Johann Wolfgang von Goethe – Basiswissen #01. Bert Alexander Petzold
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Im menschgemachten Getümmel sehnte sich bereits der Jüngling nach der Natur. Diese Sehnsucht blieb sein Leben lang. In gleicher Manier zeichnete sich bereits zu jungen Jahren eine regelrechte Gier nach Wissen und der Drang, das Wissen zu verarbeiten, bei Johann Wolfgang ab. Aus der Bibliothek des Vaters verschlang er Juristisches, machte sich an französischen Theaterstücken von Racine oder Voltaire zu schaffen und griff immer wieder zur Bibel. Auch wenn er später den kirchlichen Formen des Christentums gänzlich absagte, nannte Goethe die Bibel als frühe Quelle seiner Bildung.
Das frühe Stadtleben etablierte schon damals Goethes berühmte Sensibilität für seine Umwelt. So nahm ihn die Kunde vom schweren Erdbeben in Lissabon am 1. November 1755, das als eine der großen Naturkatastrophen des Jahrhunderts in die Geschichte einging, schwer mit. In „Dichtung und Wahrheit“ ließ Goethe nachklingen, wie sehr er als Knabe davon betroffen war:
„Schneller als die Nachrichten hatten schon Andeutungen dieses Vorfalls sich durch große Landstrecken verbreitet. An vielen Orten waren schwächere Erschütterungen zu verspüren, an manchen Quellen ein ungewöhnliches Innehalten zu bemerken gewesen. Um desto größer war die Wirkung der Nachrichten selbst. Der Knabe, der alles dieses wiederholt vernehmen musste, war nicht wenig betroffen.“
Gleichzeitig war eine bewegte Handelsstadt wie Frankfurt freilich selbst fest eingebunden in die zeitgenössische Geschichte. 1759 wurde Frankfurt von den mit den Österreichern verbundenen Franzosen überrumpelt und besetzt, im Elternhaus nahm der leitende französische Verwaltungsbeamte fast zweieinhalb Jahre die unteren Stockwerke in Beschlag.
Die französische Besatzung brachte ebenfalls eine Schauspieltruppe in die Stadt, Goethe war elf Jahre jung und besuchte die Aufführungen regelmäßig. Gleichzeitig machte Goethe seine ersten poetischen Versuche zu dieser Zeit. Zum Sonntagsempfang war es normal, dass die Kinder Verse vortrugen, Goethe war von der Qualität seiner Verse schnell überzeugt, vor allem weil die anderen in seinen Augen „sehr lahme Dinge vorbrachten“.
3. Goethe wird schwärmerischer Dichter und Student (1765–1771)
Mit 16 Jahren fühlte sich Goethe der Stadt Frankfurt, aber gemäß dem Alter wahrscheinlich auch dem Elternhaus, überdrüssig. Goethe wollte studieren, sein Ziel die Universität Göttingen, wo er unter Christian Gottlob Heyne und Johann David Michaelis die Altertumskunde studieren wollte, um seiner Dichtkunst mehr Substanz zu verleihen. Sein Vater war ebenfalls der Meinung, dass der Sohn, dem bisher jegliches Wissen spielerisch zugefallen war, bereit für ein Studium war. Mit dem Studienfach und -ort hingegen war er nicht d’accord.
Johann Caspar hatte zu seiner Zeit die Universität in Leipzig besucht, Jura studiert und hegte weiterhin einige Kontakte, die er bei Bedarf spielen lassen konnte. Für ihn stand außer Frage, dass der Zögling in die eigenen Fußstapfen zu treten hatte. Goethe erinnert sich, wie der Vater stundenlang über seine Studienzeiten schwadronierte, ließ ihn reden und machte sich „kein Gewissen“ daraus.
Am 27. September 1765 hieß es also: Abschied nehmen von den Frankfurter Freunden. Unter den Kumpanen Johann Jakob Riese, Ludwig Moors und Johann Adam Horn ging nur Horn ebenfalls nach Leipzig und auch erst ein halbes Jahr später.
Goethe erreichte die sächsische Messestadt am 3. Oktober 1765. Leipzig war damals von etwa gleicher Größe und internationaler Umtriebigkeit wie Frankfurt, präsentierte sich aber nicht altertümlich verwinkelt, sondern modern, mit breiten Straßen, Blockquartieren und einheitlichen Fassaden. Studenten hausierten in durchaus komfortablen Zwei-ZimmerQuartieren, die unweit des berühmten „Auerbachs-Keller“ entfernt lagen. Auch Goethe würde in naher Zukunft schon häufig hier verkehren.
