Von der Erde zum Mond. Jules Verne

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Von der Erde zum Mond - Jules Verne страница 3

Von der Erde zum Mond - Jules Verne

Скачать книгу

ein wie folgt abgefasstes Rundschreiben:

       Baltimore, 3. Oktober.

      »Der Präsident des Gun-Clubs beehrt sich, seine Kollegen davon zu unterrichten, dass er in der Sitzung am 5. d. Monats eine Mitteilung zu machen hat, welche sie lebhaft interessieren wird. Demnach bittet er sie, ungesäumt der im gegenwärtigen Schreiben enthaltenen Einladung zu folgen.

       Mit herzlichem Gruß

       Impey Barbicane, Präsident.«

      ZWEITES KAPITEL

      Mitteilung des Präsidenten Barbicane

      A

      m 5. Oktober um acht Uhr abends drängte sich eine dichte Menge in den Sälen des Gun-Clubs, 21. Unionsquare. Alle in Baltimore einheimischen Mitglieder der Gesellschaft hatten sich auf die Einladung ihres Präsidenten dort hinbegeben. Die Korrespondenten gelangten per Express zu hunderten in der Stadt an, und so groß auch die Sitzungshalle war, so konnte die Menge der Gelehrten darin keinen Platz mehr finden. Sie strömte über in die anstoßenden Säle, die Gänge bis mitten in die äußeren Höfe, wo sie mit dem gewöhnlichen Volk zusammentraf, das sich an den Eingängen drängte. Indem jeder in die vordersten Reihen zu gelangen trachtete, alle voll Begierde, die wichtige Mitteilung des Präsidenten Barbicane zu vernehmen, stieß und schob man sich herum, zerdrückte sich mit jener Freiheit des Handelns, welche den in den Ideen des ›selfgovernment‹ erzogenen Massen eigentümlich ist.

      An jenem Abend hätte ein in Baltimore anwesender Fremder um keinen Preis in den großen Saal gelangen können, derselbe war ausschließlich den einheimischen Mitgliedern oder den Korrespondenten vorbehalten. Kein Anderer konnte darin einen Platz bekommen, und die Notabeln der Stadt, die Mitglieder des Rates der ›Auserkorenen‹, hatten sich unter die Menge ihrer Untergebenen begeben müssen, um flüchtig zu erhaschen, was drinnen vorging.

      Indes bot die riesige Halle einen merkwürdigen Anblick. Das große Lokal war dabei erstaunlich gut für seine Bestimmung geeignet. Hohe Säulen, die aus übereinandergesetzten Kanonen auf einer dicken Unterlage von Mörsern gebildet waren, trugen die feinen Verzierungen des Gewölbes, die gleich Spitzen aus Guss gefertigt waren. Vollständige Rüstungen von Stutzern, Donnerbüchsen, Büchsen, Karabinern, alle möglichen Feuerwaffen alter und neuer Zeit, waren an den Wänden mit malerischen Verschlingungen gruppiert. Das Gas strömte in vollen Flammen aus tausenden von Revolvern, die in Form von Lüstern angeordnet waren, während aus Pistolen gebildete Girandolen und Kandelaber, die aus Bündeln von Flintenläufen angefertigt worden waren, die glänzende Beleuchtung vollendeten. Die Kanonenmodelle, die bronzenen Probemuster, die durchlöcherten Zielscheiben, die von Kugeln des Gun-Clubs zerschossenen Platten, die Auswahl von Setzern und Wischern, die Rosenkränze aus Bomben, die Halsbänder aus Geschossen, die Girlanden aus Granaten, kurz, alle Werkzeuge des Artilleristen überraschten das Auge durch ihre eigentümliche Anordnung und erweckten den Gedanken, dass sie in Wahrheit mehr zum Schmuck als zum Morden bestimmt seien.

      Auf dem Ehrenplatz sah man unter einer glänzenden Glasglocke ein zerbrochenes, vom Pulver zerdrehtes Stück einer Kanone, ein kostbares Reststück der Kanone von J. T. Maston.

      Am Ende des Saales saß auf einem breiten Sonderplatz – umgeben von vier Sekretären – der Präsident. Sein Sitz, der sich auf einer mit Schnitzwerk gezierten Lafette befand, war im Ganzen gleich einem starken Mörser von zweiunddreißig Zoll geformt, in einem Winkel von neunzig Grad aufgestellt und an Zapfen befestigt, sodass sich der Präsident auf demselben wie auf einem Schaukelstuhl in angenehmster Weise schaukeln konnte. Auf dem Schreibtisch, einer breiten Platte aus Eisenblech auf sechs Kanonen, sah man ein Tintenfass von besonderem Aussehen, das aus einer kostbar gemeißelten Biskayer Büchse geformt war, und eine Donnerglocke, die bei gegebenem Anlass wie ein Revolver knallte. Bei heftigem Streit reichte diese neu erfundene Glocke manchmal kaum aus, um die Stimmen dieser Legion von erhitzten Artilleristen übertönen zu können.

