Das achtsame Gehirn. Daniel Siegel

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Das achtsame Gehirn - Daniel Siegel

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Einstimmung verbinden kann, ist, dass diese Verbindungsfähigkeit des Gesamtsystems (die neuronale Integration) einen ganz wesentlichen Stellenwert für das Wohlbefinden in Beziehungen hat. Wenn wir uns diese neuronale Perspektive der gegenseitigen Einstimmung zu Eigen machen und die Achtsamkeit als intrapersonale Form derselben ansehen, dann ist es nur natürlich, das Gefühl zu haben, dass die neuronale Integration eine entscheidende Rolle bei Achtsamkeitszuständen spielen könnte. Die neuronale Integration ist das Verbindungsglied zwischen Neuralregionen, die in anatomischer oder funktionaler Hinsicht unterschiedlich sind, und sie bewirkt eine Zusammenschaltung von weit verzweigten Bereichen des Gehirns und des Körpers. Diese Zusammenschaltungen nehmen in struktureller Hinsicht die Form von synaptischen Verbindungen an und erzeugen in funktioneller Hinsicht eine Form von Koordination und Ausgeglichenheit.

      Die neuronale Integration bewirkt über diese Koordination und Ausgeglichenheit der Nervenaktivierung wahrscheinlich ein optimales Funktionieren. Koordination bedeutet, dass wir das Feuerverhalten voneinander getrennter Regionen überwachen und dann so beeinflussen, dass es zu einem gut funktionierenden Ganzen wird. Ausgeglichenheit impliziert die Aktivierung, Deaktivierung und Reaktivierung von miteinander gekoppelten Bereichen.

      Ein anschauliches Beispiel dafür wäre die Ausgeglichenheit solcher Funktionen wie des bremsenden und des beschleunigenden Zweiges des vegetativen Nervensystems. Hier sehen wir, dass die mittleren Präfrontalregionen die Aktivität dieser beiden Inputs – diejenige des Sympathikus einerseits und die des Parasympathikus andererseits – überwachen und dann in der Lage sein müssen, sie zu verändern (sie herunterzufahren oder sie hochzufahren).

      Das ist der Mechanismus der „Körperregulation“, der ersten unserer neun Funktionen des mittleren Präfrontals. Erinnern Sie sich daran, dass diese Liste zum einen die Ergebnisse einer sicheren, eingestimmten Bindung aufzählt (die ersten sieben) und zum anderen eine Liste für die Resultate und den Prozess des achtsamen Gewahrseins ist, das wir als eine Form der inneren Abstimmung bezeichnet haben. Ich habe diese Liste generiert, während ich mich um eine Familie kümmerte, in der die Mutter bei einem Autounfall eine Verletzung an dem Teil des Gehirns erlitten hatte, der sich hinter der Stirn befindet. Die Familie quälte sich mit den tief greifenden Veränderungen in ihrer Persönlichkeit ab, und ich hoffte, den anderen Familienmitgliedern helfen zu können, diese Erfahrung irgendwie zu verstehen und sich an ihr neues Leben zu gewöhnen. Ich las einige grundlegende Werke zu diesem Themenkomplex und fragte mich: Welche Funktionen entsprechen der Aktivität der mittleren Bereiche des Präfrontalkortex? (Siehe Anhang III, Die Funktionen des mittleren Präfrontals.)

      1. Wie oben beschrieben, erfolgt die Körperregulation dadurch, dass Brems- und Beschleunigungsfunktionen koordiniert und ausgeglichen werden.

      2. Abgestimmte Kommunikation beinhaltet die Koordination des eigenen geistigen Inputs mit dem eines anderen Menschen. Dieser Resonanzprozess findet unter Einbeziehung der mittleren Präfrontalbereiche statt.

      3. Emotionale Ausgeglichenheit impliziert, dass die affekterzeugenden limbischen Bereiche genügend Aktivierung erfahren, um dem Leben Vitalität und Sinn zu verleihen, diese aber nicht so stark ist, dass das Leben chaotisch wird. Die mittleren Präfrontalregionen haben die Fähigkeit, das limbische Feuerverhalten durch den starken bidirektionalen Fluss zwischen der subkortikalen limbischen Region und der mittleren Präfrontalregion zu überwachen und zu hemmen.

      4. Reaktionsflexibilität ist die Fähigkeit, vor dem Handeln innezuhalten. Ein solcher Prozess erfordert die Bewertung der aktuellen Stimuli, die Verzögerung der Reaktion, die Auswahl aus einer Vielzahl möglicher Optionen und die Initiation einer Handlung. Zur Ausführung dieser Funktion arbeiten die mittleren Präfrontalregionen mit den Seitenbereichen zusammen.

