Übersäuerung. Hermann Straubinger
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Neben dieser »natürlichen« Säureproduktion durch unseren Stoffwechsel entstehen meist durch falsche Ernährung, mangelnde Bewegung und Stress oft regelrechte Säurefluten, auf die unser Körper sehr viel weniger vorbereitet ist. Schafft er es dann nicht, die Säuren auszuscheiden, spricht man von Übersäuerung. Bei einer latenten Azidose ist der Körper zwar »übersäuert«, man hat jedoch noch keine gesundheitlichen Beschwerden, da ein komplexes Puffersystem unseren Körper noch vor den Säuren schützt. Aber wie jedes Puffersystem hat auch dieses seine Grenzen.
ATP – DIE ENERGIEWÄHRUNG
In den Kraftwerken unserer Zellen – den Mitochondrien – werden Nährstoffe wie Kohlenhydrate (Zucker) und Fett mit Hilfe von Sauerstoff verbrannt. Dabei entsteht der »Brennstoff« ATP (Adenosintriphosphat) sozusagen als universelle zellulare Energiemünze. Es besteht aus dem stickstoffhaltigen Adenin, dem Zucker Ribose und drei Phosphatmolekülen.
Dieses ATP ist der Motor des Lebens, und zwar in allen Organismen dieser Erde. Beim Abspalten einer der drei Phosphatmoleküle wird Energie frei. Sie kann jetzt in allen Bereichen zum Aufbau neuer Moleküle oder Zellen eingesetzt werden. Zurück bleibt das ADP (Adenosindiphosphat), das in Mitochondrien wieder in ATP umgewandelt werden kann.
ATP als Energiemünze hat entscheidende Vorteile gegenüber Fett oder Zucker:
Der Energiegehalt ist kleiner – man hat sozusagen energetisches Kleingeld.
ATP kann leichter regeneriert werden.
Die Energie steht schnell ohne große Umwandlungsprozesse zur Verfügung.
Erste Anzeichen einer Übersäuerung
→ Müdigkeit
→ Kopfschmerzen
→ Konzentrationsmangel
→ Leistungsschwäche
→ Schlafstörungen
→ Herz-Kreislaufstörungen
Ein durchschnittlicher Mensch setzt pro Stunde etwa 5 kg ATP um, also 120 kg ATP pro Tag. Bei Leistungssportlern kann der Verbrauch bis auf 100 kg pro Stunde steigen. Solche Mengen liegen natürlich nicht in gespeicherter Form vor, sondern müssen ständig hergestellt werden. Und zwar in jeder einzelnen Zelle durch die Verbrennung der »Energiespeicher« Zucker und Fett. Bei einer vollständigen Verbrennung von Glukose bräuchte man nur knapp 15 g Glukose, um 1 kg ATP zu bilden.
Ist unser Stoffwechsel im Gleichgewicht, wird genauso viel Energie hergestellt, wie verbraucht wird. Man spricht dann von einem aeroben (mit Sauerstoff) Stoffwechsel. Bei großer körperlicher Anstrengung oder Stoffwechselstörungen kann es aber vorkommen, dass nicht genügend Sauerstoff zugeführt werden kann. Folge: Die Moleküle für ATP können nicht mehr ganz verbrannt werden, und unser Körper behilft sich damit, dass er die halbfertigen ATP-Vorprodukte in Milchsäure umbaut. Wir kennen alle die Folgen aus diesem anaeroben Stoffwechsel: Muskelkater durch Übersäuerung der Muskulatur in Kombination mit mikroskopisch kleinen Faserrissen.
Säuren durch falsche Ernährung
Man ist, was man isst, heißt es. Und man fühlt sich auch so, möchte man hinzufügen. Wenn man bedenkt, wie unterschiedlich unsere Nahrung ist, die wir täglich zu uns nehmen, und wie kompliziert die Prozesse sind, mit denen unser Körper daraus Energie und Baustoffe gewinnt, ist es nicht weiter verwunderlich, dass wir unseren Organismus mit der falschen Ernährung nicht gerade unterstützen, ja richtig Schaden zufügen können.
