscherflug und dem Stacheldraht biegenden Zwischendimensionsteilchen. Er habe eine Lösung, bat er Gletscherflug an. Dieser des graugrünen Jammerns überdrüssig bejahte dankend, worauf Brecheeis das Günter- Teilchen frei ließ und mit dem Zwischendimensionsteilchen nach einer wilden Beschleunigung vor den Altar der Ewigen Verschmelzung führen ließ. Phosphoreszierend war das Licht und verbeugte sich immer wieder vor der Avogadro- Zahl, um dann nach der Verlesung der Heisenbergschen Unschärferelation, das frisch fusionierte Teilchen auf einigen Quarks in den Sonnenuntergang reiten zu lassen. Brecheeis und Gletscherflug, beide sich eine Träne der Rührung und Genugtuung aus dem Augenwinkel wischend, erinnerten sich wieder ihres eigentlichen Abendziels und schlenderten die Brücken, Weg und Treppengänge ihrer gemeinsamen Jugend ab, um dann alles mit Wasserdampfvariationen feierlich zu beenden.

      6.

      Komposition für Unterführung, Triangel und Obdachlosenschnarchen. Aufführungsort: der Hofgarten in Düsseldorf. Oh, wie aufgeregt ist Urmuz, als der Obdachlose das Schnarchen anfängt. Zwei Flaschen Lambrusco und eine halbe Flasche Frühstückskorn hat er als ‚Stimmung‘ für diesen Klang aufwenden müssen. Das Schnarchen hallt von den Wänden der Unterführung wieder. Dann stellt sich jedoch heraus, dass der Obdachlose Atemaussetzer hat und somit Lücken im Rhythmus und dem Bordun entstehen. Also muss Urmuz den Obdachlosen immer wieder treten, damit dieser dann seufzend weiter schnarcht. Der erste Ton der Triangel wird über das Schnarchen gelegt. Auch er wird liebreizend von den betonwänden der Unterführung zurückgeworfen. Dann nähert sich ein Fondmanager auf seiner Wochenend-Mountainbiketour. Den Obdachlosen und Urmuz sehend, bremst er zunächst etwas ab, um dann, als er sieht das genug Platz zum Vorbeifahren ist, schnell durch die Unterführung zu fahren. Knirschende, an die Wände geschleuderten Steine, das Rasseln der Kette, der erneute Ton der Triangel und das sonore Schnarchen des abgefüllten Obdachlosen bilden einen schillernden Libellenflügel an Klang. Der Nachhall wird durch einen Ton der Triangel intensiviert und dann… Hat der Obdachlose wieder einen Aussetzer und plötzlich herrscht Stille. Urmuz überlegt kurz einen anderen Obdachlosen zu engagieren, als er eine Mutter mit Kinderwagen auf die Unterführung zukommen sieht. Schlabbernd holt der Obdachlose wieder Luft und das Schnarchen ist wieder zu hören, dann einen Ton von der Triangel und den ruhigen, kontinuierlichen Sound von sanft daher geschobenen Rädern eines Kinderwagens. Ein flacher Regenabfluss auf dem Boden lasst den Kinderwagen etwas hin- und her schaukeln, so dass die Kinderrassel, die Über dem Kind hängt zartes Klackern in den Hall der Unterführung mischt. Dazu kommt der ruhige Schritt der Mutter. Für wenige Sekunden ist der Klang und Wiederklang von Schnarchen/Schmatzen, dem Triangelton, dem Klapperrasseln, dem Schritt und der Unterführung zartblau-kosmisch. Dann erblickt die Mutter den Obdachlosen und beschleunigt ihren Schritt. Hektik, Abscheu und Schrecken dissharmonisieren die Komposition und der Urklang verfliegt ins Niemehrgehörte…

      Ende einer Komposition. Verflogen das Konzert… Auf Nimmerwiedersehen, Hofgarten… Den Obdachlosen ließ Urmuz einfach dort liegen, hatte er doch seine Bezahlung schon erhalten.

      Urmuz verliert sich in seinen Tagträumen, wobei er sich gerade gefragt hat, ob es unter Kacheln an der Wand auch so etwas wie eine Hierarchie gibt.

      7.

      Die Verwirrung nahm ein Ende, als das Chaos einsetzte. Divers kolorierte Funkenregen und mit Stoffflicken übersäte Wasserfallnebel drängten sich dicht und schwer verkatert in sämtlichen Fugen des Raumen. Wunderumgeben und Steinguttrunken verließen alle guten Geister den unverlassbaren Raum, um sich im Rahmen der Tür für die Überwinterung vorzubereiten. Ohne warme Mütze zu einem der Pole, das würde ihre Gewerkschaft noch nicht einmal bei vollem Lohnausgleich und eine Puffflatrate mitmachen. Urmuz zählt mal wieder auf eine günstige Entwicklung des Schicksals, als ihm das Wort Chaos erneut in den Sinn kam…In Phasen Hasen Blasen haben, das sind die Hasenphasenblasen. Chaos, die gähnende Leer, das Dasein in einer kleinen Etagentoilette. Riebesehl, Riebesehl, delirverflattertes Wochenende. Kakerlakenparaden auf allen Boulevards dieser Welt. Im Gleichschritt von der Zukunft weg. Girlanden aus Mittagssonne ersehnend, in Stimmen sprechend und doch nur auf dem Boden herum raschelnd. Bescheidener Abschluss eines ehemaligen Millionengeschäftes. Oh, ja, die Gier. Sie brach schon so manch einen Hals und verletzte sich dabei nachhaltig. Narbenübersätes Antlitz, Kohlblattauge in abgerundetem blau. Kuhaugenmuhen unter dem Baum am Dorfanger. Stelldichein im Kasernenhof, direkt hinter der Asservatenkammer der Unschuld. Die Spritze zu einsneunzig, gegeben von der Pastorin im kleinen Schwarzen und gefolgt von einem Lemming in Regenjacke, dessen Kinder die Sorbonne mit Auszeichnung und

Скачать книгу