Lebendig alt sein. Heribert Arens

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Lebendig alt sein - Heribert Arens Franziskanische Akzente

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gestattet es sich, der Mensch zu sein, der sie oder er ist.

      Das Alter ist eine Lebensphase, in der sich kein Mensch mehr etwas beweisen muss. Ich lebe einfach mit dem, was ich kann, aber auch mit dem, was ich nicht kann. Das bin ich – und so darf ich sein: „Ich lebe mein Leben mit den Möglichkeiten, die mir jetzt gegeben sind.“ Das lockt und fasziniert!

      „ Ich tue mir selbst etwas Gutes, gönne mir etwas.“

      Das ist ein wunderbares Wort. Es spricht von einer Lebenskunst, die erlernt sein will! Dazu hat Edith Hess für ihr eigenes Leben wertvolle Leitsätze wie die drei folgenden entwickelt:

      – „Ich tue meinem Leib Gutes

      Ich freue mich meiner Leiblichkeit trotz abnehmender Schönheit und Frische. Ich kümmere mich liebevoll um meinen Leib, trainiere, pflege und salbe ihn. Es tut mir gut, mit Tieren und Pflanzen in zärtlichem Körperkontakt zu sein …

      – Ich lege die Hände in den Schoß

      Ich freue mich an der Befreiung von vielen Aufgaben und nehme mir mit gutem Gewissen Zeit zum Sinnieren, Träumen und Nichtstun. Ich betrachte mein Lebenswerk und freue mich über alles, was gelungen ist. In einer lauten Welt achte ich auf leise Stimmen und Töne …

      – Ich setze mich an die echten Lebensquellen

      Ich schaufle mir den Zugang zu meinen inneren Kraftquellen immer wieder frei. Ich stärke mich mit der Erfahrung von Freundschaft; ich liebe und lasse mich lieben. Ich lasse mich immer wieder verzaubern von der Schönheit der Natur und des Sternenhimmels, der Musik und anderen Werken schöpferischer Menschen.“6

      Das sind Chancen des an Lebensjahren alten Menschen, sich selbst Gutes zu tun, sich selbst etwas zu gönnen, das Wort des hl. Bernhard mit Leben zu füllen, das er an seinen Schüler Papst Eugen III. geschrieben hat: „Gönne dich dir selbst!“ Da macht es Freude, alt zu sein: Das fasziniert!

       „Ich will am Leben teilnehmen – bis zum Schluss.“

      Das sagt ein alter Mensch, der nicht an einer Blickverengung leidet. Mancher kennt, wenn die Jahre kommen, nur noch Themen wie Arztbesuche, Pillen, Krankheiten, Essen und Trinken … Mancher kennt die Wartezimmer der Ärzte besser als die eigene Küche. Da wird die Welt ganz klein, das Interessante im Leben reduziert sich auf das, was in meiner kleinen Welt geschieht. Schade, denn die Welt ist so groß!

      „Ich will am Leben teilnehmen …“ – es ist beeindruckend, was der alte Mensch mit diesem Satz ausdrückt: „Ich interessiere mich für das, was über meinen Tellerrand hinausgeht.“ Es berührt mich, was in der Welt geschieht. Ich nehme an den Erfolgen meiner Kinder, Enkel und Urenkelinnen teil. Ich will mich aufregen, wenn Politiker und Politikerinnen uns betrügen, um Stimmen zu fangen. Ich will mich freuen, wenn im Frühling die Natur wieder aufblüht! Ich will nicht mehr das Tanzbein schwingen, aber ich genieße den Anblick junger Paare auf der Tanzfläche. Ich will betroffen sein, wenn ich vom Hunger in der Dritten Welt höre und sehe. Ich will neugierig bleiben, die Umwelt nicht mit meinen „alt-klugen“ Antworten überschütten, stattdessen fragen, schauen, einfach dabei sein: mitlachen, mitweinen, Anteil nehmen. Bei alledem mache ich mir bewusst, „dass ich nicht allein bin. Andere erleben Ähnliches, sitzen mit mir im gleichen Boot.“ Das fasziniert!

      Das ist die Schlüsselfrage zu gelingendem und zufriedenem Altsein. Sie lenkt den Blick auf die Kompetenz des Alters, auf Fähigkeiten, die erst mit den Jahren richtig aufblühen, auf Chancen, die ich in mir trage, auf Möglichkeiten, die mir gerade das Alter ermöglicht.

