für immer 8 Bit. Uwe Post

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für immer 8 Bit - Uwe Post

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Aber richtige Freunde sind Typen, die nicht bloß mit dir abhängen, sondern die sofort da sind, wenn‘s dir dreckig geht, und die dir Bescheid stoßen, wenn du Mist gebaut hast. Was ist ein Junge ohne Freunde? Einsam. Ich wollte nicht einsam sein. Meine Schulkameraden waren manchmal ganz okay. Aber keine Freunde. Ich führte sogar eine Liste über die Gründe. Für Tommy gab es eine solche Liste nicht. Das wäre mir dann doch komisch vorgekommen. Komischer jedenfalls, als abends im Bett Selbstgespräche zu führen.

      Kurz vorm Einschlafen meinte Tommy noch, etwas mehr Mut könne auch einem unverbesserlichen Idioten wie mir nicht schaden, notfalls müsse man ihn mir einprügeln.

      »Fang schonmal ohne mich an«, murmelte ich schlapp, dann umfingen mich süße Träume.

      Donnerstag

      Nach der Informatik-Stunde hatten wir Pause. Der Computerraum der Schule war ausgestattet mit acht nagelneuen Apple IIe-Rechnern, jeder besaß zwei Floppy-Laufwerke, einen Bernstein-Monitor und die meisten stürzten öfter mal ab. Wir programmierten in Pascal, einer Sprache, die im Gegensatz zu BASIC saubere Programmstrukturen ermöglichte. Befehle wie if-then-else oder gar repeat-until musste man in BASIC immer mit GOTO-Befehlen simulieren. Unserer Lehrer impfte mir dankenswerterweise eine geradezu neurotische Abneigung gegen GOTO ein, die bis zum heutigen Tag anhält.

      Der Apple IIe war ein mehrere tausend Mark teurer Rechner, dem so ziemlich alles fehlte, was einen Homecomputer auszeichnete, obwohl er auch bloß über einen 1 MHz schnellen 6502-Prozessor verfügte. Man konnte ihn nicht ohne weiteres an den Familien-Fernseher anschließen, und Joystick-Buchsen suchte man ebenfalls vergebens. Dafür stellte er 80 Zeichen pro Zeile dar und konnte mit weit mehr als 64 K RAM ausgerüstet werden. Ein Profi-Gerät, keine Option für den eigenen Wunschzettel.

      Auf dem Weg in die Pause sah ich Anna zufällig auf der Treppe, die zum Schulhof führte. Ich fand nach dem gelungenen Montagnachmittag überhaupt nichts mehr dabei, sie auch in der Öffentlichkeit anzusprechen. Früher hätte ich das nie gewagt. Es gab Tabus, gegen die man lieber nicht verstieß. Zwar waren die möglichen Strafen unklar, aber mit Sicherheit beschämend. Tuscheln und Flüstern, Grinsen und Gelächter. Fingerzeigen, erröten … letztlich also ein Schicksal schlimmer als der Tod.

      »Na, sollen wir mal wieder ...«, begann ich, wurde aber gleich unterbrochen.

      »Pssst«, machte Anna und sah in alle Richtungen, als dürfe keinesfalls jemand sehen, was hier gerade geschah. Oh Gott, ich hatte das Tabu gebrochen! Mein Ende war nah, und Tommy würde nachher sagen: »Selbst schuld, kein Mitleid.«

      Allerdings stieß sie mich nicht fort, sondern zog mich in den Gang, der zu den Klassenräumen der Mittelstufe führte. Während der Pause hatten wir hier nichts zu suchen, so dass ich mich nervös nach Lehrern umsah, die uns umgehend verscheuchen würden.

      »Ich habe nachgedacht«, zischte Anna im Verschwörertonfall. »Kann man in ein Computerspiel Bilder einbauen?«

      »Bilder?«

      »Fotos.«

      »Hm«, machte ich. »Nicht ohne weiteres.«

      »Wie mein Vater sagte.« Anna winkte ab. »Diese Computer sind zu nichts zu gebrauchen.« Sie wandte sich ab, aber ich hielt sie am Arm fest.

      Sie fuhr herum. Wäre sie eine Katze gewesen, hätte sie gefaucht. Ich zog meine Hand zurück, als hätte mich ein elektrischer Schlag getroffen.

