Lebendig alt sein. Heribert Arens

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Lebendig alt sein - Heribert Arens Franziskanische Akzente

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      „Jugend ist nicht ein Lebensabschnitt, sie ist ein Geisteszustand.

      Sie ist Schwung des Willens, Regsamkeit und Fantasie, Stärke der Gefühle,

      Sieg des Mutes über die Feigheit, Triumph der Abenteuerlust über die Trägheit.

      Niemand wird alt, weil er eine Anzahl Jahre hinter sich gebracht hat.

      Man wird nur alt, wenn man seinen Idealen Lebewohl sagt.

      Mit den Jahren runzelt die Haut,

      mit dem Verzicht auf Begeisterung aber runzelt die Seele.

      Sorgen, Zweifel, Mangel an Selbstvertrauen, Angst und Hoffnungslosigkeit,

      das sind die langen, langen Jahre, die das Haupt zur Erde ziehen

      und den aufrechten Gang in den Staub beugen. …

      Du bist so jung wie deine Zuversicht, so alt wie deine Zweifel,

      so jung wie deine Hoffnung, so alt wie deine Verzagtheit. Solange die Botschaft der Schönheit, Freude und Kühnheit,

      der Größe der Erde, des Menschen und des Unendlichen dein Herz erreicht, so lange bist du jung.

      Erst wenn die Flügel nach unten hängen und das Innere deines Herzens

      vom Schnee des Pessimismus und vom Eis des Zynismus bedeckt ist,

      dann erst bist du wahrhaftig alt geworden.“

      Gelingendes Alter ist eine Frage der Lebendigkeit und der Freude am Leben. Es ist die Kunst, auch da, wo sich Einschränkungen melden, dem Leben den Vorrang zu geben, Chancen und Möglichkeiten, die da sind, wahrzunehmen und ihrer Einladung zu folgen.

      In unseren Kursen zur Dritten und Vierten Lebensphase wurde die Fragestellung: „Was will ich erst jetzt?“ zum Schlüssel, über lebendiges Altsein nachzudenken. Die Antworten lesen sich eindrucksvoll. Sie sind Zeugnisse, dass das Alter reich sein kann an zunehmender Kompetenz und zunehmenden Möglichkeiten. Voraussetzung ist, den Blick vom Starren auf das „nicht mehr“ zum achtsamen Hinsehen auf das „erst jetzt“ zu wenden. Im Folgenden zitieren und bedenken wir Antworten von (wohlgemerkt alten) Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern auf diese Frage nach dem „erst jetzt“:

       „Ich bin dankbar, weil ich jetzt Zeit habe(n darf) für Erlebnisse, zu denen mir vorher die Zeit fehlte: die Natur erleben, Musik hören, Sport, Lesen …“

      Da merkt jemand, dass das Alter nicht nur Türen zuschlägt, sondern Türen öffnet. Die im Beruf oft eingeengte und zwanghafte Welt wird weit. Bisher verdrängte Möglichkeiten bekommen die Chance sich zu entfalten:

       Das fasziniert!

       „Ich kann mein Leben entschleunigen. Dabei hilft mir auch, dass ich langsamer werde und nicht mehr alles kann, was ich früher konnte.“

      Verlangsamung ist eine Begleiterscheinung des Alters. Aus dem zitierten Satz spricht ein alter Mensch, der das nicht als Eingrenzung sieht, sondern als Chance. Der Lebensrhythmus des modernen Menschen ist oft unruhig und gehetzt. Hier sieht ein Mensch sein Langsamer-Werden als Chance zur Entschleunigung – und damit auch zu einem bewussteren Leben, das den Augenblick genießen will. Weitere Aussagen gehen in eine ähnliche Richtung:

      „Ich gönne mir Räume der Stille, um ganz bei mir sein zu können.“ Räume der Stille sind Geschenke, die der oft gestresste Alltag des Erwachsenen kaum noch oder viel zu selten kennt. Das entschleunigte Alter hat die Chance, zur Ruhe und zur Stille zu kommen, diese Geschenke zu genießen und auszukosten. Keiner sitzt im Nacken, höchstens der Sklaventreiber im eigenen Inneren, der sagt: „Eigentlich müsstest du!“ Befreiend!