      In diesem Zusammenhang hat Alt-Bischof Joachim Wanke aus Erfurt fünf Antworten formuliert auf die Frage „Was mir im Alter wertvoll ist?“, von denen wir einige gekürzt wiedergeben.7

       „Unterbrechen können

      Ich merke, dass ich Freude daran gewinne, Zeit zu haben, mich von aufdringlicher Kommunikation zu ‚entkabeln‘. Es ist für mich ein Geschenk, Zeit für mich und Zeit für Menschen an meiner Seite zu gewinnen. Hören, Zuhören und Nachdenken können werden mir wichtiger als früher.

       Anknüpfen können

      Ich mache die Erfahrung, dass mir die Wiederholung hilft und Sicherheit gibt. Damit meine ich die Alltagsrituale (des geregelten Tages) bis hin zu den liturgischen Ritualen, in denen die Seele sich festmachen kann. Dort kann ich immer neu anknüpfen und innerlich dankbar bleiben.

       Loslassen können

      Es gehört zur Gnade des Alters, nichts unbedingt und um jeden Preis festhalten zu müssen. Es ist sicher eine Gnadengabe, innerlich die Sehnsucht nach dem ‚Mehr‘ zu behalten. Ich kenne ältere Menschen, in deren Nähe man aufatmen kann, denen man nichts bringen muss, sondern von denen man beschenkt weggeht. Vielleicht fällt es im Alter auch leichter, nicht auf Begeisterung angewiesen zu sein. Es befreit, vieles einfach loslassen zu dürfen.

       Bejahen können

      Im Alter entdecke ich mehr als früher: Die größte Tat des Menschen ist es, sich selbst zu bejahen, sein Leben – so wie es ist, so wie es war. … Das Alter schenkt mir Luft, mir Zeit zu lassen und anderen Zeit zu geben, diese Kraft zur ‚Zustimmung‘ aufzubringen.“

      Eine anschauliche Zusammenfassung der bisherigen Überlegungen ist der Titel, den Edith Hess und Karl Guido Rey ihrem Buch über eine Spiritualität des Alters gegeben haben: „Die Reise ist noch nicht zu Ende8. Das Leben ist eine große Reise, mit Faszination und Erlebnissen auf jeder Teilstrecke. Diese Reise ist nicht abgeschlossen, wenn der Mensch „aufs Altenteil“ geht. Sie geht bis zum „Grenzbahnhof“ mit der „Zollstation“ zur Ewigkeit, bis zum letzten Atemzug. Auch im Alter kann das Leben eine attraktive Reise sein, sicher mit mancher Klage, aber auch mit Tanzen (vgl. Ps 30).

      Vom Alter als Lebensphase der Lebendigkeit, nicht des langsamen Dahinwelkens, weiß auch die Bibel. Im Psalm 92 heißt es über den (auch alten) Menschen, der seine Kraft aus dem Leben mit Gott schöpft: „Gepflanzt im Haus des Herrn, gedeihen sie in den Vorhöfen unseres Gottes. Sie tragen Frucht noch im Alter und bleiben voll Saft und Frische.“

      Die Bibel kennt Beispiele für die Wahrheit dieser Worte:

      Sara, die Neunzigjährige, ist noch in ihrem Alter fruchtbar und empfängt Isaak. Ähnliches erlebt im Neuen Testament Elisabeth, die Frau des Zacharias. Sie bringt im hohen Alter noch einen Sohn zur Welt, Johannes den Täufer: „… sie tragen Frucht noch im Alter! “ Auch die beiden Alten im Tempel, Simeon und Hanna, tragen glücklich die Frucht ihres lebenslangen Hoffens auf den Armen: kein eigenes Kind, aber ein Kind, das Gott schenkt, eine Frucht ihres lebenslangen Vertrauens: Ihre alten Augen sehen das Heil – und strahlen!

      Das Alter ist eine Phase der Lebensfülle, für die auch das Wort aus der Mitte des Johannesevangeliums gilt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Wer ins Leiden verliebt seine alten Tage lebt, wird die Fülle nicht entdecken. Wer aber in der erwartungsvollen Hoffnung lebt: „Ich will am Leben teilnehmen – bis zum Schluss“, wird die Quelle der Lebendigkeit auch im Alter entdecken. Diese Quelle wird dem alten Menschen von Gott geschenkt, trinken allerdings muss er selbst.

      Anschaulich wird das bei dem Gelähmten am Teich Bethesda (Joh 5,1–16). Seit 36 Jahren liegt er dort und kommt nicht in das heilend

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