Leipzig stand im Zeichen des Rokokos, die Mode war bunt, auffällig, schick und kostspielig. Für den jungen Goethe spielte Geld kaum eine Rolle, die Apanagen des Vaters beliefen sich monatlich auf hundert Gulden. Im Arbeitervolk war das ein gutes Jahresgehalt. Goethe genoss den Luxus in vollen Zügen, noch im Oktober 1765 prahlte er gegenüber dem Freund Riese: „Hühner, Gänse, Truthahnen, Enten, Rebhühner, Schnepfen, Feldhühner, Forellen, Hasen, Wildbret, Hechte, Fasanen, Austern pp. Das erscheinet täglich.“ Goethe lud Kommilitonen ins teure Theater ein und schmückte sich in modischster Kleidung. An der Universität fiel er auf, man machte sich etwas lächerlich über den jungen Mann, Geschmack ließ sich eben auch damals nicht kaufen.
Die anfängliche Euphorie musste recht schnell einer gewissen Ernüchterung weichen. Zum einen vermisste der junge Goethe seine Freunde, oft fühlte er sich sozial isoliert, denn die einheimischen gehobeneren Gesellschaften, in denen er freilich zügig verkehrte, störten sich an der vorlauten Art und am Dialekt des Frankfurters. Gleichzeitig tangierten ihn seine Studien nicht, an Riese schrieb er bereits ein halbes Jahr nach der Prahlerei:
„Da sah ich erst, dass mein erhabener Flug, wie er mir schien, nichts war als das Bemühen des Wurms im Staube, der den Adler sieht zur Sonn' sich schwingen, und wie der hinauf sich sehnt. Er sträubt empor und windet sich und ängstlich spannt er alle Nerven an – und bleibt im Staub.“
Literarisch galten in Leipzig Professor Christian Fürchtegott Gellert und Johann Christoph Gottsched als die Koryphäen, und zu Gotthold Ephraim Lessing, der ja auch in Leipzig studiert hatte, traute er sich kaum aufzuschauen. Treffen mit Gellert und Gottsched nahmen Goethe die Ehrfurcht vor „großen Männern“, denn beide erschienen ihm für die Zeiten unpassend. Großen Einfluss hatten darüber Johann Michael Stock und Adam Friedrich Oeser, die ihm das Zeichnen und den Kupferstich lehrten. Dabei machte ihn Oeser speziell mit dem Klassizismus bekannt.
Neben den Künsten entdeckte Goethe in Leipzig seine größte Leidenschaft. Der mittlerweile 17-Jährige begegnete zu Gast im Schönkopschen Weinhaus der Tochter der Wirtsleute, Anna Katharina, genannt Käthchen, und verliebte sich in sie. Die Liebelei war schnell von Goethes Eifersucht geprägt, welche die Verehrte wohl lang, laut ihm, mit „unglaublicher Geduld“, aber eben nicht ewig aushielt. In einem Brief an den Leipziger Freund Behrisch spricht er davon, dass man mit Liebe angefangen habe und jetzt mit Freundschaft ende und glücklich sei.
In Wahrheit nahm Goethe die Trennung nur schwerlich auf, auch weil ihm die Eifersucht als unangenehme Seite an ihm offenbart wurde. In Verbindung mit den stetig schleppenden Studien wurde Goethe regelrecht übermannt und brach zusammen. Im Juli 1768 erlitt er einen lebensgefährlichen Blutsturz, der ihn mit dem Tod ringen ließ. Die Genesung ging langsam vonstatten. Am 28. August 1768, seinem neunzehnten Geburtstag, reiste er schlussendlich gen Frankfurt ab, wo er ein einjähriges Moratorium einlegte.
Zurück in der Vaterstadt, sah sich Goethe mit der Unzufriedenheit des Patriarchen konfrontiert, denn er hatte nach drei Jahren des Studiums nichts vorzuweisen, was dem Vater von wert war. Goethe reflektierte über seine Briefe, denen er die meisten seiner Gedichte aus dieser Zeit angehängt hatte, und musste sich hier der eigenen Unzufriedenheit stellen. Er bemerkte einen „gewissen selbstgefälligen Dünkel“, sein Stil kam ihm vor wie eine platte Nachahmung des vornehmen Tons.
Immer noch schwer gebeutelt durch die Krankheit, feilte Goethe an eben jenen Gedichten und veröffentlichte dann 1769 eine Sammlung in Kollaboration mit dem Freund Theodor Breitkopf unter dem Titel: „Neue Lieder, in Melodien gesetzt von Bernhard Theodor Breitkopf“. Seine erste Veröffentlichung verblieb ohne Namensnennung des Autors.
Im Oktober 1769 entschied sich Goethe dazu, nach Straßburg zu ziehen, mitunter wieder, weil der Vater es wünschte, denn er hatte