Hitlers Theologie. Rainer Bucher

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aber nicht nur in der Radikalität seines Denkens, sondern vor allem in dessen konkreter Operationalisierbarkeit. Denn konkret politisch umsetzbar waren die reaktionären Visionen der „Konservativen Revolution“ nicht: Über literarisch-kulturelle Wirksamkeit kam sie nie hinaus. Hitler wusste dies nur zu gut.

      Indem Hitler wichtige Elemente des nachfeudalen gesellschaftlichen Modernisierungsprogramms in sein Projekt übernimmt, verhindert er, dass es zu einer bloßen konservativen Utopie verkommt. Hitler wollte kein verloren gegangenes vorrevolutionäres Paradies restaurieren, Utopien, wie sie etwa auch in kirchlichen Kreisen gepflegt wurden.11 Die faszinationsgeleitete Einführung neuer Technologien, das Programm einer auf wissenschaftlicher und technischer Dauerinnovation beruhenden Industriegesellschaft, zentrale anti-konservative Ideen wie jene der Chancengleichheit, der Erhöhung vertikaler und horizontaler sozialer Mobilität bis hin zu egalitären Tendenzen etwa im Bildungssystem: mit all dem wurde Hitler anschlussfähig an die Weimarer Republik,12 beerbte er vor allem die Glücksversprechungen der Moderne, einschließlich des Versprechens von deren technologischer Produzierbarkeit und sozialer Zugänglichkeit für alle.

      Die Basis von all dem freilich und „heißer Kern“ des Hitlerschen Politikprojekts war ein scharfer rassistischer Anti-Universalismus. Hitlers Projekt läuft auf eine nach innen „harmonisch“ geeinte, nach außen kriegerisch-heroische, rassisch definierte „Volksgemeinschaft“ hinaus. Für sie brauchte er den „Raum im Osten“, aus ihr müssen Angehörige „minderwertiger Rassen“, „Minderwertige“ der eigenen „Rasse“ und vor allem die Juden entfernt werden, aber natürlich auch jene, die sich diesem Projekt entgegenstellen.

      Diese deutsche oder arische Volksgemeinschaft ist, so meint Hitler, auf Grund ihrer rassischen Überlegenheit, die sich nicht zuletzt in ihrer kulturellen Überlegenheit zeige, zu nichts weniger denn zur Weltherrschaft berufen. Grundiert und vielleicht auch motiviert13 ist dies alles bei Hitler, dem verhinderten Kunstmaler, mit einem kulturell-ästhetischen Anti-Modernismus, der die Künste, vor allem die bildende Kunst14, aber auch die Musik15 auf den Geschmack der (damaligen) unteren Mittelschichten hin reduziert und trivialisiert.

       2. Hitler und die Kirchen

      Die Kirchen haben Hitler nicht gewollt, aber auch nicht verhindert.16 Die katholische Kirche konnte zwar weitgehend die Nazifizierung ihrer eigenen Strukturen abwehren, und sie schaffte es, sich, allerdings sehr eingeschränkte, Freiräume zu sichern, die der Herrschaft der Partei mehr oder weniger entzogen waren. Grundlage hierfür war die im Bereich der katholischen Kirche und vor allem im politischen Katholizismus bis 1933 weit verbreitete Ablehnung der Gesinnung, der Ziele und der Methoden der NSDAP. Ausnahmen, wie der Rektor der Anima in Rom, Bischof Alois Hudal17, der berüchtigte Abt Schachleitner18 sowie die so genannten „braunen Priester“19, blieben tatsächlich Ausnahmen.

      Ebenso dürfte aber unbestreitbar sein, dass die katholische Kirche weder in Deutschland noch in Österreich die Nazifizierung der gesellschaftlichen Strukturen irgendwann ernsthaft verhindern wollte, als Hitler erst einmal an die Macht gekommen war. Die katholische Kirche unternahm als gesamte und unter der Führung ihrer Bischöfe nie den Versuch, die nationalsozialistische Herrschaft zu stürzen oder auch nur ihre Konsolidierung in den Anfangsjahren zu verhindern.

      Im Sinne eines differenzierten Widerstandsbegriffs20 kann der katholischen Kirche als Ganzer also zugesprochen werden, in vielem ein „rivalisierendes Loyalitätszentrum“ geblieben zu sein; auch gab es regional mehr oder weniger spontan kirchlich organisierte Verweigerung und in seltenen Fällen auch aktiven Protest, nie aber offene oder subversive Widerstandstätigkeit, die auf den Sturz des Nationalsozialismus hinarbeitete. Im Sinne dieser höchsten Ebene des Widerstandsbegriffs gab es wohl Widerstand von Katholiken und Katholikinnen, aber keinen Widerstand der katholischen Kirche in ihrer amtlichen Führung.

