Dunkle Seite - Mangfall ermittelt. Harry Kämmerer

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Dunkle Seite - Mangfall ermittelt - Harry Kämmerer

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Polier tritt nach draußen und macht seinen Kollegen Zeichen, die Arbeiten einzustellen. Der Motor des großen Baggers erstirbt, ebenso das Pochen der Presslufthämmer. Auch das Wasser der Sprühkanonen wird abgedreht.

      Plötzlich ist es gespenstisch still. Von der Baustelle steigt eine dichte Wolke Staub auf. Glüht in der Vormittagssonne. ‚Wie bei einem Atombombentest in der Wüste von Nevada‘, denkt Harry. Auch die Punks sind beeindruckt.

      Paul hält dem Hund Andreas Pulli hin, lässt ihn schnüffeln. „Such!“

      Der Hund stürmt los. Harry ist skeptisch, ob er im Staubgewaber irgendwas wahrnimmt, aber der Hund wuselt zielsicher durch die Trümmer und verschwindet in einem der Gebäude.

      „Halt!“, schreit der Polier. „Nicht ohne Helm!“ Er reicht Harry und Paul Helme und betritt das Gebäude als Erster. Harry und Paul folgen ihm.

      Sie ziehen sich die T-Shirt-Krägen über Mund und Nase. Überall dichter Staub. Blindflug. Der Hund bellt. Erster Stock. Treppe hoch. Sie betreten einen Raum, dessen Fensterseite bereits teilweise weggerissen ist. Alles voller Dreck, Mörtel, Scherben.

      Jetzt sehen sie Andrea. Sie lehnt an der Gasheizung, ist mit einer dicken Staubschicht überzogen. Im Gesicht schwarze Rinnsale, Tränen, die sich den Weg durch den Dreck gebahnt haben. Paul sieht ihre nasse Jeans. Sie hat sich angepinkelt. Ihre Augen sind weit vor Angst.

      „Andrea!“ Paul nimmt ihr den Knebel aus dem Mund und umarmt sie.

      Harry beauftragt den Polier, einen Krankenwagen zu rufen, und versucht, Andrea von den Fesseln zu befreien. Sie ist mit Kabelbindern am Gasrohr der Heizung fixiert. „Ich krieg die Scheiß-Kabelbinder nicht auf“, flucht er.

      Paul greift in die Hosentasche und gibt ihm sein Feuerzeug. Jetzt mischt sich die staubige Luft mit dem scharfen Geruch von verschmortem Plastik. Andreas Hände fallen nach unten.

      Paul sieht die blutigen Striemen an ihren Handgelenken. „Meine arme kleine Schwester, du brauchst keine Angst mehr zu haben. Die Bestie ist tot.“

      Andrea reagiert nicht.

      „Der Typ ist tot“, sagt Harry zu ihr. „Überfahren. Die Gefahr ist vorbei.“

      Andrea sieht ihn mit leeren Augen an.

      Als der Rettungswagen kommt, gibt Paul Harry den Schlüssel für Andreas Wagen und fährt mit seiner Schwester ins Krankenhaus. Harry ruft Josef an, gibt ihm ein Update.

      „Brauchst du uns noch?“, fragt eins der Punkmädchen hinterher.

      „Nein, vielen Dank. Euer Hund hat unserer Kollegin das Leben gerettet. Der Bagger war schon an dem Haus dran. Vielen Dank. Hat Lassie gut gemacht.“

      „Das mit Lassie war ein Witz.“

      „Ja, ein guter. Danke nochmal!“

      Die Jugendlichen trollen sich. Harry kratzt sich am Kopf. Hätte er ihnen was anbieten sollen? Geld, ein Gespräch, einen Rat, wie sie aus dieser Situation rauskommen? Aus welcher Situation? Jeder wählt seinen eigenen Lebensstil. Tut man das? Warum leben die so? Zu wenig Liebe zu Hause? Sicher. Nein, das geht ihn nichts an. Das kann er nicht lösen. Er ist kein Sozialarbeiter. Wie Peter Bruckner. Das erste Opfer des Attentäters.

      „Wohin hat man Andrea gebracht?“, fragt Josef, als Harry wieder in der Quiddestraße eintrifft.