      5. Empathie scheint auf den inneren Verschiebungen zu beruhen, die durch die Resonanzschaltkreise zustande kommen, bei denen limbische und körperliche Veränderungen dann initiiert werden, wenn wir die Signale einer anderen Person wahrnehmen. Als Nächstes scheinen die mittleren Präfrontalregionen die Interozeption (Wahrnehmung von Innenreizen) zu nutzen, also den Input dieser subkortikalen und körperlichen Gegebenheiten in die mittlere Präfrontalregion über die Inselrinde. Die Daten werden dann einer Interpretation unterzogen, und diese Bewertung wird einem anderen als Form empathischer Vorstellungskraft dessen zugeschrieben, was sich möglicherweise in seinem Innern abspielt.

      6. Einsicht oder sich selbst kennendes Gewahrsein verbindet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft miteinander. Der mittlere Präfrontalkortex hat Input- und Outputfasern, die in viele Bereiche hineinreichen. In diesem Fall betreffen sie die kortikalen Repräsentationen des autobiografischen Gedächtnisspeichers und das limbische Feuerverhalten, das den Themen unseres gegenwärtigen Bewusstseins, unserer Lebensgeschichte und unseren Bildern von der Zukunft eine emotionale Struktur verleiht.

      7. Angstmodulation könnte durch die Ausschüttung des hemmenden Neurotransmitters Gammaaminobuttersäure (GABA) in die unteren, für Angst zuständigen limbischen Bereiche, wie die zahlreichen Kerne der Amygdala, erfolgen. Auf diese Weise könnte Angst limbisch erlernt werden, doch das Ablegen der Angst könnte durch das Wachstum der mittleren Präfrontalfasern erfolgen, die jene Angst zu modulieren vermögen (Abbildung 2.7).

      9. In Studien hat sich herausgestellt, dass Moral (im Sinne von moralischem Empfinden und Verhalten) ebenfalls durch den mittleren Präfrontalkortex vermittelt wird. Moral lässt sich wohl dadurch charakterisieren, dass man das größere Bild in Betracht zieht, dass man sich vorstellt, was das Beste für das Ganze ist, und nicht nur für einen selbst (selbst wenn man allein ist). Es hat sich gezeigt, dass Schädigungen der mittleren Präfrontalregion zu Beeinträchtigungen im Moralempfinden und damit zu amoralischen Verhaltensweisen führen.

      Abbildung 2.7

      Der orbitomediale Präfrontalkortex: das Amygdala-Netzwerk (Cozolino 2006; Nachdruck mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors).

      In Abbildung 2.2 konnten wir sehen, dass das Gehirn in eine linke und eine rechte Seite unterteilt ist. Bei der Betrachtung der Unterschiede zwischen linker und rechter Hemisphäre ist es wichtig, eine „Dichotomisierung“ zu vermeiden.

      Im Laufe unserer Evolution als Wirbeltiere hatten die linke und die rechte Seite unseres Nervensystems unterschiedliche Funktionen inne (Halpern, Güntürkün, Hopkins & Rogers 2005). Der Vorteil dieser Asymmetrie, den wir Menschen mit Fischen und Fröschen, Eidechsen und Vögeln ebenso wie mit Ratten teilen, könnte darin liegen, dass wir durch stärkere Differenzierung eine größere funktionale Komplexität erreichen können. Warum sollten links und rechts oder oben und unten dasselbe sein? Wie an früherer Stelle bemerkt, entwickeln sich das Stammhirn und die limbischen Bereiche früher als der Kortex. Ihre Asymmetrien verweisen auf einen Unterschied in der Verbindungsfähigkeit der kortikalen Strukturen beider Hemisphären. Die sich herausbildenden strukturellen Unterschiede führen zu einigen relevanten und recht stabilen Funktionsunterschieden zwischen rechts und links. Die rechte Hemisphäre ist in den ersten zwei oder drei Lebensjahren aktiver und weiter entwickelt. Die linke tritt erst um den zweiten Geburtstag herum auf den Plan, dann kommt es in den folgenden Jahren zu periodisch unterschiedlich starken Entwicklungsschüben von links und rechts. Das verbindende Gewebe, der Corpus callosum, bekommt zu dieser Zeit ebenfalls seinen ersten Entwicklungsschub. Er dauert

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