       „Ich will genießen, was das Leben mir schenkt – das muss gar nicht viel sein.“ „Ich spüre, dass ich sensibler werde für kleine Dinge, für Schönheit und Begegnung im Alltag.“

      Das Leben ist gespickt mit „Blumen am Wegrand“, die ich nur zu leicht übersehe, weil ich durch das Leben jage, weil ich viel zu oft nur auf die großen Ziele starre und das Gespür für das Kleine und Nächstliegende verliere. Das Alter bietet die Chance, wacher und sensibler dafür zu werden – Einsichten und Erfahrungen, die die Jugend kaum kennt: Das fasziniert!

       „Ich mache mich frei von Zwängen, etwa von dem Zwang, alles hundertprozentig machen zu müssen.“

      Manche leben in Umständen, die sie zwingen, hundertprozentig zu funktionieren. Manche sind aber auch ihre eigenen Zwingherren. Sie überfordern sich. Alles muss stimmen. Und jetzt bist du alt und merkst, wie viel in deinem Leben bruchstückhaft geblieben ist trotz allen guten Willens. Der Druck hat manchen nicht selten die Luft zum Atmen genommen. Jetzt verrät die Weisheit des Alters: Es muss nicht alles vollkommen, perfekt, sein. Vieles darf Fragment sein und bleiben – und die Erde dreht sich trotzdem weiter. Das Vollenden, die Rundung des Lebens, überlasse ich getrost dem, zu dessen Wesen das Vollenden gehört: Gott. Darüber werden wir noch in einem eigenen Kapitel nachdenken.

      Diese „späte“ Einsicht schenkt befreites Leben, lässt auf- und durchatmen. Das gibt Gelassenheit auch angesichts des Unvollendeten: Das fasziniert!

       „Ich erinnere mich an vieles, was in meinem Leben gelungen ist. Ich kann in der Rückschau Gottes Weg mit mir entdecken und dankbar weitergehen.“

      Das Alter ist Erntezeit. Momente der Erinnerung können ein „Erntedankfest“ sein. Erinnerungen müssen den Menschen nicht auf Vergangenes fixieren, auch wenn das gerade im Alter eine Versuchung ist. Manche ältere Menschen, unzufrieden mit der Gegenwart, flüchten sich gern in die guten Erfahrungen von gestern, verherrlichen sie, selbst wenn sie gar nicht so herrlich waren. Sie leben „vergangenheitsverliebt“. Mit dieser Haltung, vor allem mit dem dauernden Reden darüber, gehen sie schnell ihrer Umgebung auf die Nerven. Das tut nicht gut! Keiner hat Lust, immer nur die Geschichten und Heldentaten von gestern zu hören. Wer sich so verhält, wird sehr schnell sehr einsam!

      Erinnerung will vielmehr eine Kraft für die Zukunft sein. Wenn alte Menschen auf Gelungenes und Erfreuliches zurückblicken, kann ihnen das zur Quelle des Lebensmutes und der Energie für morgen und übermorgen werden, weil sie „rückwärts blickend vorwärts schauen“5.

      Solche Erinnerung ist nicht zuletzt dem glaubenden alten Menschen eine Quelle des Gottvertrauens und der Hoffnung. Denn gute Erfahrungen sind für viele die Handschrift Gottes in ihrem Leben. Dieses Geheimnis enthüllt sich erst in der Rückschau. „Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden und nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden“ (nach Kierkegaard). Sich in der Gegenwart an Vergangenes erinnern, um dem Leben und der Zukunft zu trauen, das lässt Leben auch im Alter gelingen: Das fasziniert!

       „Die Lebenserfahrung hilft mir, auf vieles anders zu reagieren: nüchterner, gelassener, humorvoller.“ „Ich spüre, dass eine Reifung stattgefunden hat, die mich mehr Verständnis für andere haben lässt.“

      Wer solche Sätze sprechen kann, gehört zu den liebenswürdigen Seniorinnen und Senioren. Gern werden sie auch „positive Oma“, „positiver Opa“ genannt. Sie sind offen für die Menschen um sie herum, vor allem für die nachrückenden Jüngeren. Sie leben nicht ein krampfhaftes „ich auch!“. Sie schauen mit Gelassenheit

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