Sperrgebiet!. Susanne Klein

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Sperrgebiet! - Susanne Klein

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vorsorglich. Man wusste ja nie, wofür es gut sein konnte.

      „Klar, wir haben Jahrgangsbücher. Die Bilder sind meistens sehr aktuell. Ich maile Ihnen den Auszug zu.“

      „Ok, haben Sie vielen Dank.“

      „Keine Ursache.“

      Ich trug die spärlichen Ergebnisse meiner Recherchen in unserem Meeting vor und wies meine Kollegen darauf hin, dass die Spurensicherung ihren Bericht spätestens übermorgen vorlegen und ich im Anschluss meine Zusammenfassung per Mail an alle Anwesenden versenden würde. Noch während ich sprach, nahm ich mir vor, auf meinem Heimweg heute Abend am Fundort des Wagens einen Stopp einzulegen, um mir die relevante Region aus der Nähe anzusehen. Andreas hatte mir einmal erklärt, dass unter Umständen der Spirit eines Ortes bei der Wahrnehmung von Eindrücken helfen konnte. Ihm hätte sich so schon manches Mal eine virtuelle Leinwand geöffnet, die einen freieren Blick auf mutmaßliche Ereignisse ermöglichte.

       ZWÖLF

      Ich hielt auf dem Parkplatz und versuchte möglichst unauffällig meinen Mini genauso abzustellen, wie der von Lena Grimm bei seinem Auffinden gestanden hatte, um eine Art Duplizität der Ereignisse herbeizuführen. Allerdings wirbelte ich schon bei meiner Ankunft viel Staub auf, als ich im ersten Gang über den nicht vorhandenen Belag holperte und die gewünschte Parkposition einnahm. Das Gelände war nicht geteert und hier und dort waren entstandene Schlaglöcher mit Schotter oder Sand gefüllt, dessen Gemisch nun wüstenähnlich durch die sonnige und trockene Luft flimmerte. Dadurch erweckte meine Anwesenheit sofort das Interesse von mehreren Mitarbeitern des Deutschen Roten Kreuzes, die hier regelmäßig die Hobby-Rennradler versorgten und ihnen bei Unwohlsein oder anderen Wehwehchen zur Verfügung standen. Sie warteten auf jeden einzelnen Radfahrer – auch auf diejenigen, die erst nach Stunden eintrudelten. Das war ein festes Abkommen mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club und Teil einer sportlichen Absprache mit den Anrainerorten der Wahner Heide, die die Vitalität ihrer Bewohner im Zusammenwirken mit den Krankenkassen förderten.

      „Hallo“, grüßte einer von ihnen zu mir herüber.

      „Auch hallo.“ Ich ging auf den Bus zu und stellte mich seinen Insassen vor.

      Wie sich herausstellte, waren sie über den Knochenfund „Heidi“ informiert und rein vorsorglich zur Aufmerksamkeit veranlasst worden. Vom Vermisstenfall Lena Grimm erfuhren sie jetzt von mir.

      „Könnt ihr mich bitte anrufen, wenn ihr euch an irgendetwas erinnert, was in der letzten Zeit auffällig war? Natürlich auch, wenn heute noch etwas passiert oder anders ist, als sonst.“

      „Was meinst Du mit ‚wenn heute noch etwas passiert‘?“, fragte der junge Mann auf dem Beifahrersitz und blickte provozierend zu seinem Kumpel auf dem Fahrersitz. „Es wird ja wohl niemand hier aufkreuzen und sich über das nächste Opfer hermachen, während wir hier sind.“

      Er hatte zwar nicht ganz Unrecht, aber seine Zurechtweisung ging mir eindeutig zu weit und so zu tun, als hätte ich die blödeste Frage des Tages gestellt, ziemte sich nicht. Ganz und gar nicht.

      „Das meinte ich nicht“, rechtfertigte ich mich trotzdem. „Aber vielleicht fährt hier z.B. jemand mehrfach mit dem Auto vorbei und verhält sich dabei irgendwie auffällig. Oder ihr findet Gegenstände. Egal was, es kann wichtig für unsere Ermittlungen sein. Immerhin wird ein Mensch vermisst. Eine Frau, die in großer Gefahr sein könnte!“ Blöder Schnösel. „Falls vorhanden, lass einfach mal Deiner Phantasie freien Lauf und so lange Du nichts beitragen kannst – halt einfach die Klappe.“ Leider konnte ich mich nicht zurückhalten. Aber es hatte wohl gewirkt.

      Er nickte betreten und hatte offenbar mit meiner verschärften Ansage nicht gerechnet und sich zudem eine weitere von seinem Vorgesetzten eingefangen. „War ’ne blöde Frage“, nuschelte er so etwas wie eine Entschuldigung.

