Traumprinz nicht gesucht und doch gefunden. Isabella Lovegood
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In ihrem Zimmer ließ sich Sonja mit dem Rücken auf ihr Bett fallen und blieb dort ein paar Minuten liegen, während sie an die Decke starrte. Seit sie nicht mehr hier wohnte, fiel es ihr noch schwerer, in ihre Rolle zu schlüpfen. Es fühlte sich an, als müsste sie sich in eine zu eng gewordene Hülle zwängen. Seufzend trat sie in ihren begehbaren Kleiderschrank. Ein Bewegungsmelder schaltete das Licht ein, das den kleinen Raum gut ausleuchtete. ›Was habe ich denn bei der letzten Hausparty getragen? Ich darf auf keinen Fall zweimal hintereinander das Gleiche anziehen! War es das dunkelblaue oder das moosgrüne Kleid?‹, überlegte sie. Ein anderes aus dunkelrotem Satin sprang ihr förmlich in die Hand. Ihr fiel ein, dass ihre Mutter dieses Kleid an ihr liebte, und obwohl sie selbst die Farbe nicht ganz so sehr mochte, beschloss Sonja, dass es die richtige Wahl sein würde. Fast eine Stunde war sie damit beschäftigt, ihre glatten, seidigen Haare hochzustecken, die sich immer wieder selbstständig machten. Sie schminkte sich dezent, aber sehr sorgfältig, wie ihre Mutter das von ihr erwartete. Auch wenn sie sich in der Pubertät heftige Kämpfe mit ihr geliefert hatte, wäre ihr nicht im Traum eingefallen, sie bei einem solchen Fest zu blamieren.
Drei Stunden später war die Abendveranstaltung in vollem Gange. Fünfundzwanzig bis dreißig elegant gekleidete Menschen verschiedenen Alters standen in Grüppchen zusammen, einige wenige hatten sich auf der Wohnlandschaft niedergelassen. An einer Seite des Raumes war ein Buffet mit feinen Häppchen aufgebaut.
»Das Catering hat sich diesmal selbst übertroffen«, stellte Tom zufrieden fest und schob sich den Rest eines Brötchens mit Fischmousse in den Mund, das mit einem Blättchen Petersilie und rotem Kaviar garniert war. Sonja nickte. Sie kaute gerade genüsslich an einer raffiniert gewürzten Garnele.
»Ganz hervorragend«, bestätigte Matthias, der neben ihr stand. »Wie immer, wenn eure Eltern ein Fest geben. Und die Villa ist einfach ein Traum. So elegant!« Er lächelte Sonja an. »So wie du! Absolut perfekt!«
Sie verdrehte innerlich die Augen. Sie kannten sich von Kindheit an, weil ihre Väter gemeinsam die Klinik gegründet hatten. Ihr Vater war der ärztliche Leiter, Herr Magister Fankhauser kümmerte sich um die wirtschaftlichen Belange. Irgendwann hatte ihre Mutter angedeutet, dass sie eine Verbindung der beiden Familien befürworten würde. Das war allerdings schon mehr als zehn Jahre her, also zu einer Zeit, als Sonja noch ein Teenager gewesen war und Matthias gerade angefangen hatte zu studieren. Mittlerweile hatte er den dritten Wechsel der Studienrichtung und seinen dreißigsten Geburtstag hinter sich. Von ihrem Bruder wusste sie, dass er sich lieber in den Studentenkneipen der Grazer Innenstadt und bei seiner Burschenschaft herumtrieb, als in den Hörsälen der Uni.
»Wie gefällt dir Betriebswirtschaft?«, fragte sie ihn mehr aus Höflichkeit als aus ehrlichem Interesse. Schließlich wurde von ihr erwartet, sich um die Gäste zu kümmern.
»Trocken«, stellte Matthias fest und verzog missmutig die schön geschwungenen Lippen. »Aber immer noch besser als Jura und die ganzen anderen Sachen, die ich ausprobiert habe.«
»Viel Auswahl hast du ja nicht mehr«, ätzte Tom. »Vor allem, wenn dir dein alter Herr wie angedroht den Geldhahn zudreht.«
Matthias warf ihm einen strafenden Blick zu. »Du brauchst das aber nicht an die große Glocke zu hängen.«
Sonja verbiss sich ein Grinsen. Ein wenig peinlich schien es ihm ja doch zu sein.
»Ich ziehe das jetzt durch und dann steige ich auch in die Klinik ein. Dann werden wir Kollegen und können uns jeden Tag sehen«, wandte er sich mit einem aalglatten Lächeln an sie. Ihre Freude darüber hielt sich in Grenzen, doch das zeigte sie ihm nicht.
»Ja, mach mal. Das dauert ja noch ein paar Jahre«, erwiderte sie stattdessen. »Ich sehe nach, was es noch zu futtern gibt.« Das Catering war tatsächlich hervorragend. Es hatte sich eindeutig gelohnt, das Unternehmen zu wechseln. Am Buffet begegnete sie ihrem Vater, der gerade überlegte, was er nehmen sollte.