      »Warum hast du das gefragt?«

      Abschätzend sah mich Anna an, als wäre sie nicht sicher, ob ich es wert war, ihr Geheimnis zu erfahren. Dann sah sie plötzlich an mir vorbei. »Schnell weg«, zischte sie.

      Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Wir rannten zur Treppe, hinter uns erklang ein dramatisches »Was macht ihr hier?«, aber mit etwas Glück hatte der Lehrer unsere Gesichter nicht erkannt. In der Eingangshalle trennten wir uns und verschmolzen mit der Masse der Schüler auf dem Hof.

      Mickys Frage, wo ich gewesen sei, beantwortete ich sicherheitshalber nicht mit »Wurde fast mit einem Mädchen erwischt«.

      Tommy erzählte ich hinterher natürlich alles, aber er konnte sich auch keinen Reim auf die Sache machen.

      Manchmal war ein echter Freund vermutlich etwas hilfreicher als ein eingebildeter.

      Ich blätterte noch ein bisschen in Homecomputer-Zeitschriften, bis ich einschlief und von Amok laufenden Pixeln träumte.

      Freitag

      Es schüttete wie aus Eimern. Auch mein Regenmantel verhinderte nicht, dass ich durchnässt in der Schule ankam. Da die Stadt vor vier Jahren auf die grandiose Idee gekommen war, das alte Gymnasium in der Innenstadt zu schließen und weit draußen auf der grünen Wiese aus Beton und vier Eimern oranger Farbe ein neues zu bauen, war ich nicht als einziger Radfahrer an Regentagen automatisch schlecht gelaunt.

      Die Hälfte der Schüler roch nach nassen Klamotten, der Plastikfußboden war eine einzige Pfütze und was mit feuchten Socken in Plastik-Turnschuhen während sechs Stunden Schulzeit geschieht, möchte ich nicht näher ausführen.

      Ich hatte mir vorgenommen, Anna in der Pause anzusprechen, aber das war leichter gesagt als getan. Bei strömendem Regen durften alle Schüler die Pausen in der engen Eingangshalle verbringen, die dank bunt behängter Pinnwände und Betonsäulen-Architektur alles andere als übersichtlich war.

      Unzufrieden ließ ich mich von Micky in ein Gespräch über Tims neuen C 64 verwickeln. Tim war Mickys Cousin. Er ging auf die Realschule, aber seine Oma hatte eine Menge Geld und kaufte ihm alles, was er wollte.

      »So, einen 64er hat er. Und, kann er programmieren?«

      »Natürlich nicht«, sagte Micky empört.

      Wir waren uns einig, dass dieses Oma-Geschenk in die Kategorie »Perlen vor die Säue« gehörte. Tim war unwürdig, und hätte er vor uns gestanden, hätten wir ihm das sehr deutlich gemacht, denn er war ein Jahr jünger und zehn Zentimeter kleiner als wir.

      Erst in der zweiten großen Pause, als der Regen nachgelassen hatte, fand ich Anna auf dem Schulhof. Sie stand in einer Traube Mitschülerinnen. Mein Mut genügte nicht, um sie in dieser Situation anzusprechen. Neugierige bis skeptische Blicke aus acht Mädchenaugen gleichzeitig würde ich garantiert nicht ertragen. Gar nicht zu reden von dem Fragenkatalog, mit dem mich meine eigenen Freunde hinterher beglücken würden.

      Hey girl

      Move a little closer ... (vi)

      Ich wartete schließlich nach Schulschluss am Fahrradständer. Anna tauchte erst nach ausführlicher Verabschiedung von ihren Freundinnen auf. Bis dahin tat ich so, als müsse ich dringend meine vordere Bremse justieren.

      Als sich Anna endlich näherte, machte mein Herz »Bum Bum«, und in meinem Kopf sang Stefan Remmler im Takt dazu das neue Lied von Trio. Ich war fast so aufgeregt wie damals, als meine Luftpumpe ihren Tag rettete.

      »Hi«, machte ich.

      »Hi«, kam die ebenso einsilbige Antwort. Ich strich die Frage nach einer Verabredung für kommenden Montagnachmittag.

      »Warum erzählst du mir

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