Warum tut er das?. Lundy Bancroft
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Tatsache Nr. 2:
Er fühlt sich dazu berechtigt.
Die Vorstellung von einer Berechtigung bestimmt die Denkweise des Misshandelnden. Er glaubt, einen besonderen Status und dadurch exklusive Rechte und Privilegien zu haben, die für seine Partnerin nicht gelten. Die Geisteshaltungen, die den Missbrauch antreiben, lassen sich weitgehend mit diesem einen Begriff zusammenfassen.
Um die Anspruchsberechtigung zu verstehen, müssen wir uns zunächst ansehen, wie Rechte in einer Paarbeziehung oder einer Familie richtig verstanden werden sollten.
Die Rechte des Mannes und die Rechte der Frau sind gleich groß. Sie haben das Recht, dass ihre Meinungen und Wünsche respektiert werden, dass sie 50 Prozent Mitspracherecht bei der Entscheidungsfindung haben und dass sie frei von verbaler Gewalt und körperlichen Schäden leben können. Die Rechte ihrer Kinder sind etwas kleiner, aber nichtsdestotrotz wesentlich. Kinder können aufgrund ihres begrenzten Wissens und ihrer begrenzten Erfahrung nicht gleichberechtigt an Entscheidungen mitwirken, aber sie haben das Recht, frei von Misshandlung und Angst zu leben, mit Respekt behandelt zu werden und sich in allen sie betreffenden Fragen Gehör zu verschaffen. Ein Misshandelnder nimmt die Rechte der Familie jedoch anders wahr, nämlich so:
Die Rechte seiner Partnerin und seiner Kinder sind nicht nur geschmälert – bei einigen Tätern verschwinden diese kleinen Kreise ganz –, seine eigenen Rechte sind zudem stark überhöht. Meine grundlegende Aufgabe als Berater ist es, den misshandelnden Mann dazu zu bringen, seine Vorstellung von den Rechten seiner Partnerin und seiner Kinder auf die richtige Größe zu erweitern und seine Sicht auf seine eigenen Rechte auf ein angemessenes Maß zu reduzieren, so wie es sich gehört. Der misshandelnde Mann gewährt sich selbst alle möglichen „Rechte“, auch die der:
• Körperlichen Fürsorge
• Emotionalen Fürsorge
• Sexuellen Fürsorge
• Ehrerbietung
• Freiheit von Verantwortung.
Die körperliche Fürsorge steht im Mittelpunkt der eher traditionell geprägten Täter. Er erwartet von seiner Partnerin, dass sie für ihn das Abendessen nach seinem Geschmack zubereitet, sich um die Kinder kümmert, das Haus putzt und eine endlos lange Liste von zusätzlichen Aufgaben erledigt. Er betrachtet sie im Wesentlichen als eine unbezahlte Dienerin. Er meckert: „Ich reiß mir bei der Arbeit den ganzen Tag den Arsch auf, und wenn ich nach Hause komme, erwarte ich ein wenig Ruhe und Frieden. Ist das zu viel verlangt?“ Er scheint einen bequemen Sessel, eine Zeitung und einen Fußschemel zu erwarten. An den Wochenenden erwartet er, dass für alles im Haus gesorgt ist, damit er Sport schauen, am Auto basteln, Golf spielen, Vögel beobachten oder schlafen kann. Wenn sie ihre unzähligen Pflichten im Haushalt nicht zu seiner Zufriedenheit erfüllt, fühlt er sich berechtigt, scharfe Kritik auszuteilen.
Auch wenn dieser Typ des Misshandelnden veraltet zu sein scheint, gibt es ihn und er ist wohlauf. Er hat zwar in den 80er- und 90er-Jahren gelernt, seine königlichen Erwartungen hübscher zu verpacken, aber die Veränderung berührt nur die Oberfläche. Heutzutage erklären mir gegenüber weniger Täter freimütig: „Ich erwarte, dass ein warmes, leckeres Abendessen auf dem Tisch steht, wenn ich nach Hause komme“, aber sie könnten immer noch explodieren, wenn es nicht da ist.
