für immer 8 Bit. Uwe Post

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wischte die Frage mit der Hand zur Seite. »Hast Du schon die Fotomaschine gebaut?«

      Ich sah zu Boden, ohne zu antworten.

      »Okay«, sagte Anna. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich heute nicht kann. Außerdem sind nächste Woche die letzten Klausuren vor den großen Ferien. Und in der ersten Ferienwoche bin ich auf einer Jugendfreizeit.«

      »Oh«, machte ich.

      »Soweit die schlechten Nachrichten«, sagte Anna und grinste. »Die gute Nachricht ist, dass in der zweiten Woche meine Eltern alleine wegfahren. Das Haus ist leer.«

      »Sturmfreie Bude? Klingt … verrucht.«

      »In jener Woche werden wir das Spiel fertigmachen.«

      Ich glaubte, mich verhört zu haben. »Äh …?«

      Anna kam auf mich zu und flüsterte in mein Ohr. »Das wird cool«, sagte sie. Sich hauchte mir etwas in den Nacken, das vage an einen Kuss erinnerte, aber mit Sicherheit keiner war.

      »Bestimmt«, keuchte ich.

      Dann ließ sie mich einfach in der leeren Mädchen-Umkleide zurück, in der aufzuhalten mindestens die Todesstrafe nach sich zog.

      First when there's nothing

      But a slow glowing dream ... (ix)

      Letzter Schultag

      Die zweite Hälfte des Juni 1983 ließ mir keine ruhige Minute. Ich ging selten vor Mitternacht ins Bett. Die stickige Luft in der Wohnung und Tommys Vorhaltungen trieben mich oft hinaus in die Nacht, wild fabulierende Stimmen im Kopf, Walkman-Kopfhörer auf den Ohren.

      The night was heavy and the air was alive ... (x)

      Längst standen die Noten für das 12. Schuljahr fest, und in den meisten Kursen wurden Filme angeschaut (Mel Brooks‘ »Geschichte der Welt«) oder Karten gespielt (Skat). Mein Lieblingslied war Moonlight Shadow von Mike Oldfield. Ein- oder zweimal zeigte das Fernsehen das zugehörige Musikvideo. Die Sängerin, Maggie Reilly, erinnerte mich ein bisschen an Anna. Als am 18. zum ersten Mal eine amerikanische Astronautin mit dem Space Shuttle die Erde verließ, warf Tommy die in seinen Augen bedeutsame Frage nach Sex in der Schwerelosigkeit auf.

      Der 6. Juli, ein Donnerstag, war der letzte Schultag. Viele Mitschüler fuhren in Urlaub oder feierten ausgelassen.

      Ich dagegen verbrachte den Abend inmitten von Material aus Bastelkisten und Metallbaukästen, um die Maschine herzustellen. Wenn ich ehrlich war, war mein Berufswunsch von Kindheit an entweder Lokführer oder Ingenieur gewesen. Bei Letzterem hatte ich immer Daniel Düsentrieb vor Augen, der in rund der Hälfte meiner Lustigen Taschenbücher eine wichtige Rolle spielte. Bislang hatte ich allerdings nur kleine Aufzüge oder Kräne gebastelt, keine Roboter, Zeitmaschinen oder Bildschirm-Abtaster.

      Immerhin besaß ich eine beachtliche Menge an Fischertechnik-Bauteilen, dazu gehörten auch zwei kleine Elektromotoren und jede Menge Zahnräder.

      Ich baute ein etwas wackliges Rahmengerüst mit zwei Schienen, auf denen eine ebenfalls wacklige Querverstrebung rollen konnte, die ihrerseits auf Schienen einen Rollwagen trug. An diesem befestigte ich den Fotowiderstand.

      Schwierig war die Steuerung der Motoren. Ich brauchte meinen Elektronik-Baukasten und ein Relais aus der Bastelkiste, um den Wagen dazu zu bringen, hin und her zu fahren. Eine Fahrt dauerte ziemlich genau zehn Sekunden. Bei jedem Richtungswechsel entlud sich ein dicker Kondensator, der den zweiten Motor wenige Umdrehungen laufen ließ. Dadurch fuhr die Querverstrebung eine Winzigkeit nach unten.

      Was natürlich völlig fehlte, war der Anschluss an den Atari. Der stand ohnehin bei Anna, und die war ja nicht da. Immerhin hatte ich auch dafür eine Lösung im Hinterkopf, aber die musste warten. Denn ich hatte unbedingt vor, Anna nach ihrer Rückkehr mit meinem Lötkolben zu beeindrucken.

      »Witzig«, sagte Tommy. »Wie lang ist er denn?«

      »Ach, halt einfach die Klappe.«

      »Mit Elektronik kannst du umgehen, aber mit Mädchen ...«

      »Die sind auch etwas komplexer aufgebaut.«

      Tommy musste grinsen. »Das sagst du nur, weil du Angst hast.«

      »Ich habe keine ...«

      »Doch«, sagte Tommy. »Hast du.«

      Ein entscheidender Nachteil eines unsichtbaren Freundes war, dass er einen ziemlich gut kannte.

      Tommy kannte mich sogar bisweilen besser als ich mich selbst. Er war gut darin, den Finger in Wunden zu legen. Er hatte den entscheidenden Vorteil, selbst für die gemeinsten Sprüche keine Prügel befürchten zu müssen.

      Ich hätte niemand anderem gegenüber meine Schwächen eingestanden, so offensichtlich sie auch waren. Ich blockte all das ab. Niemand kam an mich heran: Meine Mutter nicht, mein Vater nicht, meine Kumpels schon gar nicht. Tommy war der einzige, dem ich vertraute. Der einzige, der mir Bescheid sagen durfte, wenn ich mich wie ein Idiot verhielt, und der einzige, dem ich sagte: »Hast ja recht.« Zumindest wenn er gerade nicht zuhörte.

      Ich konnte echt froh sein, dass ich ihn hatte.

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