      Aber auch die Katholikinnen und Katholiken waren nach der Konsolidierung des Regimes in den Jahren 1934 bis weit in den Krieg hinein nicht unbedingt partei-, aber doch in hohem Maße staatsloyal. Die unbestreitbaren „Anfangserfolge“ des Regimes (Abbau der Arbeitslosigkeit, Saarabstimmung 1936, Rheinlandbesetzung 1936, Olympische Spiele 1936; Remilitarisierung, erfolgreiche Annexionen der Vorkriegszeit knapp unter der Schwelle zum Krieg; Anschluss Österreichs 1938) verfehlten auch auf die Katholiken und Katholikinnen ihre Wirkung nicht. Ein kritisches politisches Bewusstsein gegenüber der Herrschaftsform Diktatur als solcher war zudem im katholischen Bereich nur bei sehr wenigen vorhanden.

      Die Gründe hierfür sind vielfältig. Der Gehorsam gegenüber der rechtmäßigen Obrigkeit war auch im 19. Jahrhundert von der katholischen Kirche in Lehre und Verkündigung stets betont worden.21 Andere moraltheologische Traditionen, die etwa die Legitimität eines Tyrannenmordes durchaus denken konnten, kamen demgegenüber nicht zum Zug. Überhaupt hatte das kirchliche Lehramt im 19. Jahrhundert zur Abwehr der modernen Pluralität und Liberalität Gehorsam und Unterordnung als die herausragenden katholischen Tugenden gepredigt. Solch eine extreme Herausstellung des Autoritätsprinzips förderte natürlich obrigkeitsstaatliche Traditionen, ja schien sie geradezu zu rechtfertigen. Demokratie und Liberalismus wurden von weiten Teilen der katholischen Kirche als Gegner, nicht als zu verwirklichende Zielgrößen betrachtet.

      Es gab zudem in den 30er Jahren eine gewisse gesamtkirchliche Anfälligkeit für autoritäre Regime. Die Kirche war in Italien und Spanien offen als Partnerin des Faschismus bzw. Francos und in Österreich als Protektorin, ja Ideengeberin des autoritären Ständestaates aufgetreten. Wenn sich auch der deutsche Nationalsozialismus deutlich vom romanischen Faschismus und noch mehr vom österreichischen Ständestaat unterschied und es daher auch nie zu einem vergleichbaren Bündnisschluss zwischen Kirche und Nationalsozialismus kam, so war die mangelnde internationale Faschismusabwehr der katholischen Kirche für die deutsche katholische Kirche und die prodemokratischen Kräfte in ihr, etwa im Laienkatholizismus, dennoch eine schwere Hypothek.

      Das im Juli 1933 geschlossene deutsche Reichskonkordat zwischen Hitler und dem Papst schien die gefährdete Besitzstandswahrung der kirchlichen Institution zu garantieren. Diese Sicherung der institutionellen Integrität wurde als vorrangig und letztlich genügend angesehen.22 Hitler hatte immer nur eine kleine Minderheit in den beiden großen Konfessionen als Gegner. Die Mehrheit arrangierte sich mit ihm.

      Die Wertung dieser Tatsache differiert bis heute erheblich. Das ist nicht weiter erstaunlich, insofern die Wertungshorizonte historischer Tatsachen und letztlich schon ihre Entdeckungszusammenhänge stark von vorgegebenen Ausgangspositionen abhängen. Bei einer selbst mit hohem moralischem Anspruch und lange auch enormer gesellschaftlicher Sanktions- und psychischer Regulierungsmacht auftretenden Institution wie der katholischen Kirche differieren diese Wertungshorizonte umso sehr, nicht zuletzt übrigens auch theologie- und kirchenintern.

      Die Differenz läuft im Kern darauf hinaus, ob man zur Bewertung des Verhaltens der kirchlichen Akteure die damals dominierende, stark institutionalistische und apologetische Ekklesiologie zu Grunde legen soll, was das kirchliche Handeln zumindest moralisch in einem günstigeren Licht erscheinen lässt, oder die nachkonziliare, stärker an einer Menschenrechtsoption orientierte pastorale Aufgabenbeschreibung der Kirche als „universales Heilssakrament“, was die Entsolidarisierung der Kirche gegenüber jenen, die ihr nicht angehörten, und auch teilweise gegenüber ihren eigenen Angehörigen, etwa getauften „Nicht-Ariern“, zu einem fundamentalen Versagen vor der eigenen Botschaft macht. Historisch und individual-ethisch betrachtet liegt Ersteres nahe, theologisch Letzteres. Freilich können die kritischen Ansätze nachweisen, dass die nachkonziliare universalistische Position damals zwar nicht dominant, aber eben doch auch präsent war, etwa bei Bischof Preysing23 oder dem sog. „Ordensausschuss“24, und damit just bei jenen, die eine Alternative zur offiziellen Politik der Bischofskonferenz vertraten.25

      

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