Sperrgebiet!. Susanne Klein
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„Oder soll ich sie lieber drüben in der Bäckerei Mauel holen?“, legte ich nach. Ich hatte schließlich meinen Kollegen gegenüber etwas gutzumachen und wollte, egal wie und woher, ein versöhnliches Frühstück vorbereiten. Dass ich die gestrigen Nachrichten nicht mehr gelesen hatte, war mir nämlich echt peinlich.
„Nein. Ist schon in Ordnung. Wenn Du kurz vor 11.00 Uhr wieder hier bist, werden sie fertig sein.“ Was für ein Wandel.
„Das ist super. Vielen Dank. Soll ich auch schon bezahlen?“
„Gerne erst, wenn Du alles abholst. Möchtest Du auch Kaffee dazu? Ich kann Dir Literkannen anbieten.“
„Das ist ja perfekt. Dann nehme ich drei Liter Kaffee dazu.“
„Okay. Bis nachher.“
Etwas langsamer als vorhin auf dem Weg nach unten, begab ich mich nun wieder zurück in die 5. Etage und setzte mich an den Rechner, in der Hoffnung, eine zündende Idee zu entwickeln, die uns weiterbrachte. Es vergingen Minuten, in denen ich nichts weiter tat, als meinen Bildschirm nonverbal anzuflehen, mir endlich ein Zeichen zu geben. Nichts geschah. Lange nichts. Ich glaube, es gehört zur Polizeiarbeit dazu, genau das auszuhalten. Dass eben manchmal über mehrere Tage oder gar Wochen nichts passiert und im nächsten Augenblick ein bahnbrechender Hinweis zum Durchbruch verhilft, ist Alltag der Polizei und sagt null über die Quantität der Arbeit aus. Noch viel weniger über deren Qualität. Also starrte ich weiter, bis mich mein Telefon aus dem Blicken ins Leere riss.
Es war Tomas Weber, der mir ankündigte in zwei Minuten bei mir zu sein, um mir seinen Bericht zu dem Mini zu bringen.
„Aber den wollte ich doch abholen kommen“, meinte ich noch, um ihm den Weg zu ersparen und etwas Abwechslung zu haben.
„Ich dachte, ich spare Dir den Weg in die finstere Spurensicherung.“ An seinem Lachen hörte ich, dass er das nicht ganz ernst meinte, obwohl die Räumlichkeiten tatsächlich im dunklen Keller des Gebäudes lagen. Trotzdem schob er nach: „Ich brauch einfach etwas Bewegung. Bis nachher.“
Aus dem Bericht ergab sich leider keine Neuigkeit. Die Informationen waren äußerst spärlich und brachten uns für den Moment nicht sehr viel weiter. Fundort und Datum kannten wir, und dass sich ihr Gepäck im Wagen befunden hatte, war uns ebenfalls nicht neu. Andere Fingerabdrücke als die von Lena Grimm gab es nicht. Tomas wirkte frustriert darüber – er hatte sich, wie ich auch, mehr davon versprochen. Viel mehr. Ein gemeinsamer Austausch darüber wurde unterbrochen, weil mein Handy erneut klingelte. Tomas rief mir noch ein paar Worte zu, winkte zum Abschied und verschwand wieder in seinen Spurensicherungskeller.
Das Klingeln meines Handys wurde penetrant und die Küchenchefin plärrte direkt in mein Ohr, als ich das Telefonat annahm:
„Wann gedenkst Du Deine Sachen zu holen, Prinzessin?“
Ich wusste, wenn ich nicht sofort losrannte, würde ein großes Donnerwetter auf mich einprasseln. Ausläufer konnte ich noch wahrnehmen, bevor ich mein Handy, ohne das Gespräch wegzudrücken, in meine Hosentasche steckte und mich auf den Weg machte. So ein Mist. Es war 11.00 Uhr und meine Kollegen würden jeden Augenblick hier sein und ich hatte vergessen, die bestellten Brötchen und den Kaffee abzuholen. Noch schneller als bei meinem ersten Treppen-Run begab ich mich ins Erdgeschoss und stand nur wenige Sekunden nach dem Anruf der Küchenchefin leibhaftig vor ihr, während sie immer noch in ihr Handy schimpfte wie ein Rohrspatz. Vorsichtshalber strahlte ich sie an. Es funktionierte – ich hatte sie besänftigt, bevor sie erneut den Mund aufmachen konnte. Als ich die Platte vor mir sah, wusste ich, warum sie verärgert war. Köstlich aussehend und liebevoll bis ins kleinste Detail dekorierte Brötchenhälften lagen auf einem silbernen Tablett mit weißer Tortenspitze vor mir.