      Vor dem Schreibtisch waren kleine Bänke im Zickzack, gleich den Linien einer Verschanzung, aufgestellt und bildeten eine Reihe von Basteien und Kourtinen. Auf diesen saßen die Mitglieder des Gun-Clubs, und diesen Abend konnte man sagen: ›Es fehlte nicht an Männern auf den Wällen.‹ Man kannte den Präsidenten gut genug, um zu wissen, dass er seine Kollegen nicht ohne wichtigen Grund einberufen hatte.

      Impey Barbicane war ein Mann von vierzig Jahren, ruhig, kaltblütig, streng, von außerordentlich ernstem und konzentriertem Geist, pünktlich wie ein Uhrwerk, von starkem Temperament, unerschütterlichem Charakter, wenig ritterlich, doch abenteuerlich, aber voll praktischer Ideen, selbst bei den verwegensten Unternehmungen – er war in bestechendster Weise der Mann Neu-Englands, der nordische Pflanzer, der Abkömmling jener Rund-Köpfe, die einst den Stuarts so gefährlich wurden, der unversöhnliche Feind der südlichen Gentlemen, jener vormaligen Junker des Mutterlandes. Mit einem Wort, er war durch und durch ein Yankee reinsten Wassers.

      Barbicane hatte sich im Holzhandel ein großes Vermögen erworben. Während des Krieges zum Artilleriedirektor ernannt, machte er zweckmäßige Erfindungen, hatte kühne Ideen, trug viel zu den Fortschritten dieser Waffe bei und gab den experimentellen Forschungen einen unvergleichlichen Schwung.

      Ein Mann von mittlerer Statur, hatte er – seltene Ausnahme im Gun-Club -ganz wohl erhaltene Glieder. Seine scharf ausgeprägten Gesichtszüge waren wie mit dem Lineal nach dem Winkelmaße geschnitten, und wenn es wahr ist, dass man, um eines Menschen instinktiven Charakter zu erkennen, ihn im Profil ansehen müsse, so konnte man bei ihm darin die deutlichsten Anzeichen von Energie, Kühnheit und Kaltblütigkeit wahrnehmen.

      In diesem Augenblick war er in seinem Lehnstuhl unbeweglich, stumm, in Gedanken versunken, den Blick nach innen gerichtet, mit einem hoch geformten Hut – einem schwarzen Seidenzylinder – welcher, so scheint es, den amerikanischen Schädeln angeschraubt ist.

      Das lärmende Gerede seiner Kollegen um ihn her störte ihn nicht. Sie befragten einander, schweiften auf dem Feld der Vermutungen, forschten in den Zügen ihres Präsidenten und trachteten vergeblich, das Fragezeichen seiner undurchdringlichen Physiognomie herauszubekommen.

      Als die Uhr des großen Saales mit Donnerschlägen die Stunde verkündete, erhob sich Barbicane plötzlich, wie von einer Sprungfeder emporgeschnellt. Alles lauschte, und der Redner ließ sich mit etwas emphatischem Ton folgendermaßen vernehmen:

      »Tapfere Kollegen! Schon allzu lange hat ein unliebsamer Friede die Mitglieder des Gun-Clubs in bedauerliche Untätigkeit versetzt. Nach vier so ereignisvollen Jahren mussten wir unsere Arbeit einstellen und auf dem Wege des Fortschritts plötzlich Halt machen. Ich nehme keinen Abstand es laut auszusprechen: Jeder Krieg, der uns wieder die Waffen in die Hand gäbe, würde willkommen sein ...«

      »Ja, der Krieg!«, rief J. T Maston stürmisch. »Hört! Hört!«, vernahm man von überall her.

      »Aber der Krieg«, fuhr Barbicane fort, »ist unter den gegenwärtigen Umständen nicht durchzusetzen, und was sich auch der ehrenwerte Kollege, welcher mich unterbrach, für Hoffnungen machen mag, es wird eine Reihe von Jahren vergehen, ehe unsere Kanonen wieder auf einem Schlachtfeld donnern. Das muss man sich nun gefallen lassen, und in einem andern Ideenkreise Beschäftigung für unseren Tätigkeitstrieb suchen.«

      Da die Versammlung merkte, dass ihr Präsident nun auf den Hauptpunkt kam, verdoppelte sie ihre Aufmerksamkeit.

      »Seit einigen Monaten, wackere Kollegen«, begann Barbicane erneut, »habe ich darüber nachgedacht, ob wir nicht innerhalb

Скачать книгу