»Hallo, Liebes, amüsierst du dich gut?«, fragte er sie mit einem verständnisvollen Zwinkern. Er mochte diese Art von Veranstaltung ebenso wenig wie sie, nahm es jedoch als Begleiterscheinung seines Jobs gelassen hin. Er hatte ihr einmal verraten, dass er viel lieber ein Picknick an einem See machen würde oder Würstchen am Lagerfeuer grillen, als diese steifen Partys zu veranstalten. Manchmal fragte sie sich, wie sich ihre Eltern überhaupt ineinander verlieben konnten, so verschieden erschienen sie ihr.
»Geht so«, antwortete sie lächelnd. »Matthias versucht mal wieder, mit mir zu flirten. Manche Dinge ändern sich nie.«
»Das ist kein Wunder. Du bist eben eine wunderhübsche, kluge junge Frau.« Solche Worte ließ sie nur ihrem Vater ohne Augenrollen durchgehen. Eigentlich taten sie auch gut, aber das würde sie niemals zugeben. »Ich möchte dir gerne Samuel Hirschnigg und seine Familie vorstellen.« Der Name war ihr bereits geläufig. Ihr Vater und Doktor Hirschnigg waren schon eine ganze Weile in Kontakt und mittlerweile wohl so etwas wie befreundet. Der Kärntner Kollege hatte ihn um Rat gefragt, weil er in dem benachbarten Bundesland eine ähnliche Klinik aufbauen wollte wie ihr Vater hier. Es war typisch für ihn, dass er in Doktor Hirschnigg keinen Konkurrenten sah, den es zu bekämpfen galt, sondern ihn bereitwillig mit seinem Know-how unterstützte. Sie schlenderten zu dem Trüppchen hinüber, das sich gerade mit ihrer Mutter unterhielt. Sonja stellte ihren Teller mit den Häppchen auf dem kleinen Stehtisch ab und wandte sich der Familie zu, die aus einem Paar Anfang Fünfzig und einem jungen Mann bestand, der sie sichtlich bewundernd anlächelte. Während der Arzt bereits graue Strähnen in seinem dunkelblonden Haar hatte, und zwar sympathisch, aber etwas farblos wirkte, hatten Frau und Sohn schwarzes Haar, einen etwas dunkleren, südländisch anmutenden Teint und waren unbestreitbar attraktiv.
»Hallo, Sonja, wir freuen uns sehr, Sie persönlich kennenzulernen«, ergriff die Frau das Wort und reichte ihr die Hand. Sie war ebenso zierlich und zartgliedrig wie Sonja und ihr Händedruck angenehm energisch. »Ich bin Carina. Mein Mann Samuel und unser Sohn Jonas«, stellte sie mit einem offenen Lächeln vor. Zu dem leichten Kärntner Dialekt mischte sich noch ein zarter Akzent, der ihre Sprechweise sehr charmant wirken ließ. Nacheinander schüttelte sie jedem die Hand.
»Ich freue mich auch! Mein Vater hat schon viel von Ihnen erzählt!« Auch auf den zweiten Blick war Jonas ein hübscher Junge, allerdings vermutete Sonja, dass er mindestens fünf Jahre jünger war als sie. Die nächsten Worte Herrn Doktor Hirschniggs bestätigten das. »Jonas ist soeben mit der Schule fertig geworden und wird hier in Graz mit dem Medizinstudium anfangen. Vielleicht könnten Sie und Ihr Bruder ihn ein wenig unter Ihre Fittiche nehmen, damit er hier nicht so allein ist?«
Dem jungen Mann war das sichtlich peinlich und er lief leicht rot an, was aber durch seinen gebräunten Teint fast nicht auffiel.
»Sonja hat bestimmt etwas Besseres zu tun, als für mich den Babysitter zu spielen«, stieß er an seinen Vater gewandt hervor.
»Ich kann dir gerne Graz ein wenig zeigen. Auf der Uni kenne ich mich leider selbst nicht aus, aber ich habe einen Freund, der ebenfalls Medizin studiert. Vielleicht kannst du dich ja an ihn wenden.« Sie lächelte ihn aufmunternd an.
»Danke, aber ich will dir nicht zur Last fallen«, wehrte er ab, obwohl seine Augen etwas anderes sagten. Den schwärmerischen Ausdruck kannte sie nur zu gut und sie würde aufpassen, dass er nicht die falschen Schlüsse aus ihrer Freundlichkeit zog.
»Unsere Tochter Laura ist in Ihrem Alter. Sie steht dort drüben!« Carina Hirschnigg deutete zu einer jungen Frau hinüber, die nun bei Matthias und Tom stand. Sie warf ihr langes, schwarzes Haar mit einer graziösen Geste über die Schulter zurück, als sie über etwas lachte. Sonja kannte ihren Bruder und seiner Miene nach zu schließen, buhlten er und Matthias bereits