Der Weg der Nahrung durch unseren Körper
Die Verdauung unserer Speisen beginnt im Mund, wo die Nahrung mit den Zähnen mechanisch zerkleinert wird. Unser Speichel (täglich 1 bis 1,5 Liter) macht sie für den Weitertransport in die Speiseröhre gleitfähig. Schon im Speichel spaltet das Enzym Amylase komplexe Kohlenhydrate (Stärke, Glykogen, Dextrine) in kleinere Untereinheiten (Oligosaccharide, Malzzucker). Wer Brot lang genug kaut – und das sollte man sowieso! – wird feststellen, dass es süßlich schmeckt. Gewürze wie Pfeffer, Chili, Senf oder Paprika erhöhen die Enzymtätigkeit und die Speichelproduktion. Nicht zuletzt reinigt der Speichel unsere Zähne und neutralisiert im Mund entstandene oder mit der Nahrung zugeführte Säuren, etwa Fruchtsäuren von Obst. Deswegen: mit dem Zähneputzen nach Obstgenuss etwa eine Stunde warten, bis der Speichel seine Arbeit getan hat.
Aufspaltung durch Säure
Vom Mund geht’s über die Speiseröhre in den Magen, wo der Speisebrei mit dem Magensaft (täglich 1,5 bis 3 Liter) vermischt wird. Der niedrige pH-Wert von 1,5 des sauren Magensaftes tötet Bakterien ab und führt zu einer Ausflockung (Denaturierung) von Eiweiß. Bier, Wein und Stärkeres fördern die Magensäuresekretion erheblich. Ebenso Eiweiß, während Fett die Säureproduktion hemmt. Über die Magenwand werden in geringem Maße Fett verdauende Enzyme und vor allem das Eiweiß spaltende Enzym Pepsin zugegeben. Die Verdauung der Kohlenhydrate wird im Magen ohne eigene Kohlenhydrat verdauende Enzyme fortgesetzt. Ein hoher Fettanteil erhöht also die Verweildauer der Nahrung im Magen. Der fette Schweinebraten liegt dann schwer im Magen, wie man sagt.
Der Magen produziert aber neben der Salzsäure gleichzeitig den passenden basischen Puffer dazu: das Natriumbikarbonat. Man kennt es auch als doppelkohlensaures Natron oder Bullrichsalz aus der Apotheke gegen Sodbrennen. Eingelagert in den Magenschleim wirkt diese Substanz zum einen wie ein chemischer Schutzwall gegen die Selbstverdauung durch die ätzende Magensäure. Den Rest benötigen unsere Organe Leber, Bauchspeicheldrüse und die Darmschleimhautdrüsen, wo sie gespeichert werden und dann den sauren Magenbrei im Dünndarm neutralisieren.
Aufnahme der Nahrungsbestandteile
Durch den Magenpförtner kommt der Nahrungsbrei in den Zwölffingerdarm. Im Dünndarm dann werden die Nahrungsbestandteile mit Hilfe von Enzymen weiter zerlegt. Kohlenhydrate werden durch spezielle Enzyme (Disaccharidasen) in ihre kleinsten Bestandteile zerlegt. Die Fettverdauung findet hauptsächlich im oberen Teil des Dünndarms statt. Dazu wird die von der Leber gebildete Gallenflüssigkeit zuerst in der Gallenblase zwischengespeichert und dann in den Zwölffingerdarm abgegeben, um die Fette zu emulgieren. Später können sie so von den Verdauungsenzymen (Lipasen) besser aufgeschlossen werden.
Die im Magen begonnene Eiweißverdauung wird im Darm fortgesetzt. Das Sekret der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) enthält Enzyme wie das Trepsin, das große »Eiweißbrocken« in kleinste Moleküle (Peptide, Aminosäuren) abbaut.
Die zweite wichtige Aufgabe des Dünndarms ist die Überführung dieser kleinsten Nährstoffteilchen in die Blutbahn. Dafür ist die Oberfläche dieses Organs durch die so genannten Darmzotten stark vergrößert. Schleimhautfalten mit fingerförmigen Ausstülpungen, auf denen sich der so genannte Bürstensaum befindet, erhöhen die Fläche des Darmes auf die Größe eines Tennisplatzes. Im Dickdarm wird vor der Ausscheidung dem Rest des Speisebreis Wasser entzogen, das zusammen mit wertvollen Mineralstoffen wieder zurück in den Körper transportiert wird.