      „Krankenhaus Bogenhausen. Paul will, dass sie in Toms Nähe ist.“

      „War es knapp?“

      „Arschknapp. Offenbar hat sie nach ihm gesucht. Und ihn gefunden. Oder andersrum.“

      „Warum dreht Andrea immer allein diese Dinger?“

      Karl zuckt mit den Schultern. „Das ist nicht ihre Schuld, sag ich mal. Der Typ hätte sie sowieso gekriegt. Wenn nicht da, dann woanders. Die ganzen Fotos in seiner Bude. Er war immer an ihr dran.“

      „Jetzt nicht mehr“, sagt Christine.

      „Ist der Fall mit dem U-Bahnschubser damit abgeschlossen?“, fragt Harry.

      Josef wiegt zweifelnd den Kopf hin und her. „Die Motive liegen völlig im Dunkeln. Auch was zu seinem Tod geführt hat. Das ist kein Unfall, wenn du auf einem Parkplatz mit Vollgas überfahren wirst.“

      „Aber das Motiv?“, fragt Christine.

      „Der Schubser hatte auch keins“, meint Harry.

      „Doch, Geltungssucht“, widerspricht Karl.

      Josef nickt. „Vielleicht sind wir ein bisschen schlauer, wenn wir seinen Laptop gecheckt haben.“

      James Bond

      Paul liegt auf seinem Bett, starrt die Zimmerdecke an. Verkehrte Welt. Er ist doch eigentlich derjenige in der Familie, der immer in unangenehme und gefährliche Situationen reinrutscht, nicht Andrea. Ist das so? Wenn er sich das jetzt genau überlegt, dann stimmt das nicht. Andrea hat einen lebensgefährlichen Job. Weiß er doch. Verdrängt er aber in der Regel. Zum ersten Mal hat er heute echte Verlustängste gehabt. Wirklich große Angst. Diese Geschichte letztens mit der Lawine in den Bergen, als Andrea in der Hütte verschüttet war, das war eher wie bei James Bond. Da ist ihm gar nicht der Gedanke gekommen, dass ihr wirklich etwas passieren könnte, obwohl er die Gefahr doch am eigenen Leib gespürt hat. Er war sich sicher, dass Andrea unverwundbar ist. Unsinn, ist sie nicht. Die Hütte hätte unter der Schneelast einfach zusammenklappen können wie ein Kartenhaus. Und das wäre es gewesen. Kam ihm gar nicht in den Sinn. Aber als er sie vorhin in dem Abbruchhaus gesehen hat, bedeckt mit Staub und Dreck, mit der vollgepinkelten Hose – sie sah fürchterlich aus. Ein Häufchen Elend. Nein, anders – als hätte jemand einen ganzen Berg Elend auf seiner wunderbaren, schönen Schwester abgeladen. Sie ist doch die Starke, die ihn, ihren kleinen Bruder, immer wieder aus der Scheiße raushaut. Ach, Andrea!

      Paul gähnt. Er ist erschöpft, hat zu viele Gefühle verbraucht, sich zu viele Sorgen gemacht. Er muss schlafen. Dringend. Und dann wird er am Nachmittag ins Krankenhaus fahren. Der Arzt hat gemeint, dass sie ein paar Tage zur Beobachtung dableiben soll. Nichts Schlimmes. Aber was weiß der denn? Es geht doch nicht nur um einen messbaren Gesundheitszustand. Wenn diese Erfahrung nicht schlimm war, was ist dann schlimm? So einfach steckt man das nicht weg. Auch Andrea nicht. Hoffentlich hat sie keinen Psychoknacks.

      War’s das?

      Karl ist frustriert. Die Analyse der Laptop-Festplatte des U-Bahnschubsers ergibt rein gar nichts. Viele Musikdateien – House- und Elektrotracks –, ein paar belanglose Mails, keine zwielichtigen Seiten mit Pornos oder Gewalt. Auch nichts, was auf weitere Verbrechen hindeutet, auf Mittäter, auf Motive. Er fährt den Laptop runter, startet Word auf seinem Computer, um einen kurzen Abschlussbericht zu schreiben. War’s das wirklich mit ihrem Serientäter? Ein Problem, das sich von selbst erledigt hat? Nein, nicht wirklich. Es hat sich ja gerade nicht selbst erledigt. Jemand anders hat das getan. Wer hat Vinzenz Krämer umgefahren? Und warum? Vielleicht kann Andrea noch was zu dem Typen erzählen, wenn sie wieder aus dem Krankenhaus zurück ist. Manchmal kommen diese Psychopathen ja plötzlich ins Reden, wenn sie glauben, am Ziel zu sein, die Lage zu beherrschen. Ja, vielleicht kann ihnen Andrea weiterhelfen, um diesen Typen und seine Welt zu verstehen.

      Wie

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