„Wow!!!“, war das Einzige, was ich hervorbrachte. Und ein strahlendes: „Dankeschön.“
„Gern geschehen.“ Sie reichte mir die Hand. „Ich bin Sabrina Michels.“
„Sara Lange.“
„Soll Dir jemand helfen, die Sachen nach oben bringen?“
„Das wäre toll. Was habe ich zu zahlen?“
„Mit dem Kaffee zusammen genau 35 Euro.“
Ich legte ihr 40 Euro auf den Tresen und betrachtete den Rest als Trinkgeld. Eine junge Küchenhilfe trug mit mir alles in unsere Abteilung und half, das Ganze hübsch und wie aus einem Nobelfeinkostladen in unserem Besprechungsraum zu drapieren. Schnell holte ich noch Tassen für den Kaffee, als die Aufzugstüre aufging und Andreas mit den ersten Kollegen das Zimmer enterte und sich sofort und ungefragt über Brötchen und Kaffee hermachte. Die anderen taten es ihm nach. Perfektes Timing.
„Sara, Du bist wirklich ein Schatz.“ Er blickte mich dankbar an und lächelte aus traurigen Augen, die von dunklen Rändern umgeben waren. Frank kam nach 10 Minuten dazu und übergab mir ein paar Unterlagen, die nach Arbeit aussahen. Ich ließ die Gruppe alleine frühstücken und zog mich an meinen, immer noch ruhenden Bildschirm zurück. Bis der Rechner wieder hochgefahren war, blätterte ich mich schon einmal durch die Seiten, die Frank mir in die Hand gedrückt hatte. Die Namen der beiden Zeugen, die die Leiche gefunden hatten, jagte ich durch die Google-Welt. Das Ergebnis war unspektakulär. Ganz normale junge Leute, die keine Geheimnisse vor sich und der Welt hatten. Das zeigte jedenfalls ihre Offenheit in den sozialen Netzwerken.
„Danke für das super Frühstück, Sara. Das hat gutgetan“, stand Frank plötzlich hinter mir und massierte mir den Nacken, bis es hier und da deutlich knackte.
„Ohhhh“, stöhnte ich. „Das tut aber auch gut.“ Ich schloss die Augen und genoss den kurzen Moment der Entspannung. Dabei hätte er sie viel nötiger gehabt.
„Kommst Du klar mit dem, was ich Dir gegeben habe?“, wollte er fürsorglich wissen.
„Klar, komme ich klar.“
„Melde Dich, wenn Du Fragen hast.“ Er verschwand genauso schnell, wie er gekommen war und ging zurück in sein Büro. Wir sahen uns erst zur Mittagspause in der Kantine wieder und besprachen ein paar Punkte. Andreas kam später, als wir schon fertig waren, um Frank abzuholen. Sie würden zum Krankenhaus Troisdorf fahren und die Zeugin Leonie Ohoven befragen. Vorsicht war geboten, das hatte die Ärztin am Telefon bereits angedeutet. Denn das Mädchen war in der Nacht noch auf die Intensivstation verlegt worden, da sich die Vitalwerte aufgrund des Schockzustandes dramatisch verschlechtert hatten und infolgedessen für einen Moment ihr Leben in akute Gefahr geraten war. Da aber auch der Klinik bewusst war, dass wir unsere Fragen so schnell wie möglich stellen mussten, durften die beiden für ein paar Minuten zu ihr. Ich hatte im Präsidium noch einiges zu erledigen und würde von hier aus gegen 17.00 Uhr zum Betriebssport aufbrechen. Aber, eins nach dem anderen. Mit einem großen „Hallo“ brachte ich nach meiner Mittagspause die ratzeputz leer gegessenen Platten zurück in die Küche.
„Vielen Dank noch mal, dass ihr mir so spontan geholfen habt. Und liebe Grüße an die Chefin.“ Sabrina war nirgends zu sehen. Bei nächster Gelegenheit sollte sie eine Flasche Champagner von mir für ihre Unterstützung heute Morgen bekommen.
Eine ganze Kiste davon stand noch in meinem Keller. Auch so eine Hinterlassenschaft meines früheren Vorgesetzten, als ich noch seine gut funktionierende Geliebte war, und er gelegentlich, wenn seine Olle mal wieder auf Golf- oder