      Ich zog eine Visitenkarte aus meiner Jackentasche. Zum ersten Mal in meinem gesamten Berufsleben besaß ich eigene und war stolz wie Bolle, endlich eine herauszugeben. Mit der entsprechenden Würde strich ich sie glatt, fühlte sanft über das gestanzte Logo des Polizeipräsidiums und zeigte sie dem Empfänger, als handele es sich mindestens um einen Dienstausweis. Ungewollt zelebrierte ich die geplante Übergabe eine Spur zu feierlich und bemerkte gar nicht, dass sich die Sanitäter nach meiner Zurechtweisung längst abgewendet und wieder anderen Dingen gewidmet hatten. Ich klemmte die Karte hinter den Scheibenwischer des Rettungswagens und tauchte ein in die vollkommen unbeteiligt wirkende Natur.

      Nachdem ich ein paar Meter gegangen war und mit jedem Schritt Abstand zu den äußeren Einflüssen gewann, verlor sich das gegenseitige Interesse aller Anwesenden und ich konnte ungestört die milde Frühlingsluft aufsaugen. Und nachdenken. Aus allen Richtungen war munteres Gezwitscher der heimischen Vögel zu hören und der Boden roch wunderbar muffig nach tonhaltigem, altem Erdreich. Mahnende Schilder forderten die Besucher immer wieder auf, das Wegegebot zwingend einzuhalten, um damit das Naturschutzgebiet vor Eindringlingen und sich selbst vor den Kampfmittelresten zu schützen. Sperrgebiet halt. Während ich bei meinem Spaziergang versuchte, die beruflichen Eindrücke der letzten Tage zu sortieren und sie auf den aktuellen Fall zu übertragen, kam mir auf dem engen Trampelpfad eine Gruppe Jogger entgegen und trotz der großen Weite der Region kam man sich hautnah und musste sich zumindest an dieser Stelle ausweichen. Einer der jüngeren Läufer schenkte mir ein strahlendweißes Lächeln und wirkte mit seiner engen Laufhose und einem Achselshirt, das jeden seiner definierten Muskeln zeigte, sehr fit. Wirklich sehr fit. Der Schweißgeruch, der unsichtbar über jedem einzelnen von ihnen hing und durch die unvermeidbare Nähe sofort in mein Nasenzentrum drang, zerschlug den Hauch der Erotik. Er zog noch eine Weile nach und störte meine Wahrnehmung derart, dass ich die Mission für gescheitert erklärte, sie abbrach und nach Hause fuhr.

      Ich checkte noch im Auto an jeder roten Ampel meine E-Mails. Alleine 39 Eingänge heute – davon 31 Werbung. Schuhe, Wäsche, Bücher, Elektrogeräte und treusorgende, gutbestückte Lebenspartner wurden mir angepriesen. Es war schon mehr als erstaunlich, dass das Internet immer genau wusste, wonach ich mich gerade sehnte. Als ich dann später auf meinem XXL-Sofa saß, löschte ich beinahe alle Nachrichten und beschränkte mich auf die vermeintlich wichtigen Mails. Eine war von meinem damaligen Abteilungsleiter. Unwichtig. Der hatte immer noch nicht überwunden, dass ich ihm nicht nur unser Arbeitsverhältnis gekündigt hatte. Auch diese landete sofort im virtuellen Papierkorb. Kurz überlegte ich sogar, ob ich ihm den Eingang in meine elektronische Welt durch das Blockieren seines Namens generell verwehren sollte. Denn schließlich war er einer der Hauptgründe für meine Kündigung gewesen. Während unserer Zusammenarbeit bewegte er sich ständig am Rande der Übergriffigkeit – physisch und psychisch. Aber das war Vergangenheit und ich nahm mir vor, seine Nachrichten einfach zu ignorieren und fing heute – fast erleichtert über diese Entscheidung – damit an.

      Eine weitere Mail kam von meiner Mutter, die sich am Wochenende mit mir zu einem ausgedehnten Frühstück verabreden wollte. Ich streifte meine dunkelblauen Sneakers ungeöffnet ab, legte meine Füße auf den Tisch bis sich Gemütlichkeit einstellte und rief sie an.

      „Meine liebe Sara, schön Dich zu hören. Geht’s Dir gut?“

      „Ehrlich gesagt, weiß ich das selbst nicht so genau. Die Tätigkeit bei der Polizei ist schon sehr speziell und mir gelingt es nicht immer, das Erlebte abends einfach abzustreifen.“

      Ich erzählte ihr nur so viel, wie ich vertreten konnte und sparte die Einzelheiten aus.

      „Die Art der Arbeit ist echt eine Riesenumstellung für mich. Ich weiß gar nicht, ob ich das alles schaffe“, seufzte ich.

      „Und ob Du das schaffst,

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