Die Täuschung. Norbert Lüdecke
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ISBN 978-3-8062-4353-6
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:
eBook (PDF): 978-3-8062-4411-3
eBook (epub): 978-3-8062-4412-0
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Inhalt
Und täglich grüßt der „Dialog“
1952 Hierarchische Einhegung des Laienengagements: die Gründung des „Zentralkomitees der deutschen Katholiken“
1972–1975 Druckablass und Beruhigung: die Würzburger Synode
2011–2015 Schön, darüber gesprochen zu haben: der Gesprächsprozess der deutschen Bischöfe
Seit 2020 Lasst sie doch (wieder) reden …: der Synodale Weg
Warum? Sehschwäche und Regression – Geduld und Komplizenschaft
Schluss? Letzte Ausfahrt „Trotzdem!“
Abb. 1: Filmplakat zum US-amerikanischen Komödienklassiker von 1993 „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (Originaltitel: „Groundhog Day“). (© Columbia Pictures)
Und täglich grüßt der „Dialog“1
Er ist ein Komödienklassiker, der Film Und täglich grüßt das Murmeltier von 1993: Der arrogante, egozentrische und zynische Protagonist sitzt in einer Zeitschleife fest. Er muss ein und denselben Tag immer wieder erleben, allmorgendlich beginnend mit demselben Radiosong. Was derzeit in der katholischen Kirche in Deutschland unter dem Label „Synodaler Weg“ firmiert, erscheint bei näherem Hinsehen und im zeitgeschichtlichen Kontext durchaus als eine ähnliche Zeitschleifenfixierung: Nur vermeintlich neu grüßt katholische Laien der „Dialog“, wenn die Kirche wieder einmal in einer Krise steckt.
Das ständehierarchisch organisierte römisch-katholische Religionssystem2 erweist sich auch hierzulande in aller Regel als beeindruckend stabil. Anders als in Kasten- oder Klassensystemen drängen untere Positionen nicht konsequent nach oben.3 Ein Grund dafür sind sicher Legitimationsmetaphern wie die vom „Leib Christi“, von „Hirt und Herde“ oder von der „Familie Gottes“, die den grundsätzlichen Positionsunterschied zwischen Klerikern und Laien immer noch erfolgreich als gottgewollt und katholisch identitätsbildend vermitteln. Es mag aber auch daran liegen, dass die katholischen Hierarchen in Deutschland jedes Mal, wenn es sporadisch doch zu brenzligen, von ihnen als systembedrohlich empfundenen Situationen kommt, zusammen mit willigen Laienhelfern ein geschicktes Handlungsskript zur Beruhigung der Lage abrufen. Solche Situationen gab es im Vorfeld der Gründung des heutigen Zentralkomitees der deutschen Katholiken 1952, im Nachgang zum berühmt-berüchtigten Katholikentag von 1968 in Gestalt der „Würzburger Synode“ (1972–1975), im Skandaljahr 2010 nach der Aufdeckung der Missbrauchsfälle im Berliner Canisius-Kolleg und auch wieder 2018 nach der Vorstellung der sogenannten MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch von Kindern durch katholische Kleriker in den deutschen Diözesen. Wer diese Stationen mit ihren zeitgeschichtlichen O-Tönen abruft, erkennt schnell ein vertrautes, vielleicht zeitgemäß neu arrangiertes, aber doch immer gleiches Lied.
Als die deutschen Bischöfe im Nachkriegsdeutschland die Chance zu einer Rechristianisierung oder besser -katholisierung von Gesellschaft und Staat sahen, wussten sie: Sie brauchten dazu die Laien als politischen Arm. Eine entsprechende Rolle hatten diese schon seit dem 19. Jahrhundert in Gestalt eines breit entfalteten katholischen Verbandswesens in treuer Anhänglichkeit an die kirchliche Obrigkeit ausgefüllt.