Eng verbunden mit der Überbewertung der eigenen Arbeit ist die Entwertung der Leistung der Partnerin. Meine Klienten schimpfen: „Ich weiß nicht, was zum Teufel sie den ganzen Tag macht. Ich komme nach Hause und das Haus ist ein einziges Chaos, die Kinder haben noch nicht gegessen, und sie ist am Telefonieren. Sie verbringt ihre Zeit damit, sich Seifenopern anzusehen.“ Wenn die Frau außerhalb des Hauses arbeitet – und nur wenige Familien kommen mit einem Einkommen aus –, dann besteht er darauf, dass ihr Job im Vergleich zu seinem nicht der Rede wert ist. Wenn er allerdings versucht, ihre Aufgaben zu übernehmen – z. B. wenn er für eine Weile der Hauptansprechpartner für die Kinder ist, weil er arbeitslos ist und sie arbeitet –, sieht alles gleich komplett anders aus: Plötzlich erklärt er, dass Kindererziehung und Haushaltsführung enorme und bewundernswerte Aufgaben sind, die täglich ein paar Stunden Ruhe erfordern, damit er sich erholen kann.
Die emotionale Fürsorge kann für den modernen Misshandelnden sogar noch wichtiger sein als die häuslichen Dienstleistungen. Denken Sie an Ray, der Mary Beth beschimpfte, sie habe ihn zwei Tage lang „ignoriert“, während sie nach ihrem vermissten Sohn suchte! Sein Problem war, dass er glaubte, nichts – nicht einmal ein vermisstes Kind – dürfe Mary Beths Pflicht, seinen emotionalen Bedürfnissen nachzukommen, beeinträchtigen. Genauso häufig wie den Mann, der explodiert, weil das Abendessen verspätet ist, gibt es denjenigen, der ausrastet, weil seine Partnerin es leid ist, seinen Geschichten zuzuhören, in denen es nur um ihn geht, oder weil sie ein wenig Zeit allein verbringen und etwas tun möchte, das ihr Spaß macht, oder weil sie nicht alles sofort stehen und liegen lässt, um ihn zu trösten, wenn er sich niedergeschlagen fühlt, oder weil sie es versäumt hat, Bedürfnisse oder Wünsche vorauszusehen, die er nicht einmal geäußert hat.
Misshandelnde Männer verbergen ihre starken emotionalen Forderungen oft, indem sie sie als etwas anderes tarnen. Mein Klient Bert zum Beispiel wird wütend, wenn seine Freundin Kirsten nicht sofort das Telefongespräch abbricht, sobald er zur Tür hereinkommt. Seine Ausrede dafür, dass er sie attackiert, lautet: „Sie verschwendet Geld für die Telefonrechnung, obwohl sie weiß, dass wir uns das nicht leisten können.“ Wir haben jedoch festgestellt, dass das Problem nur auftritt, wenn er ihre Aufmerksamkeit will. Wenn sie im Ausland anruft, während er nicht zu Hause ist, oder wenn er jeden Samstagmorgen eine Stunde mit seinen Eltern telefoniert, sind die Kosten kein Thema.
Wenn ich neue Klienten habe, gehe ich an die Tafel und zeichne einen Kompass, wobei die Nadel genau auf das große N zeigt. „Sie wollen, dass Ihre Partnerin dieser Kompass ist“, erläutere ich ihnen, „und Sie wollen der Norden sein. Egal, wie der Kompass sich dreht, die Nadel zeigt immer in die gleiche Richtung. Und egal wohin Ihre Partnerin geht, was sie macht oder woran sie denkt, erwarten Sie, dass sie immer auf Sie fokussiert ist.“ Meine Klienten protestieren manchmal: „Aber darum geht es doch in einer Beziehung. Wir sollen uns aufeinander konzentrieren.“ Doch mir fällt auf, dass der Mann, wenn er sich auf sie konzentriert, vor allem daran denkt, was sie für ihn tun kann, und nicht umgekehrt. Und wenn er überhaupt keine Lust hat, sich auf sie zu konzentrieren, ist es ihm egal.
Ein Täter kann emotional bedürftig wirken. Man kann in eine Falle geraten, wenn man sich um ihn kümmert und versucht, ein Fass ohne Boden zu füllen. Aber er fühlt sich nicht so sehr bedürftig, sondern vielmehr berechtigt, und egal, wie viel Sie ihm geben, es wird nie genug sein. Er wird einfach immer wieder neue Forderungen stellen, weil er glaubt, dass Sie für die Befriedigung seiner Bedürfnisse verantwortlich sind, bis Sie sich komplett ausgelaugt fühlen.
Sexuelle Fürsorge bedeutet, dass der Mann es als Pflicht seiner Partnerin betrachtet, für seine sexuelle Befriedigung zu sorgen. Er akzeptiert es nicht, wenn seine sexuellen Annäherungen abgelehnt werden, verweigert sich aber seiner Partnerin, wann immer ihm danach ist. Auch ihr Vergnügen dient nur seinem Genuss: Wenn sie zum Beispiel nicht zum Orgasmus kommt, nimmt er ihr das eventuell übel, weil er es genießen will, sich als großer Liebhaber zu erleben.
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